Viggo Mortensen: "Vivian ist inspiriert durch meine Mutter"
Sein Debüt als Filmregisseur gab Viggo Mortensen mit dem Demenz-Drama "Falling". Nun führt er im Western "The Dead Don't Hurt" erneut Regie und spielt die männliche Hauptrolle. Im Interview mit NDR Kultur spricht er über seine Mutter, das Arbeiten mit Vicky Krieps und die Zukunft des Western.
Die französischstämmige Pionierin Vivian (dargestellt von Vicky Krieps) verliebt sich in "The Dead Don't Hurt" in den Dänen Olsen (Viggo Mortensen). Olsen hat seinen Job als Sheriff an den Nagel gehängt und ist bereit, mit der selbstständigen Vivian seine kleine Farm im Niemandsland von Nevada zu teilen. Langsam entsteht ein Zuhause. Als der Bürgerkrieg ausbricht, entschließt sich Olsen die Union zu verteidigen. Seine Frau lässt er allein zurück.
Herr Mortensen, wieso haben Sie den Film ihrer Mutter gewidmet?
Viggo Mortensen: Die Figur von Vivian ist inspiriert durch meine Mutter. Ich hatte noch nie einen Western gesehen, der eine ganz durchschnittliche Frau als Protagonistin hatte. Obwohl es ja durchaus einige Western mit starken Protagonistinnen gab: Barbara Stanwyck hat in einigen mitgespielt, ebenso wie Claudia Cardinale oder Marlene Dietrich. Das waren bedeutsame, herausragende Frauenfiguren, aber sie waren eben auch immer herausragend in irgendeiner Weise. Nicht durchschnittlich, und es muss damals doch eine Menge "Vivians" gegeben haben, nur das sich bisher keiner für ihre Geschichten interessiert hat.
Und haben Sie bei dieser Frau gleich an Vicky Krieps als Schauspielerin gedacht?
Mortensen: Nein, aber als ich fertig war mit dem Drehbuch, wusste ich, dass der Schlüssel zur Finanzierung des Filmes in der Besetzung von Vivian lag. Ich hatte dann ehrlich gesagt einige Ideen, und man weiß ja auch nie, ob diejenige gerade Zeit hat, ob ihr das Drehbuch überhaupt gefällt, ob sie vielleicht gerade genau so eine Rolle gespielt hat und das kein zweites Mal machen wollte. Aber ich hatte Glück, Vicky gefiel es, und sie hatte Zeit. Ich hatte gehofft, eine Schauspielerin zu finden, die vieles ohne Worte kommunizieren kann und mit einer außergewöhnlichen Leinwandpräsenz.
Western haben auch gerade wieder eine ziemliche "Leinwandpräsenz" und scheinen wieder populär zu sein. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Mortensen: Ich denke, es gab einige erfolgreiche Fernsehserien und natürlich war Jane Campion mit "The Power of the Dog" sehr erfolgreich. Und dann überlegen einige Geldgeber offensichtlich, dass sie mal wieder in das Genre investieren könnten. Es ist halt ein Geschäft, und am Ende muss es profitabel sein. Bisher hatten wir Glück, und "The Dead Don't Hurt" hat bisher in allen Ländern, in denen er schon gezeigt wurde, gute Einspielergebnisse im Kino erzielt. Und ich hoffe, dass das dazu beiträgt, dass wieder mehr Western gedreht werden. Kevin Costners Filme werden sicher viele sehen, und auch das hilft.
Dieser Western ist auch eine Einwanderergeschichte. Eine Liebesgeschichte zwischen einem Dänen und eine Französin, die ihre europäischen Wurzeln in ihrer neuen Heimat nicht verleugnen. Dabei scheinen sie toleranter als der Rest…
Mortensen: Ich hatte das große Glück von Kindheit an in verschiedenen Ländern zu leben, verschiedene Kulturen zu erleben und verschiedene Sprachen zu sprechen. Daher waren Unterschiede für mich nie wichtig, Menschen waren einfach Menschen. Genau wie für Olsen und Vivian in dem Film. Viele Vorurteile und Gewalt haben mit Ignoranz zu tun. Und der Angst vor dem Fremden. Denn viele empfinden Andersartigkeit, die sie nicht kennen, als Bedrohung. Und wie wir ja gerade wieder in Europa und in den Vereinigten Staaten sehen, werden diese Ängste von Politikern ausgenutzt um wiederum Ignoranz und Angst zu schüren. Dadurch bekommen sie Macht.
Das Gespräch führte Bettina Peulecke.