Kartoffelbrei-Aktivismus im Museum: Wo ist die Grenze?
Was darf und sollte Klimaprotest im Kunst- und Kulturbereich? Das beurteilen Klimaaktivistinnen und -aktivisten auf der einen und Museumsdirektoren aus Niedersachsen auf der anderen Seite recht unterschiedlich.
Kartoffelbrei und Suppe auf Gemälde. Für Klimaktivist Theodor Schnarr von der Gruppe "Letzte Generation" erfüllt diese Protestform eine Funktion von Kunst: "Kunst ist ja unter anderem auch dazu gedacht, uns als Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten - und das hat diese Aktion sehr stark getan. Sie hat uns nämlich die Frage gestellt: Worüber empören wir uns gerade? Empören wir uns darüber, dass hier ein Gemälde nicht kaputt gegangen ist, weil es hat ja keinen Schaden genommen, oder empören wir uns darüber, dass unsere Lebensgrundlagen systematisch zerstört werden?"
Klimaaktivist: Kunst ist durch die Folgen des Klimawandels bedroht
Kunst sei bereits durch die Folgen des Klimawandels bedroht, so der Klimaaktivist. Der Klimaschutz sei die große Frage, die jetzt gesellschaftlich beantwortet werden müsse. Das sieht auch Thomas Richter, der Direktor des Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig, grundsätzlich ähnlich. Aber wenn Kartoffelbrei oder Suppe auf historische Gemälde geschüttet werde, dann sei das für ihn eine symbolische Zerstörung.
Museumsdirektor: "Wie ein Schlag ins Gesicht"
"Wir sind ja nicht die Wärter, sondern die Hüter", so Richter. "Wir hüten nicht nur Kunstwerke in ihrer Substanz, sondern eben auch die Ideen, die Menschen vor 100, 300 oder 600 Jahren damit verbunden haben. Wir sind die Sachwalter der Menschen, die das für uns bewahrt und überliefert haben. Und wenn man dann so vorgeht, dann ist das wie ein Schlag ins Gesicht."
Andreas Beitin: Sympathien für die Ziele, Ablehnung der Mittel
Klimaaktivist Schnarr hält den Protest in Museen hingegen für erfolgreich. Viele Kulturschaffende hätten sich im Nachhinein mit der Bewegung solidarisiert. Auch Andreas Beitin, der Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg, hat grundsätzlich Verständnis für radikalere Formen des Klimaprotestes: "Im Grunde genommen ist es natürlich abzulehnen, wenn Kunst beschädigt und Hausfriedensbruch begangen wird. Dennoch muss ich gestehen, dass ich eine gewisse Sympathie für die Klimaaktivisten habe - vor dem Hintergrund ihrer Verzweiflung und weil der Eindruck entsteht, dass die meisten Teile der Gesellschaft den Klimanotstand ignorieren und an ihrem Lebenswandel eigentlich nicht viel ändern", sagt Beitin. Aber auch wenn die Aktivisten vorher möglicherweise geprüft hätten, ob eine Glasscheibe vor den Kunstwerken ist, lehnt der Museumsdirektor die Protestform ab. Denn es sei nicht auszuschließen, dass die Werke doch Schaden nehmen.
Kartoffelbrei und Co.: "Es produziert Schäden"
Das sieht sein Braunschweiger Kollege Richter ähnlich: "Es ist eine Mär zu glauben, dass wenn das Gut, das man da drauf bringt, zwischen Rahmen und Glas herunterläuft, keine Schäden produziert. Das ist nicht der Fall - es produziert Schäden." Im Herzog Anton Ulrich Museum sind auch historische Werke wie jene von Albrecht Dürer oder Jan Vermeer ausgestellt. Besucherinnen und Besucher müssten nun Jacken und selbst kleinste Taschen abgeben.
"Fridays for Future" sucht die Kooperation mit Museen
Aber besteht nicht auch das Risiko, dass wegen der Aktionen in Museen und anderen Kultureinrichtungen die Unterstützung für die Klimaprotest-Bewegung abnimmt? "Das können wir nicht leugnen", sagt Klimaaktivistin Nele Evers von Fridays for Future. Gewalt und Beschädigung lehne man ab. Bei den Aktionen in Museen gehe es vor allem um Aufmerksamkeit. Aber die Bewegung sei breit aufgestellt: Die Klimaschützerinnen und Klimaschützer von Fridays for Future suchen eher Kooperationen mit Kultureinrichtungen - auch mit Museen. So sei das Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg Teil des Bündnisses "Museums for Future".
Andere wie die Gruppe "Letzte Generation" würden eher Aktionen innerhalb der Museen machen. "Diese Kombination führt dazu, dass zumindest in meiner Beobachtung kein Museum sagt: Wir arbeiten gar nicht mehr mit der Klimagerechtigkeitsbewegung zusammen, weil wir befürchten, dass sich jemand am Bild festklebt", so Evers. Denn diese Differenz zwischen der 'Letzten Generation' und 'Fridays for Future' ist ja immer noch da."
Thomas Richter: "Wir müssen einen Schulterschluss finden"
Museumsdirektor Richter sucht das Gespräch mit Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Denn dass sie mehr Klimaschutz fordern, könne er verstehen: "Ich kann den Zorn und die Ungeduld verstehen. Wir müssen schneller und effektiver werden. Da haben die jungen Leute völlig Recht. Da müssen wir einen Schulterschluss finden und nicht gegeneinander gehen. Wir sind nicht die Opponenten und Museen sind auch nicht die Obrigkeit."