Wie politisch darf Kunst sein? Eine Diskussion in Rostock
Wie weit dürfen Kreative die Kunstfreiheit ausreizen? Darüber diskutierten am Freitagabend Akteure der Kunstszene Mecklenburg-Vorpommerns in der Kunsthalle Rostock. Sie stellten sich der Frage: "Wie politisch darf und muss Kunst sein?"
Kunst ist politisch - das kann man zumindest bei Graffiti von Banksy oder Zeichnungen von Käthe Kollwitz ziemlich sicher behaupten. Aber muss sie politisch sein? Eine klare Antwort auf die Frage, wie politisch Kunst sein darf oder auch sein muss, gibt es nicht.
Anti-Kriegssongs von Bob Dylan, Graffiti an Hauswänden
Seit jeher wird die Kunst aber für politische Zwecke genutzt. Sei es von Bob Dylan, der einen Anti-Kriegssong singt oder von Jugendlichen, die Graffiti an Hauswände sprühen. Als Kunsthistorikerin und Kuratorin ist sich Zahra Hasson-Taheri sicher: "Kunst ist auf jeden Fall auch politisch - Künstler sind auch Zeitzeugen. Sobald die Kunstwerke in die Öffentlichkeit gehen, machen sie was mit einem", sagt Hasson-Taheri.
"Jeder betrachtet das aus seiner eigenen Kultur und aus seinem eigenen Hintergrund." Dann könne es für den einen politischer sein, für den anderen weniger politisch. "Aber Fakt ist: Wir Künstler haben Kraft, entsprechende Themen zum Ausdruck zu bringen, von denen wir uns im Alltag nicht trauen, das zu sagen."
Stefan Nadolny: Kulturelle Orte sollen noch klarer Stellung beziehen
Stefan Nadolny vom Peter-Weiss Haus Rostock teilt diese Meinung. Er sieht in der Kunst ein enormes Potential, was die Sprache nicht mit Worten ausdrücken kann. Er wünscht sich, dass kulturelle Orte, wie die Kunsthalle oder auch das Volkstheater, noch klarer Stellung beziehen.
Welche Künstler zeigen sie, welche Geschichten werden erzählt - wie positioniert man sich künstlerisch und eben auch politisch: "Ich habe die Befürchtung, dass die AfD in Entscheidungspositionen kommt, wo sie entscheiden könnte, wie Fördermittel vergeben werden, und das unter Bedingung stellen können", meint Nadolny. "Das kann eine große Gefahr sein, das ist ein großes Risiko für die Kunstfreiheit, dass man nicht mehr frei Kunst und Kultur anbieten kann, sondern letztlich eine Gefälligkeit verlangt wird."
Kunst muss nicht politisch sein, meint Holger Stark. Der Künstler hat in Dresden, Hamburg und London studiert und lebt seit nun seit 20 Jahren mit seiner Frau in der Nähe von Rostock. Seine Werke entstehen aus Emotionen, die eine neue Facette suchen, einen neuen Blickwinkel auf die Themen seines Lebens.
Das hat meistens etwas mit Politik zu tun, wenn man nur lange genug drüber nachdenke, meint Stark: "Fast alle Menschen sind irgendwie doch politische Menschen. Das merkst du spätestens, wenn wir im privaten Rahmen sind und ein Bier aufgemacht wird, dass alle plötzlich rausstolpern aus ihrer Vorsicht, aus ihrem Comfort-Raum. Das gleiche gilt für Künstler, dass sie natürlich politisch denken."
Otto Dix malte Landschaften in der Zeit des Faschismus
Aber nicht jedem Werk sieht man an, wie viel Politik tatsächlich drinsteckt. Holger Stark ist kein Fan von belehrender Kunst und direkten Darstellungen. Auch wenn das in der Vergangenheit manchmal nötig war. Hauptsache, die Leute machen, was sie machen möchten, so der Künstler. "Manche weichen aus, wie Otto Dix in der Zeit des Faschismus. Da malt er eben Landschaft, aber ganz ohne sind die Landschaften eben nicht." Deswegen verstecke sich oftmals doch Politik dahinter. "Aber eine Pflicht, sich zu positionieren, und erst recht in seinem Beruf, hat der Künstler nicht."
Das habe auch ein Ingenieur nicht, genauso wenig ein Rennfahrer, meint Claudia Kapellusch vom Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Mecklenburg-Vorpommern: "Kunst ist frei und vor allen Dingen interessenfrei", meint Kapellusch. "Sei die Kunst im Getriebe", zitiert sie ihren Kollegen Robert Rehfeld: “Das ist natürlich eine schöne Metapher für das große Räderwerk da draußen, für die Gesellschaft. Und dass nicht nur Künstler die Welt verändern können, sondern jeder Einzelne."
Gute Kunst kann politisch oder auch nicht politisch sein, findet der Leiter der Kunsthalle Rostock, Uwe Neumann. Wichtig sei, dass man sich seiner Verantwortung bewusst ist. Nicht jedes Verhalten sei von der Kunstfreiheit gedeckt. Auch bei strittigen Themen müsse man weiterhin in den Dialog treten. Nur so ließe sich ein tieferer Riss in der Bevölkerung vermeiden.
2025 widmet sich der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Mecklenburg-Vorpommern dem Thema "Kunstfreiheit". Ab dem 25. Januar startet die landesweite Kunstschau mit dem Titel "Unangebracht" in der Kunsthalle Rostock.