Western: Was macht das Genre noch heute aktuell?
Von "1883" über "The Dead Don't Hurt" bis zu "Horizon": Der Western ist im Kino auch im 21. Jahrhundert ein beliebtes Genre. Was macht ihn immer noch so lebendig?
Elsa ist die Hauptfigur in der Serie "1883". Schon im ersten Bild der Serie verzieht sie schmerzverzerrt das Gesicht, ein Pfeil steckt in ihrem Bauch. Da reflektiert sie das Land und ihre Geschichte, die sie mit ihrer Familie von Texas nach Montana führte. Die Szene setzt den Grundton für einen Western im 21. Jahrhundert. Um das Land zu verstehen, sagt Elsa, "muss man es zu Fuß durchqueren. In diese Erde hineinbluten. In den Flüssen ertrinken. Dann offenbart es sich." Im klassischen Western war diese Bewegung im Raum immer verbunden mit Verheißung und mit Glücksversprechen. Aber heute ist der Blick ein fundamental anderer. Dieses Land offenbart sich als "Hölle" voller Dämonen. Es ist kein Paradies, sondern ein "Bloodland".
Western bedient Grundelemente des ältesten Genres der Filmgeschichte
Der Western hat in mehr als 100 Jahren die Fähigkeit bewahrt, die Grundelemente des ältesten Genres der Filmgeschichte zu bedienen, aber gleichzeitig immer von mehr zu erzählen. Thomas Arslan, dessen neuer Film "Verbrannte Erde" gerade ins Kino gekommen ist, hat 2013 mit "Gold" einen Western gedreht.
"Das Interessante am Genre ist eben auch, dass es immer wiederkehrende Muster gibt", sagt er, und gleichzeitig gebe es auch die Variationen, die dann mitunter doch was Interessantes wieder hinzufügten oder aufleuchten ließen, was vorher so verborgen gewesen sei." Entsprechend gibt es auch in "Gold" Pferde und Männer mit großen Hüten, aber wie in "1883" ist die Hauptfigur eine Heldin, gespielt von Nina Hoss - deren Emanzipatonsgeschichte erzählt Arslan.
Verbeugung vor den klassischen Filmen
Hat das Genre also heute noch etwas zu erzählen? Es scheint so, denn die Neo-Western-Serie "Yellowstone“ von Taylor Sheridan aus dem Jahr 2018 mit Kevin Costner in der Hauptrolle und inzwischen fünf Staffeln, wurde in den USA zur meistgesehenen Serie der letzten Jahre in den USA. Trotz aller Totengesänge auf auf das Genre.
Sheridans Serien, aber auch Filme wie Jane Campions "The Power of the Dog" (2021) mit Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle, Tommy Lee Jones' "The Homesman" (2014), Kelly Reichardts "Auf dem Weg nach Oregon" (2010), Arslans "Gold" (2013), ganz aktuell Viggo Mortensens "The Dead Don't Hurt" oder Kevin Costners "Horizon" verbeugen sich vor dem, was die klassischen Filme von John Ford, Henry Hathaway, Delmer Daves oder Anthony Mann ausmachte mit ihren magischen Bildern der weiten Landschaft.
Neue Qualität des Western
Heute sind die Glücksversprechen, das Utopische aufgebraucht. Der Western wird erzählt und in der Erzählung gleichzeitig demontiert. Und so ist er zu ertragen - bei all seinen Klischees. Das ist die neue Qualität. Hoffnung hat jedem Fall Bert Rebhandl. Er ist Autor des Buches "Western. Genre und Geschichte".
Rebhandl glaubt daran, dass es im 21. Jahrhundert noch möglich ist, einen epischen Western zu erzählen: "Das Spannende am Western heute ist im Grunde, dass er einmal seinen Zyklus vollständig durchlaufen hat. Er hat sich einmal vollständig, auch soweit das möglich ist, über sich selber aufgeklärt, auch über seine klassischen Erzählformen und so weiter, und jetzt ist im Grunde alles möglich für ihn."