Abgesagtes Stück: "Staatstheater hat mich nicht ernst genommen"
Das Staatstheater Braunschweig hat ein Stück abgesagt. Der Grund: eine Schauspielerin mit Behinderung fürchtet durch eine vorübergehende Festanstellung um Hilfeansprüche, die sie benötigt - und hat deshalb den Vertrag abgelehnt.
Alina Buschmann arbeitet als Autorin und Beraterin für Inklusion und Antidiskriminierung. Und auch als Schauspielerin. Zudem ist die 31-Jährige neurodivergent. Neurodivergenz ist ein Sammelbegriff, unter den zum Beispiel Autismus fällt. Im Stück "Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone" sollte sie am Staatstheater Braunschweig mitspielen - ein Stück, in dem es um einen neurodivergenten Protagonisten geht. Die Produktion wurde jetzt allerdings vom Spielplan genommen, weil man sich über den Anstellungsvertrag nicht einig wurde.
Kein passender Vertrag möglich
"Ich glaube, dass das Staatstheater mich und meine Barrierefreiheitsanforderungen nicht ernst genommen hat", sagt Buschmann. Auf ihrem Social-Media-Account klagt sie das so an. "Ich bin die anstrengende behinderte Aktivistin. Und wir reden jetzt darüber, warum es problematisch ist, wenn nach Kämpfen um Barrierefreiheit nur das in den Köpfen der Menschen hängen bleibt." Staatstheater-Intendantin Dagmar Schlingmann räumt Fehler ein, es habe aber nicht an mangelndem Willen gelegen. "Letztendlich konnten wir nicht alle Barrieren beseitigen", bedauert Schlingmann. "Wir konnten ihr in den Vorschriften, in denen wir uns bewegen als öffentlich-rechtliche Institution nicht den Vertrag anbieten, den sie sich gewünscht hat."
"Kann Absicherung nicht auf's Spiel setzen"
Für Schauspielerin Alina Buschmann sei das aber kein Wunsch, sondern eine Anforderung, die sie erfüllt brauche, um als behinderte Person überhaupt arbeiten zu können. Sie habe sich mehr Unterstützung gewünscht. Das Problem dahinter: das Staatstheater darf Darsteller auf der Bühne nur mit einem Festvertrag anstellen - befristet für die Dauer der Proben und Aufführungen. Nimmt Buschmann die befristete Festanstellung aber an, fürchtet sie, dass Hilfen gekürzt werden oder wegfallen, zum Beispiel für eine größere Wohnung, in der sie mit ihrer Geh- und Sehbehinderung leben kann. "Diese Festanstellung ist ja nur für einen kurzen Zeitraum. Ich bin da Gästin", sagt Buschmann. "Und da kann ich es mir einfach nicht leisten zu sagen: Ich setze alle Absicherungen, für die ich teilweise auch sehr, sehr lange kämpfen musste, auf‘s Spiel."
Mehr Flexibilität bei Verträgen
Ein Problem, dass bei der Anstellung von Schauspielerinnen und Schauspielern mit Behinderung immer wieder auftritt. Das bestätigen auch Sozialverbände und andere Theater. Intendantin Schlingmann sieht hier den Gesetzgeber am Zug. "Ich würde mir tatsächlich wünschen, bei allem Übel, was wir jetzt erleben, dass das doch eine Diskussion darüber anregt, welche Flexibilität gegeben sein muss, damit Teilhabe möglich ist." Auch Buschmann fordert flexible Lösungen, für die individuellen Bedürfnisse der Menschen. "Es muss einfach um die Menschen gehen, die dort arbeiten und nicht mehr darum, in ein System zu passen."
Fragen der Anstellung im Voraus klären
Dass sich etwas ändern muss - darin sind sich am Ende sogar alle einig. Für die nächste Spielzeit im Herbst plant das Staatstheater eine weitere Produktion mit behinderten Schauspielerinnen und Schauspielern - Fragen der Anstellung wolle man nun weit im Voraus klären.