Neue Graphic Novels: "Private Venus", "Atan von den Kykladen", "Hoka Hey!"
Nicht nur Streaming-Plattformen wie die ARD-Mediathek bieten ein breites Angebot an Themen, jeder Buchladen kann da locker mithalten - und die Graphic-Novel-Abteilung mittlerweile auch. Unser Comic-Experte stellt drei herausragende Graphic-Novel-Bände vor: einen Western, eine philosophische Geschichte und einen Krimi.
Paolo Bacilieri zählt zu den produktivsten Comic-Zeichnern Italiens. Jetzt hat er sich einen Roman geschnappt, vielmehr eine Kriminalgeschichte von Giorgio Scerbanenco, in der es um den Mord an einer jungen Frau in einem Vorort von Mailand geht. Ein wegen Sterbehilfe verurteilter Arzt soll sich für einen Klienten um dessen alkoholkranken Sohn kümmern und den Grund für dessen Sucht finden - doch der Arzt entdeckt noch mehr.
Ganz in Schwarzweiß und mit einer Mischung aus Robert Crumb, Roy Lichtenstein und Nick Knatterton bringt uns Bacilieri ein Stück Italien näher, das seinem Image aus Mafia, Dolce Vita und duftendem Cappuccino gerecht wird, aber durch die grafisch gehaltenen Bilder einen eigenen Sog entwickelt. "Private Venus", so der Titel, überzeugt durch Detailverliebtheit und unkonventionelle Bildsprache - am besten zu genießen mit einem frischen Espresso.
"Atan von den Kykladen": Zauberhafte Künstler-Geschichte
Atan ist ein schüchterner Junge. Er formt lieber Figuren aus Ton, als seiner Familie bei der Haus- und Feldarbeit zu helfen. Auch wenn sein Großvater findet, dass er goldene Hände hat, so muss er doch sein Dorf verlassen und nach Naxos reisen. Wir befinden uns vor 5.000 Jahren auf der griechischen Insel Kea - und aus dem jungen Atan wird später ein bedeutender Bildhauer und Künstler. Entworfen hat die Geschichte Judith Vanisteldael, die Kunstgeschichte und Anthropologie studiert hat. Viel Beachtung hat sie für ihr Buch "Penelopes zwei Leben" bekommen.
Ihr Buch "Atan von den Kykladen" gibt Mut, seinen Talenten und Leidenschaften zu folgen - trotz aller gesellschaftlichen Zwänge. Mit ihrem unnachahmlichen Stil, in dem sie die Panels auflöst und den Platz einer Seite mit viel humorvoller Handlung füllt, bekommt die Geschichte - auch durch ihre leichte und lockere Erzählweise - etwas Philosophisches. Eine zauberhafte Geschichte - aber noch zauberhafter erzählt.
"Hoka Hey!": Packender Western-Comic
Die Grillen zirpen, die Bäume rauschen und das hohe Gras wiegt sich im Wind. Entspannt und friedlich beginnt einer der wenigen Western unter den Graphic Novels. Ein paar Seiten später allerdings liegen schon die ersten Figuren tot unter der Sonne des Wilden Westens und ein kleiner Dakota-Junge bangt gekidnappt auf einem Pferd um sein Leben. "Hoka Hey!" heißt der Band von Romain Maufront alias Neyef. Man versinkt in den weiten Landschaften der Prärie, denn der Franzose versteht es wie kaum ein anderer, das Licht als lebendiges Element einzubauen. Hier flirrt die Luft, hier tanzen Lichtreflexe durch die Seiten, als lese man das Buch unter einer großen Buche im Hochsommer.
Auch die Handlung ist packend. Vor dem historischen Hintergrund der Zwangsumsiedlung und Umerziehung der indigenen Ureinwohner Nordamerikas, werden alle Register eines guten Western gezogen: einsame Nächte am Lagerfeuer, Kopfgeldjäger, alte und offene Rechnungen, Saloon-Schlägereien und natürlich rauchende Colts. Und irgendwann setzt gedanklich auch die passende Musik ein. "Hoka Hey!" ist nicht nur der Kriegsschrei der Lakota, es ist ein Buch voller Geschichte und Spannung - bis zur letzten Seite.