"Niki": Starke Biografie von Niki de Saint Phalle in Cannes
Niki de Saint Phalle, Schöpferin der Nana-Skulpturen, hat einen Großteil ihrer Kunst der Stadt Hannover vermacht. Die erste Kinobiografie "Niki" von Regisseurin Céline Sallette über die Künstlerin hat nun in Cannes Weltpremiere gefeiert. Eine Begegnung mit der Filmemacherin.
Die Stadt Hannover hat viele Ehrenbürger und nur eine einzige Ehrenbürgerin: die Malerin und Bildhauerin Niki de Saint Phalle. Zwei Jahre vor ihrem Tod im Jahr 2002 erhielt die international berühmte französisch-schweizerische Künstlerin und zweifache Mutter die Ehrenbürgerschaft. Bereits 1964 - und damit genau vor 50 Jahren - hatte sie im Auftrag der Stadt ihre ersten Riesenskulpturen der Nanas am Leineufer in Hannover aufgestellt - damals unter großem Protest.
Die französische Schauspielerin und Regisseurin Céline Sallette hat ihr mit ihrem Regiedebüt "Niki" nun eine ungewöhnliche, bewegende und starke Kinobiografie gewidmet. Sie spielt in der Phase im Leben Saint Phalles, als die Anfang-20-Jährige mit ihrer Tochter und ihrem Ehemann von den USA nach Europa zieht und vom Model zur Künstlerin wird, die mit Messern und Gewehren auf Gemälde geschossen hat. Es ist gewissermaßen der schmerzvolle Geburtsprozess einer großen Künstlerin von Weltruhm, die erst spät im Leben öffentlich über ihren Missbrauch sprach und zweimal verheiratet war. "Niki" hat heute seine umjubelte Premiere in der Nebenkategorie "Un certain regard" gefeiert. Der Film kommt voraussichtlich im Winter 2024/25 ins deutsche Kino.
Niki de Saint Phalle in "Niki": Vom Model zur Künstlerin
"Ich habe ihre Arbeiten zum ersten Mal gesehen, als ich jung war, vielleicht damals zu jung", sagt Filmemacherin Céline Sallette in Gespräch mit NDR Kultur. "Ich verstehe erst jetzt die Tiefe ihrer Arbeit. Ich habe daraufhin Interviews mit ihr nachgeschaut. Was für wichtige Aussagen sie über Kunst und über das Leben selbst gemacht hat - das hat mich fasziniert." Sie habe daraufhin mehr über die Künstlerin recherchiert und mehr darüber erfahren, "was Mut ist und was es bedeutet, vollkommen das eigene Ich zu leben". Die Französin ergänzt: "Es war eine ihrer größten Leistungen, diese Transformation zu vollenden, um diese mächtige Frau zu werden. Darum geht es in unserem Film - wie sie Niki de Saint Phalle wurde."
Die Tatsache, dass aus Lizenzgründen nichts von ihrer Kunst im Film gezeigt werden darf, habe dazu geführt, dass es bislang keine Kinobiografie über Niki de Saint Phalle gegeben habe. "Niemand hätte gedacht, dass es klappt, einen Film zu machen, ohne ihre Kunst zu zeigen". Die Herausforderung habe zwar auch zu Frustration geführt, "aber im Nachhinein bin ich froh, dass wir die Lebensphase zeigen, in der sie zur Künstlerin wird." Die innerliche Verwandlung sei die größte Leistung, die einem Menschen gelingen könne. "Das Kleid, das Charlotte de Bon trägt, als Niki zum zweiten Mal schwanger ist, ist eine bunte Hommage an ihre Nanas. Wir haben versucht, unsere eigene Hommage an Niki zu machen."
Niki de Saint Phalle habe auch Bücher geschrieben, Filme gedreht und damit der Menschheit mehr von ihrer Kunst hinterlassen.
Kanadierin Charlotte Le Bon: Idealbesetzung als Niki de Saint Phalle
Die Besetzung mit der Kanadierin Charlotte Le Bon ist perfekt. Sie sieht der 2002 verstorbenen Künstlerin nicht nur unheimlich ähnlich, sie hat zum Teil auch eine ähnliche Biografie, spricht Englisch und Französisch und ist auch selbst bildende Künstlerin. "Ich habe viele ihrer Nanas gekannt, und auch ihren Garten in Italien, den 'Jardin de Tarot' und einen mit Spiegeln bedeckten Totenkopf in Paris. Ihr Werk ist mittlerweile ein Teil des kollektiven Bewussteins", sagt Le Bon. Für die Dreharbeiten habe sie für den künstlerischen Teil nicht so viel Neues lernen müssen: "Ich kannte die Prozeduren genau: Wie man Pigmente mit Öl vermischt, wie man eine Leinwand vorbereitet, wie man mit den Händen Scherben oder andere Materialien in Form bringt. Das musste ich nicht neu lernen. Die große Herausforderung war, an diese wirklich dunklen Orte zu gehen und dort wieder herauszukommen. Es gibt im Film sehr dunkle Momente - aber auch sehr helle und strahlende."
Gedreht wurde unter anderem im Louvre, wo die junge Frau nach ihrer Ankunft in Europa große Gemälde bewundert - und die beeindruckende Statue der Nike von Samothrake, die eine Art Namensgeberin für de Saint Phalle wird, eine bedeutende Rolle spielt. Céline Sallette erzählt, die Familie de Saint Phalles habe sich stets gegen Filmbiografien gesperrt, auch gegen diese. "Nun sind sie aber glücklich darüber, dass es unseren Film gibt. Ich weiß aber nicht, ob sie ihn sehen werden."
Zur Besetzung gehören neben Charlotte Le Bon als Niki de Saint Phalle unter anderem John Robinson als erster Ehemann Harry Matthews, Damien Bonnard als Künstler und zweiter Ehemann Jean Tinguely.