Bildschöne Bücher: Das Werk von Niki de Saint Phalle
Niki de Saint Phalle war eine der bedeutendsten Künstlerinnen und Bildhauerinnen ihrer Generation. Zu einer großen Ausstellung über die Künstlerin in Zürich und Frankfurt ist jetzt der Katalog erschienen.
Farbenfroh, monumental und dennoch luftig sind die riesigen Nanas, die Frauenskulpturen der Künstlerin Niki de Saint Phalle. Neben den Nanas schuf sie ein umfangreiches Werk: Sie malte, zeichnete, schuf Collagen und Assemblagen, drehte Filme und erfand die "Schießbilder". Ihr skulpturales Werk gipfelte in der Architektur, der bewohnbaren Plastik in ihrem Tarot-Garten in der Toskana.
Anfang der 1960er-Jahre entstehen die legendären "Schießbilder"
Entscheidender Antipode, Lebensmensch, Geliebter, engster Vertrauter, fortwährende Inspiration und späterer Ehemann Niki de Saint Phalles ist der Schweizer Künstler Jean Tinguely. Er verhilft den Ideen der Künstlerin zu deren später weltberühmter, gewaltiger Größe. Als Niki de Saint Phalle Anfang der 1960er-Jahre ihre "Schießbilder" entwickelt, unterstützt sie Tinguely bei der Umsetzung.
Monumental ist das Bild "King Kong", entstanden 1962. Es misst 2,76 mal 6,11 Meter. Eine große, weiße Fläche aus Gips und Farbe, in die Niki de Saint Phalle Farbbeutel einarbeitet. Erst wenn die Künstlerin auf das Relief schießt, entsteht das eigentliche Bild. In diesem Fall rinnt ausschließlich schwarze Farbe aus vielen Einschusslöchern auf die Figuren. Oben links in der Ecke: eine Frau, die gerade gebiert, darunter zwei Gestalten, die sich um ein Herz - in der Mitte getroffen - lehnen. Unten ein scheinbar stoischer Motorradfahrer, der in die Szenerie hineinfährt. Ein Brautpaar, eine Sonne, angeschossene Köpfe, ein Monster, das auf eine Häuserreihe zugeht. Düsenjäger stürzen rechts aus dem Himmel, auch sie von schwarzen Schlieren eingerahmt.
"Meine Arbeit ist in vielerlei Hinsicht eine Therapie für mich gewesen. Als ich mit 22 einen Nervenzusammenbruch hatte und in der Klinik war, habe ich begonnen alles zu zeichnen. Meine ganzen Probleme, wie ich über die Welt dachte, wie wütend ich war und damit habe ich (...) nie wieder aufgehört." Niki de Saint Phalle
Niki de Saint Phalles facettenreiches Werk
Niki de Saint Phalles Werk ist auf keinen Fall einseitig, das demonstriert der Band eindrucksvoll. Da sind eben nicht nur die Nanas, die fröhlich bunten, runden Frauen, die schwerelos auf winzigen Füßen stehen oder tanzen. Gerade die Schießbilder, aber auch überdimensionierte Plastiken alter Frauen, die ungeschlacht und grimmig an einem Tisch sitzen, doppelköpfige Monstren aus unzähligen Fundstücken, Zeichnungen und Briefe - all das offenbart auch eine wütende Kraft.
Es ist stets das Einerseits/Andererseits, das ihre Arbeit bestimmt. Einerseits Schönheit und Freude durch die abertausend bunten Spiegelglasscherben, mit denen sie ihre monumentalen Plastiken zum Beispiel im Tarot-Garten oder in der "Grotte" im Barockgarten Hannover-Herrenhausen bedeckt und auskleidet - andererseits sind es düstere Figuren oder Motive, die da mit Spiegelglas überzuckert werden.
Zum Beispiel beim "Schädel", der 1990 fertiggestellt wurde. Über zwei Meter hoch und drei Meter breit ist dieser gold, rot, grün und blau funkelnde Totenkopf mit goldenen Zähnen. Auf dem gold-spiegelnden Kopf sind weitere, kleinere Totenköpfe eingearbeitet. Auch hier bleibt die Künstlerin ihrer Formensprache treu. Ihre Arbeiten sind oft überdimensioniert und gleichzeitig sehr filigran und verletzlich.
Monster Chetwynd: "Ich fühle mich solidarisch mit ihr"
"Ich bekomme bessere Laune, wenn ich ihre Arbeiten sehe, und ich fühle mich solidarisch mit ihr. Ihr Elan, ihre Entschlossenheit und der Eindruck, dass sie machte 'was sie wollte', sind Eigenschaften, die auf mich bestärkend wirken und mir ein Gefühl von Ausgeglichenheit geben", sagt die Perfomance-Künstlerin und Filmemacherin Monster Chetwynd. Für den Band wurden sie, Shana Moulton, Laure Prouvost und andere zeitgenössische Künstler*innen zu Niki de Saint Phalle befragt. Gleich den Scherben, die auf ihren Skulpturen glitzern, spiegelt sich so ihr Werk in dem der Künstlerinnen der Gegenwart.
Monstren, Assemblagen, Schießbilder, Zeichnungen und riesige, bewohnbare Skulpturen, Missbrauch, Feminismus, archetypische Figuren: Es gäbe noch viel über Niki de Saint Phalle zu erzählen, am besten: selber lesen!
Niki de Saint Phalle
- Seitenzahl:
- 240 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Hatje Cantz
- Bestellnummer:
- 978-3-7757-5300-5
- Preis:
- 44 €