Marienburg: Ingenieur äußert Zweifel an Notwendigkeit der Schließung
Die Marienburg ist derzeit für Besucher geschlossen. Es droht laut der Region Hannover Einsturzgefahr. Die Serie "Maxton Hall" darf jedoch dort gedreht werden. Ehemalige Mitarbeitende vermuten, das wirtschaftliche Interesse an der Serienproduktion wiege schwerer als der Zugang für die Öffentlichkeit. Der Ingenieur Constantin Anastasiou äußert Zweifel an der Notwendigkeit der Schließung.
Im vergangenen Jahr hatte sich Constantin Anastasiou mit seinem Ingenieur- und Objekt-Planungsbüro in Hannover auf die Ausschreibung für die Sanierung der Marienburg beworben. Im Zuge des Ausschreibungsverfahrens habe er demnach auch an einer Begehung der Burg teilgenommen, schildert er NDR Kultur. Bei der Begehung hat sich der Ingenieur auch die vom echten Hausschwamm befallene Dachkonstruktion angesehen.
Anastasiou: Partielle Sanierung ist machbar
Laut der Region Hannover ist durch die befallenen Hölzer die Standsicherheit gefährdet, der Hausschwamm gilt als Grund für die Schließung. Ingenieur Anastasiou bezeichnet dies als "Witz", das sei für ihn täglich Brot und eine partielle Sanierung wäre laut seiner Einschätzung machbar. Das hieße: Morsche Bereiche werden zunächst abgestützt und dann saniert - dies könnte laut Anastasiou im laufenden Betrieb der Burg geschehen. Eine kurzfristige Sperrung der Anlage sei zwar nicht auszuschließen, aber die durch die Region Hannover geplante Schließung von sieben Jahren ist für Anastasiou nicht nachvollziehbar. Auch die veranschlagte Sanierungssumme von Bund und Land in Höhe von mehr als 27 Millionen Euro hört sich für den Ingenieur astronomisch an.
"Wiedereröffnung erst nach abgeschlossener Sanierung"
Die Region Hannover begründet die Dauer von sieben Jahren und die komplette Schließung der Burg für den Publikumsverkehr damit, dass für eine Wiedereröffnung zunächst eine Baugenehmigung vorliegen müsse. Darin müssten "die Bereiche Standsicherheit, Nutzung, Denkmalschutz und Brandschutz abgedeckt sein". Laut der Region kann nach aktuellem Kenntnisstand eine solche Baugenehmigung erst nach Abschluss der geplanten Sanierung erteilt werden. Dazu äußerte sich Ingenieur Anastasiou in einer Stellungnahme gegenüber dem NDR vom 9. August 2024. Demnach müsse keine Baugenehmigung vorliegen, um entscheiden zu können, ob eine Schließung der Burg gerechtfertigt sei oder nicht.
Die Kostenschätzung für die denkmalgeschützte Sanierung der Marienburg in Höhe von mehr als 27 Millionen Euro beruhe auf Befunduntersuchungen des Schlosses im Zuge der Sanierungsplanung, so die Region Hannover.
Anastasiou hat Zweifel am Ablauf des Vergabeverfahren
Anastasiou äußert auch Zweifel am Ablauf des Vergabeverfahrens. Eigenartig wäre gewesen, dass sich zwei Hamburger Büros, die am Ende das Verfahren gewonnen haben sollen, scheinbar untereinander abgesprochen hätten. Demnach hätte sich zunächst nur ein Architekturbüro beworben - aus Anastasious Sicht brauche es aber unbedingt auch einen Ingenieur. Erst in einer Videokonferenz, so Anastasiou, wäre dann zusätzlich ein Ingenieurbüro präsentiert worden. Das Hamburger Architekturbüro habe zudem keine Erfahrungen mit dem Sanieren von Altbauten, so Anastasiou, er schon.
MWK: Vergabeverfahren war rechtmäßig
Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) betont die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens. "Es handelte es sich um zwei öffentliche Vergabeverfahren durch die Bauherrin Stiftung Schloss Marienburg", äußert sich das MWK gegenüber NDR Kultur zur Kritik Anastasious. Die Region übernimmt bei der Marienburg die Funktion der Unteren Bauaufsichtsbehörde. Das Ingenieur- und Objekt-Planungsbüro aus Hannover habe sich demnach im vergangenen Jahr an dem zweiten Ausschreibungsverfahren beteiligt, in dem es um die Generalplanungsleistungen gegangen sei. Die Vergabe sei dann durch eine Kanzlei durchgeführt worden, so das MWK, die Projektsteuerungsleistungen zu diesem Zeitpunkt bereits separat vergeben worden. Das Hamburger Architekturbüro wollte sich auf Nachfrage von NDR Kultur nicht öffentlich zu den Vorwürfen äußern.
Ehemalige Mitarbeitende erheben schwere Vorwürfe
Ehemalige Mitarbeitende haben sich mit einem Schreiben an die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) wegen eines vorangegangenen Artikels über die Burg gewendet. Darin formulieren die Beteiligten rund um die ehemalige Schlossführerin Carmen Holst-Hillmer ihre Befürchtungen, die Marienburg aufgrund des Filmdrehs für Besucher geschlossen worden sei. Ein weiterer Brief ging an das Ingenieur- und Objekt-Planungsbüro von Constantin Anastasiou in Hannover. Der schickte daraufhin ebenfalls ein Schreiben los, unter anderem an die HAZ und das Kulturministerium, in dem er den aktuellen Sanierungsplan für das Schloss in Frage stellt. Dem NDR liegen diese Schriftstücke vor.
Filmdreh ja, Besucher nein?
Der Brief der Gruppe von ehemaligen Mitarbeitenden der Marienburg wirft die Frage auf, ob das wirtschaftliche Interesse an der Filmproduktion schwerer wiegt als die Bedenken rund um die Standsicherheit der Burg. Dazu äußert die Region Hannover schriftlich, dass die Filmproduktionfirma UFA einen Vertrag mit der Stiftung Schloss Marienburg geschlossen habe. Darin wäre demnach festgehalten, dass die UFA auf eigene Kosten ein Gutachten zur Standsicherheit der für den Dreh genutzten Räume erstellen lassen musste.
Notabstützungen machen Filmdreh möglich
Das Gutachten eines beauftragten Ingenieurbüros weist aus, dass im Salon des Königs durch das Filmunternehmen Notabstützungen der Deckenbalken erfolgen müssten. Diese Maßnahmen sind laut dem Gutachter durchgeführt worden und daher bestehen aus statischer Sicht keine Bedenken den Rittersaal mit Erker und den Salon des Königs mit Bibliothek für temporäre Dreharbeiten zu nutzen.