Ende und Anfang: Hannovers Befreiung zum Kriegsende
Stück für Stück erobern die Alliierten im April 1945 von Westen her Deutschland. Der Zweite Weltkrieg endet in Raten. Am 10. April erreichen US-Truppen mit Hannover eine weitgehend zerstörte Stadt.
Es ist ein Ende mit Ansage. Im April 1945 haben die Alliierten militärisch längst die Oberhand gewonnen und rücken von Westen nach Deutschland ein, überschreiten am 4. April die Weser. In Hannover sind zu dieser Zeit im Radio noch Durchhalteparolen zu hören. Am 9. April stehen US-Truppen unmittelbar vor der Stadt.
Die Wehrmacht gibt auf
Von den einst mehr als 470.000 Einwohnern Hannovers sind nur noch 215.000 geblieben - meist Frauen, Kinder, Alte. Oberbürgermeister Egon Bönner ist klar, dass die Stadt nicht zu verteidigen ist. Als die Alliierten immer näher kommen, fährt er in der Nacht zum 9. April zum zentralen Gau-Gefechtsstand. Bönner will die Kommandanten zur Aufgabe bewegen. Tatsächlich willigt General Paul Wilhelm Loehning ein. In seinem letzten Appell am 10. April stellt er es den angetretenen Soldaten frei, sich zu ergeben oder in Richtung Osten zu fliehen.
Ein letztes Gefecht
Zu dieser Zeit hat die US-Armee mit dem 333. und 334. Infanterieregiment unter General William H. Simpson den westlichen Stadtrand erreicht. An diesem Dienstagmorgen rückt sie in den Stadtteil Limmer vor. An der Schleuse stellen sich ihnen gut 20 junge Soldaten in den Weg, doch der letzte Widerstand endet für die Deutschen schnell tödlich. Nahezu ungehindert setzen die US-Truppen ihren Weg ins Zentrum fort und nehmen noch am selben Tag Oberbürgermeister Bönner fest. Die meisten anderen hohen Vertreter des Nazi-Regimes haben sich längst abgesetzt.
Der Gauleiter poltert und geht
Auch Hartmann Lauterbacher, Leiter des NSDAP-Gaus Süd-Hannover-Braunschweig, machte sich rechtzeitig in Richtung Harz auf. Am 4. April hatte er noch in einem Aufruf an die Hannoveraner gepoltert: "Wir sind gewillt und entschlossen, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten einzusetzen, um unsere niedersächsische Erde, unsere Frauen und das höchste und wertvollste Gut, unsere Kinder, vor dem Zugriff der Anglo-Amerikaner und der ihnen folgenden Juden, Neger, Zuchthäusler und Gangster zu schützen. ... Wer weiße Fahnen hisst und sich ergibt, ist des Todes." Danach verschwand er.
Kaum ein unversehrtes Haus
Die Amerikaner finden eine weitgehend zerstörte Stadt vor. Seit Herbst 1943 war Hannover immer wieder das Ziel schwerer Bombenangriffe geworden. Mehr als die Hälfte aller Wohnungen ist vernichtet oder schwer beschädigt, nur etwa fünf Prozent komplett unversehrt. Entsprechend groß ist das Leid der Bevölkerung.
Briten setzen neuen Oberbürgermeister ein
Unmittelbar nach den US-Truppen erreicht die britische Armee Hannover. Mit Major G.H. Lamb stellen die Briten den künftigen Stadtkommandanten, der bereits am 11. April einen neuen Oberbürgermeister bestimmt: den 66 Jahre alten SPD-Politiker Gustav Bratke. Unter Aufsicht der Militärs soll er den Aufbau der Stadt organisieren. Keine einfache Aufgabe, denn die Versorgung mit Lebensmitteln und Alltagsgegenständen ist mehr als schlecht.
Die öffentliche Ordnung liegt brach
Schon in den Tagen vor der Kapitulation hatte sich die öffentliche Ordnung in Hannover weitgehend aufgelöst. Am Wochenende 7. und 8. April plündern Tausende Hannoveraner Lagerhäuser von Firmen und Militär. Selbst die Nationalsozialisten sind uneins: Während die einen der Linie der NSDAP-Führung folgen und "verbrannte Erde" hinterlassen wollen, denken andere an die Zeit nach dem Krieg und versuchen, weitere Zerstörungen zu verhindern. So gelingt es auch, das wuchtige Rathaus davor zu bewahren, von NSDAP-Anhängern gesprengt zu werden.
Die Stadt verändert sich
Kurze Zeit nach dem Einmarsch verändert sich das Stadtbild: Nazi-Symbole verschwinden, Straßen wie die Adolf-Hitler-Straße bekommen ihre früheren Namen zurück. Schwieriger gestaltet sich die "Entnazifizierung" der Stadtverwaltung. Bratke lehnt den Plan der Alliierten ab, alle NSDAP-Mitglieder zu entlassen. Eine derart ausgedünnte Verwaltung wäre kaum noch arbeitsfähig, meint er. Schließlich müssen von 9.600 Mitarbeitern rund 1.250 gehen.
Für viele kommt die Hilfe zu spät
Für viele Menschen kommt die Befreiung Hannovers zu spät. SS und Gestapo hatten auch in den letzten Kriegstagen ihr unmenschliches Handwerk fortgesetzt. So müssen am 6. April meist sowjetische Gefangene aus dem Gestapo-Gefängnis in Ahlem zum Seelhorster Friedhof gehen. Dort heben die 155 Männer ihre eigenen Gräber aus und werden dann erschossen. Auch Hunderte Menschen in den hannoverschen Nebenlagern des Konzentrationslagers Neuengamme können ihren Peinigern nicht entkommen. Die SS treibt sie zum KZ Bergen-Belsen bei Celle - ein Todesmarsch. Außerdem leben in Hannover rund 50.000 Kriegsgefangene unter erbärmlichen Bedingungen in mehreren Lagern.
Der Krieg geht weiter
In anderen Teilen Deutschlands und der Welt dauert der Zweite Weltkrieg noch an. Erst am 8. Mai 1945 tritt die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht in Kraft.
Hannovers ehemaliger Gauleiter Hartmann Lauterbacher wird später in zwei Prozessen "aus Mangel an Beweisen" freigesprochen. Später arbeitet der ehemals fanatische Nationalsozialist sogar für den Bundesnachrichtendienst.