Legende von nebenan: Peter Ernst Eiffe, Streetart-Pionier aus Hamburg
Wem würden Sie gerne ein Denkmal setzen? Diese Frage hat NDR Kultur am Anfang der Aktion Legenden von nebenan gestellt. Einer der vorgeschlagenen ist Peter Ernst Eiffe, ein eigensinniger Aktionskünstler, der Hamburg 1968 mit seinen Slogans überzogen hat.
Für die Hamburger Band Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ist Peter Ernst Eiffe auch 40 Jahre nach seinem Tod ein Idol. In dem Song "Alle Ampeln auf Gelb" singen sie:
Die 68er mag ich nicht sehr,
doch gab es einen, den ich verehr'.
In Duvenstedt wurde er geboren,
Peter Ernst Eiffe, so hieß er.
Nur kurz hat er in Hamburg studiert,
dann hat er die Stadt verziert.
aus "Alle Ampeln auf Gelb" von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen
Sänger Carsten Friedrichs beeindrucken "die Kreativität und die Frechheit, mit der er alles mit dem Edding vollgemalt hat." Der Filzstift war damals erst wenige Jahre auf dem Markt. Und hatte einen entscheidenden Vorteil, so Friedrichs: "Die Studenten haben ihre Parolen mit Farbe aus dem Eimer gepinselt - das hat natürlich ewig gedauert. Eiffe war mit seinem Marker viel schneller - und hat damit die Stadtschmiererei revolutioniert."
"Eiffe für alle": Slogans in Guerilla-Manier gekritzelt
Es ist 1968, als Eiffe Hamburg mit skurrilen Sprüchen übersät. Plötzlich ist der Student und zeitweilige Mitarbeiter des Statistischen Landesamtes stadtbekannt. In Guerilla-Manier kritzelt er seine Slogans. Eine Auswahl: "Eiffe für alle", "Eiffe verbessert die Welt", "Eiffe liebt dich", "Eiffe sucht die Strandbiene", "Eiffe der Bär kommt bald", "Alle Ampeln auf Gelb", "Wer vögelt, lebt. It's Eiffe-Time"
Christian Baus Dokumentarfilm "Eiffe for President - Alle Ampeln auf Gelb" kommt dem Künstler näher. Dort sieht man, wie ein Eiffe-Double in nachgestellten Szenen Säulen in Hamburger U-Bahnhöfen mit Sprüchen wie "Eiffe for President" bekritzelt und dann hastig weiterläuft, in die nächste Bahn springt. So muss man sich den Sprücheschreiber in Aktion vorstellen. Zu sehen sind die Bilder auch im Musikvideo des Songs "Alle Ampeln auf Gelb" von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen.
Peter Schütt, sein Mitstudent von damals, erzählt: "Eiffe hat überall, auf Verkehrsschildern, auf Häuserwänden, an Türen, eine Möglichkeit gefunden, mit seinem Filzstift schwarz auf weiß seine Botschaften zu verkünden. Das war wirklich eine Vision." Vorher sei Hamburg eine saubere, "weiße" Stadt, ohne jede Graffitis gewesen. Schütt findet: "Er hat gewissermaßen das Graffiti erfunden. Insofern war es eine ästhetische Revolution, wenn man so will."
"Professoren verpisst euch, keiner vermisst euch"
Eiffes früher Kommilitone Schütt ist damals Teil der Studentenbewegung und gründet 1968 die Deutsche Kommunistische Partei mit. Als in Hamburg die Studentenunruhen toben, ist er, wie Eiffe, mittendrin. Im Audimax-Hörsaal der Uni protestieren Studierende gegen das verstaubte Lehrpersonal.
Der legendäre Spruch damals, von zwei Studenten auf einem Transparent durch den vollbesetzten Saal getragen: "Unter den Talaren - Muff von 1000 Jahren". Schütt erinnert sich: "Ich habe eine schwache Blase und musste schnell zur Toilette. Und da fand ich den Spruch: 'Professoren verpisst euch, keiner vermisst euch.' Das hatte Eiffe, während wir da im Audimax saßen, als seine Pointe dazugegeben. Das fand ich treffend."
Mit den eigenen Worten den öffentlichen Diskurs aufmischen - das ist Eiffes Mission. Auch gegen die mächtige Springer-Presse. Als im April 1968 Studierende den Eingang zum Springer-Hochhaus blockieren, findet Eiffe seinen eigenen Protest. Schütt: "Am Dammtorbahnhof gab es damals ein Herren-Pissoir. Da hat er den Spruch geschrieben: 'Richtet mit und ohne Finger, stets den Strahl auf Axel Caesar Springer.' Er war ein poetisches Talent, wenn ich das so sagen darf."
"Für manche ein Held, für andere ein Verrückter"
Für die einen ist er ein Künstler, für andere ein selbstgefälliger Sprücheklopfer, einer, der den Mächtigen Stress machen will. Ist es seine Revolte gegen den Adoptiv-Vater, einen Marineoffizier im Naziregime? Mit seinem Schlapphut und seiner bürgerlichen Erscheinung jedenfalls ist er Mitstudenten suspekt. Manche halten ihn sogar für einen Agenten des Verfassungsschutzes.
"Er war für manche ein Held, für andere ein Verrückter, aber er gehörte in die Szenerie hinein", erklärt Peter Schütt. Carsten Friedrichs, Sänger von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, betont: "Er war überall unangepasst - solche Leute sind immer die interessantesten."
Eiffes Ende: Erfroren auf einem Feld
Doch Eiffes Leben verläuft tragisch. Als er im Mai 1968 mit seinem Fiat Topolino in den Hamburger Hauptbahnhof fährt und dort die "Freie Republik Eiffe" ausruft, wird er verhaftet. Ein Amtsarzt lässt ihn in die Psychiatrie einweisen. Eiffe kommt zunächst nach Hamburg-Ochsenzoll, später in eine Klinik im schleswig-holsteinischen Rickling. Weihnachten 1983 flieht er von dort - und wird im März 1984 erfroren auf einem Feld gefunden.
Eiffes widerspenstiger Protest ist heute restlos aus dem Hamburger Stadtbild verschwunden. Sein Mythos ist geblieben. Peter Ernst Eiffe war ein legendärer Störenfried.
Im kommenden Jahr wird NDR Kultur in Hamburg ein virtuelles Denkmal einrichten - eine Tafel mit QR-Code, mit dem man einen Film über Peter Ernst Eiffe abrufen kann.