Ein blühendes Kind der Wende
Aber nicht alle verlassen die DDR fluchtartig. Die Bürgerinitiative bleibt. Für sie steht schnell fest: Die LPG haben nach der Wende keine Zukunft. Hans-Heinrich Jarchow wird 1990 der erste frei gewählte Bürgermeister der Gemeinde. Noch heute schwingt bei diesem Satz eine große Portion Stolz in seiner Stimme. "Wir mussten eine Übergangslösung schaffen, den Leuten eine Alternative bieten", sagt er heute. Jarchow und seine Mitstreiter gründen einen Verein.
Vom Truppenübungsplatz zum Naturschutzgebiet
Unter dem Namen "Verein zur Förderung angemessener Lebensverhältnisse" will die Initiative die Arbeitslosigkeit nach dem Umbruch abfedern. Das Motto: "Die Leute sollen kein Laub fegen, sondern müssen sinnvoll beschäftig werden", meint Jarchow. Aus dem Verein wird eine Beschäftigungsgesellschaft. Mithilfe von ABM-Maßnahmen sanieren die Frauen der Gemeinde ein altes Fachwerkaus. Heute sitzt hier die Filzmanufaktur "Ülepüle", die mit ihren Produkten sogar schon einmal einen Scheich belieferte. Den ehemaligen Übungsplatz der Sowjet-Armee lässt der Verein nach dem Abzug der Truppen räumen. Munition wird abtransportiert und ein Naturschutzgebiet für die Fläche beantragt. Auf 1200 Hektar Land blüht hier heute lilafarbene Heide. Auch ein Lehmbauzentrum und der Wangeliner Garten entstehen auf Initiative des Vereins.
"Eine außergewöhnliche Entwicklung"
Gegen den Widerstand vieler LPG-Genossen macht sich der Bürgermeister für ein Gewerbegebiet in der heutigen Gemeinde Ganzlin stark. "Ich konnte mit dem Wort ‚Gewerbegebiet‘ ehrlichgesagt nicht anfangen", gibt Jarchow heute zu. "Wir mussten ja das ganze Leben neu lernen." Sein Vorhaben gelingt trotzdem. Ein Holzgroßhandel aus Schleswig-Holstein macht den Anfang. Mittlerweile sitzen auf dem Gelände des ehemaligen LPG-Trockenwerks unter anderem ein Beschichtungspulver-Hersteller und ein Metallwerk.
Die Möglichkeiten der Wende genutzt
Heute stehen Jarchow, Hirrich und Schickert bei strahlendem Sonnenschein im Wangeliner Garten. Natürlich sei es wirtschaftlich nicht immer einfach, wirft Hirrich ein: "Das hier zu betreiben ist ein Drahtseilakt." Doch im Rückblick, fasst Annette Schickert zusammen, hätten die Wangeliner die Möglichkeiten der Wende einfach früh erkannt und selbst in die Hand genommen: "Es ist eine außergewöhnliche Entwicklung, die wir hier genommen haben - alle zusammen."
- Teil 1: Blühende Landschaften in doppeltem Sinne
- Teil 2: Sinnvolle Arbeit statt Laubfegen