Cannes 2024: US-Film "Anora" um Stripperin holt die Goldene Palme
Die Tragikomödie "Anora" von US-Regisseur Sean Baker hat beim Filmfest in Cannes am Samstagabend die Goldene Palme erhalten. Der in Hamburg geförderte Film "Der Samen der heiligen Feige" des Iraners Mohammad Rasoulof wurde mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. Das Musical "Emilia Pérez" erhielt sogar zwei Preise.
Das Drama mit dem Originaltitel "The Seed of the Sacred Fig" des aus seinem Heimatland geflohenen Regisseurs Rasoulof war einer der letzten Filme, die am Freitag im Wettbewerb vor Fachpublikum und der Jury unter Vorsitz der US-Regisseurin Greta Gerwig gezeigt worden waren. Er handelt von der Familie eines Ermittlungsrichters am Revolutionsgericht in Teheran und wurde von der Moin Filmförderung Hamburg gefördert. Darin verarbeitet er die iranische Protestbewegung vom Herbst 2022.
Bei der internationalen Filmkritik ist der Film sehr gut aufgenommen worden, im US-Branchenmagazin "Variety" wird er in der Bestenliste an Platz eins der Punktewertung geführt. Die iranisch-deutsch-französische Koproduktion Arte Ko-Produktion hat auch den Fipresci-Kritikerpreis gewonnen und bereits einen deutschen und einen US-amerikanischen Verleih erhalten. Das Startdatum für die Aufführung in den Kinos steht aber noch nicht fest.
Fest steht bereits, dass der Film im Herbst beim Filmfest Hamburg gezeigt wird. "Ich freue mich von ganzem Herzen, mit meinem neuen Film wieder nach Hamburg zu kommen. Die Stadt ist mein zweites Zuhause", schrieb Rasoulof in einer Pressemitteilung. Mit dem Filmfest Hamburg bestehe eine enge Verbundenheit. "Alle meine fiktionalen Filme liefen hier, angefangen mit "Iron Island 2005".
Goldene Palme für US-Tragikomödie um Sex-Arbeiterin "Anora"
Die Goldene Palme der 77. Filmfestspiele Cannes ging an den US-Regisseur Sean Baker ("The Florida Projekt") für seine Tragikomödie "Anora". Es sei ein Film, "der unsere Herzen erobert hat, der uns lachen ließ, der uns unendlich hoffen ließ, der uns das Herz brach und dabei nie die Wahrheit aus den Augen verlor", sagte die Jury-Vorsitzende Greta Gerwig ("Barbie").
Darin lernt eine Striptease-Tänzerin namens Anora (gespielt von Mikey Madison) den verwöhnten Sohn eines russischen Oligarchen kennen, den sie spontan heiratet. Danach kriegt sie es mit der wütenden Familie des Bräutigams zu tun. Bei der Weltpremiere Anfang dieser Woche hatte das Publikum dem Film voll schwarzem Humor mehrfach Szenenapplaus gespendet. Baker setzte sich mit seinem Film gegen 21 weitere Wettbewerbsbeiträge durch. Der Portugiese Miguel Gomes gewann für sein Drama "Grand Tour", zum großen Teilen in Schwarz-Weiß gedreht, den Preis für die beste Regie.
Bei der Preisverleihung erhielt der 80-jährige US-Filmemacher George Lucas die Goldene Ehrenpalme für sein Lebenswerk. Die Laudatio hielt sein langjähriger Freund Francis Ford Coppola. Dieser hatte selbst einen Film im Wettbewerb: den Sci-Fi-Film "Megalopolis", den er nach 40 Jahren Anlauf endlich verwirklichen konnte. Coppola ging jedoch leer aus.
Cannes: Zwei Palmen für das Meisterwerk-Musical "Emilia Perez" von Jacques Audiard
Zu den großen Favoriten für die Top-Preise des Wettbewerbs gehörte das Musical-Drama "Emilia Perez" des Franzosen Jacques Audiard. Im Film mit Selena Gomez und Zoe Saldaña geht es um einen mexikanischen Drogenboss, der aus seinem mörderischen Leben aussteigen und eine Geschlechtsangleichung machen möchte. Audiard hatte Heimvorteil mit seinem Meisterwerk. Aus einer sehr unwahrscheinlichen Idee hat er ein berauschendes, tiefgründiges Meisterwerk geschaffen. Moral, Liebe, Leidenschaft, Wiedergutmachung und dazu noch grandiose Musikeinlagen, die nie wie Fremdkörper wirken. Am Sonnabend hat ihn die Wettbewerbsjury mit dem Preis der Jury ausgezeichnet.
Mit der Spanierin Karla Sofía Gascón hat erstmals eine transgeschlechtlichen Schauspielerin die Goldene Palme als beste Schauspielerin erhalten. Ausgezeichnet wurde hier das ganze Ensemble: Gascón erhielt die Palme gemeinsam mit den anderen Schauspielerinnen des Filmes - Adriana Paz, Selena Gomez und Zoe Saldaña.
"Kinds of Kindness": Herrlich schräger Film mit Emma Stone
Gute Aussichten auf den Großen Preis der Jury für besondere Originalität hatte der Grieche Yórgos Lánthimos mit seinem herrlich schrägen Film "Kinds of Kindness". Stattdessen wurde der US-amerikanische Hauptdarsteller Jesse Plemons als bester Schauspieler ausgezeichnet. Die Silberne Palme für das beste Drehbuch erhielt die Französin Coralie Fargeat für ihren Selbstverbesserungshorrortrip "The Substance" mit einer herausragenden Demi Moore. Diese wird hier zum Schönheitsjunkie und zerstört sich selbst dabei für die Chance, wieder jung und begehrt zu sein.