William Kentridge: Kunst, politisch und spektakulär
William Kentridge zählt zu den populärsten Künstlern der Gegenwart. Der Zeichner und Filmemacher aus Südafrika thematisiert in seiner Kunst den Kolonialismus und die Ausbeutung Afrikas.
William Kentridge gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen bildenden Künstler unserer Zeit. Das Wirtschaftsmagazin "Capital" zählte ihn 2020 im Kunstkompass zu einem der zehn gefragtesten Künstler der Gegenwart.
Seine Themen sind die Brutalität des Apartheid-Systems, Polizeigewalt und Folter. Schon früh lernte der 1955 in Johannesburg geborene Kentridge, was Apartheid bedeutet, obwohl er selbst weiß ist. Sein Vater Sidney Kentridge war Menschenrechtsanwalt, juristischer Vertreter von Nelson Mandela und Apartheid-Gegner. Dadurch hatte er schon früh eine andere Perspektive auf die Welt, als viele seiner Zeitgenossen.
Kentridge thematisiert Kolonialismus und Ausbeutung Afrikas
William Kentridge entwickelte in seinen 40 Schaffensjahren ein künstlerisches Universum aus Filmen, Installationen und Theaterstücken, in denen er von den Tragödien der Geschichte erzählt: Kolonialismus und der Ausbeutung Afrikas, auf der der außergewöhnliche Reichtum Europas basieren.
Das Leiden Afrikas als Schattenspiel. William Kentridges Kunst ist direkt und sinnlich. Ein Zusammenspiel aus Film, Musik und Worten. Immer gibt es eine Botschaft. Oft geht es um die Polizeigewalt, die Folter, die Massaker während der Apartheid in seiner Heimat Südafrika. "Er hat das Apartheid-Regime aufs Korn genommen - in unterschiedlichster Weise", sagt Dirk Luckow, der Intendant der Deichtorhallen, die dem Künstler 2020 und 2021 eine große Retrospektive widmete. Er führe uns die Gewalt des Regimes drastisch vor Augen. Da nehme er kein Blatt vor den Mund. "Man sieht das Gebäude, man sieht die Folterarten, man sieht aber auch die Scham Kentridges, Teil dieser Oberschicht zu sein."
Ein Trickfilm zeigt, wie ein Schwarzer vom Dach des Polizeipräsidiums gestoßen wird - beim Fall sieht man hinter ihm durch die Fenster, wie in jedem Stockwerk gefoltert wird. Kentridges Blick auf Afrika ist schonungslos und aufwühlend. Ist es richtig, dass er sich als "weißer Südafrikaner" der Sache der Schwarzen annimmt? Sein ganzes Werk basiere auf dieser Frage und der Entscheidung, es zu überwinden, um es zu tun, sagt der Deichtorhallen-Intendant.
Schonungsloser Blick auf Afrika, der aufwühlt
Auf einer 40 Meter langen Leinwand gehen Frauen und Männer langsam von links nach rechts - ein lebensgroßer Trauermarsch. Eine ergreifende Erinnerung an die Ebola-Epidemie - ein Totentanz. "Angeführt von einem Blasorchester, das nicht nur melancholische Töne anstimmt, sondern auch Fröhliches, so dass man auch den afrikanischen Freudentanz ein Stück weit hört", sagt Luckow. "Man hat alles: Gerippe, die da klimpern. Menschen mit Prothesen, die im Müll gefundenes Material zu Recyclinghöfen bringen. Man sieht Leute, die sich mit Plastiktüten gegen den Regen schützen."
William Kentridge kann aber auch heiter: wenn beispielsweise ein bibeldickes Lexikon im Film zu einem Daumenkino wird oder er verspielte, poetische Pausenfilme für Opernhäuser produziert. "Man wird mit so vielen Welten zugleich konfrontiert - sei es technisch, historisch oder politisch. Da gibt es so viele Referenzen in Richtung Surrealismus, Dadaismus, Expressionismus", sagt Luckow - auch bei seinen künstlerischen Ausdrucksmedium sei Kentridge unglaublich variabel. "Man hat was Filmisches, man hat Zeichnungen. Man hat eine Installation. Aber was sich durchzieht, ist das Schwarz-Weiß. Er hat sich nie als Maler gesehen. Farben waren nie so seine Sachen. Die Zeichnung ist die Basis seines ganzen Schaffens."