Künstler Frank Brunnée: "KI ist gekommen, um zu bleiben"
Was wäre, wenn die Digitalisierung schon vor ein paar tausend Jahren bereits zum Alltag gehört hätte? Diese Frage hat sich ein Bremer Illustrator gestellt und mittels KI berühmte Gemälde ein bisschen verändert - quasi digitalisiert.
Die Mona Lisa mit Headset, Edvard Munchs "Der Schrei", weil es kein WLAN gibt oder Gauguins Tahiti, wo das Handy interessanter ist als das Südsee-Paradies. Der Bremer Illustrator Frank Brunnée arbeitet privat noch immer am liebsten mit Papier und Buntstift, in seiner Werbeagentur jedoch ist die Künstliche Intelligenz längst eingezogen. Sein Faible für Kunst ließ ihn neugierig werden. "Das sieht auf den ersten Blick schon relativ Van-Gogh-like aus", kommentiert er die Bilder, die auf seinem Bildschirm erscheinen und alle sehr an Van-Gogh-Werke erinnern. "Aber wenn man den guten Mann ein bisschen kennt, sieht man, dass das natürlich ein ganz, ganz furchtbares Klischee ist."
Kunstgeschichte neu geschrieben
Eines Tages macht er sich daran, die Kunstgeschichte neu zu schreiben - und zu bebildern. "KI ist gekommen, um zu bleiben. Umso schöner fand ich eigentlich die Idee, die Zeiten heute und die, in denen KI oder Digitalisierung noch keinerlei Rolle spielten, mal zusammenzubringen." Herausgekommen ist das Buch "Digitalisierung im Spiegel der Kunstgeschichte". Die Werke sind so realistisch, als wären sie von den Künstlern selber. Die Texte mit einem irgendwo versteckten ironischen Verweis, wie bei Egon Schiele, dem Expressionisten des frühen 20. Jahrhunderts. KI-Künstler Brunnée jubelt ihm "eine Vorliebe für Telefonie" unter: "Die Texte sind kunsthistorisch durchaus fundiert geschrieben. Aber da immer irgendein digitales Element innerhalb des Bildes aufkommt, muss ich natürlich auch dieses Element beschreiben, wie dieser Künstler dazu gekommen sein könnte."
Ergebnisse können nicht reproduziert werden
Der ironische Streifzug durch die Kunstgeschichte ist das Ergebnis von mehreren hundert Befehlen - den Prompts - bis zum gewünschten Ergebnis. Texturen, Pinselstriche, Farbstimmungen - alles muss genau definiert werden. Die KI lernt und bleibt dumm. "Wenn Millionen Menschen auf dieser Welt bestimmte Prompts eingegeben und einen Haken dran gemacht haben und bestimmte Ergebnisse bekommen haben, dann erzeugt derselbe Prompt, den sie gestern eingegeben haben, heute ein komplett anderes Ergebnis, was nichts mehr damit zu tun hat. Das heißt, das Wiederholen bestimmter Ideen ist sehr schwierig", erklärt Frank Brunnée.
Täuschend echte Bearbeitungen
Eine besondere Herausforderung: die moderne Technik mit den Künstlerinnen und Künstlern sinnvoll zu verbinden. 51 neue alte Werke sind so durch die KI entstanden, derart realistisch, dass man - wie bei Modersohns Landschaftsbildern - schon mal ganz genau hingucken muss: "Da musste die Telekommunikation oder Digitalisierung unserer Zeit ein bisschen in den Hintergrund", schmunzelt der Illustrator, der an seinem Laptop einen Funkmast auf das Landhaus eines Modersohn-Bildes montiert.
Deep Fake versus Kunst
Deep Fakes - das böse Kind der KI. Spätestens hier müssen Grenzen gezogen werden. "Wenn man zum Beispiel das Wort 'Trump' eingibt, dann hat die KI dieses Wort gesperrt. Das heißt, Sie können heutzutage kein satirisches Bild mehr machen, so etwas wie: der Papst umarmt Mr. President Trump."
Da verlässt sich der Illustrator doch lieber auf sein Handwerk. Und sinniert, wie es damals gewesen wäre und wie es weitergeht, wenn … "Kaum ein Experte, der sich damit auseinandersetzt, ist in der Lage, vorauszusagen, was morgen möglich sein wird", so Brunnée. An diese Zukunft haben die Steinzeitmenschen bestimmt nicht gedacht: ihren von Brunnée veränderten Knochen mit Ziffernblock zum Wählen.