Die Entdeckerfreude von Kunstvereinen in Deutschland
In Norddeutschland gibt es die Kestner-Gesellschaft in Hannover, die Kunstvereine Oldenburg, Hamburg, Braunschweig und Bremen. Wie sind all diese privat geführten Kunstvereine geführt? Ein Beispiel aus Lübeck: die Overbeck-Gesellschaft.
Kunstvereine in Deutschland - man glaubt es kaum: aber über 300 von ihnen gibt es. Die UNESCO zählt sie sogar zum Immateriellen Weltkulturerbe. In Norddeutschland etwa gibt es die Kestner-Gesellschaft in Hannover, die Kunstvereine Oldenburg, Hamburg, Braunschweig und Bremen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie privat geführt werden, als eingetragene Vereine, außerhalb staatlich geförderter Institutionen wie Museen oder Kunsthallen. Finanziert werden sie nur durch ihre zahlenden Mitglieder und Sponsoren.
Kunstverein Lübeck trägt seit 1918 den Namen Overbeck-Gesellschaft
Das ist auch so beim Kunstverein in Lübeck, der seit seiner Gründung im Jahr 1918 Overbeck-Gesellschaft heißt, nach dem hier geborenen Maler Johann Friedrich Overbeck. Junge, zeitgenössische Kunst fördern, die noch nicht oder kaum zu sehen war bisher - das liest man ähnlich auf den Seiten praktisch aller Kunstvereine. Sie fühlen sich als Entdecker, die ihre Mitglieder mit solchen Künstlern und Künstlerinnen bekannt machen, die man in Museen und etablierten, staatlichen, Ausstellungen noch nicht erleben konnte.
Christian Klawitter ist Vorstandsvorsitzender der Overbeck-Gesellschaft in Lübeck: "Als Lübecker Kunstverein konzentrieren uns auf die Künstler, die Karriere gestartet und erste Spuren gesetzt haben." Es müssten erste Erfolge angelegt sein, die aber noch nicht zu einer ersten Bekanntheit geführt hätten oder zu einer größeren Karriere ausgeartet seien. "Das sind die Künstler, die wir besonders im Auge haben."
Kanadierin Linda McCue erlebt tolle Resonanz in Lübeck
Wie die kanadische Künstlerin Linda McCue, die im Sommer in Lübeck eingeladen war. Sie hat in Hamburg Kunst studiert und wird dort von ihrer Galerie Vera Munro vertreten. Ihr Auftritt in einem Kunstverein war doch anders, und besonders: "Ich hatte super Resonanz in Lübeck, die Leute waren richtig nett".
Ein neugieriges, hoch-interessiertes Publikum hatte sich förmlich auf die Kanadierin gestürzt, um alles über die Erinnerungsstücke aus ihrer Heimat zu erfahren: Decken, Teller, Stoffe und Tapeten, mit denen Linda McCue eine weit zurückliegende Vergangenheit beschwor. "Das ist ein sehr schöner Raum, das ist eine schöne Architektur, und dieser Hinterhof, der Garten - das ist so gut ausgedacht für meine Kunst. Gerade für meine Arbeit war das sehr gut."
Der Pavillon, den die Overbeck Gesellschaft für ihren Kunstverein bespielt, liegt im schönen Hof des Museums Behnhaus in der Lübecker Altstadt. Dort hatte vor hundert Jahren schon Edvard Munch das Premierenpublikum aufgeschreckt. Jetzt gibt man der Avantgarde, hier im Hinterhof, jene Freiheit, die aktuelle und oft streitbare Kunst braucht, so Klawitter: "Das ist Aufgabe des Kunstvereins, so etwas zu provozieren, um darüber in eine Diskussion zu kommen. Gerade das Unverständnis regt zum Meinungsaustausch über das an, was in unserem Kunstverein gezeigt wird."
Gewisse Risikofreude macht Ausstellungen spannend
Anders als in den staatlichen Museen ist man hier nur den Mitgliedern verpflichtet, und in überschaubarem Rahmen auch unabhängig von wirtschaftlichen und kaufmännischen Überlegungen. Das erlaubt eine gewisse Risikofreude und macht Ausstellungen gerade in den Kunstvereinen überall in Deutschland so spannend: "Wir wollen Neugierde wecken, Bewusstsein wecken für ungewohnte Positionen, ungewohnte Sichtweisen, für ungewohnte Sehgewohnheiten."
Diese aktive Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst kann man als Mitglied sogar mit nach Hause nehmen. Denn die Kunstvereine geben regelmäßig sogenannte Jahresgaben heraus - kleine Auflagen von Bildern, Zeichnungen und anderen Objekten, die junge Künstler und Künstlerinnen exklusiv für sie produzieren - etwas, das man in keinem Museum bekommt.