Lars Eidinger macht Richard III. in Hamburg zum Ereignis
Es war wohl der Höhepunkt des diesjährigen Hamburger Theaterfestivals: Shakespeares "Richard III." mit Lars Eidinger in der Hauptrolle. In einer neun Jahre alten Inszenierung brachte der Berliner das Deutsche Schauspielhaus zum Toben.
Am Ende, der Riesenapplaus ist da fast vorbei, rennt Lars Eidinger nochmal auf die Bühne, fast wie ein kleiner Junge, die Krone auf dem Schweiß- und Farb-verschmierten Kopf, halbnackt und holt sich nochmal eine Beifallsdusche ab. Was ist da bitte passiert? Lars Eidinger als Richard III. ist "passiert". Ein Ereignis. Zweieinhalb Stunden Energie geballt.
Richard III.: Zweieinhalb Stunden Abgrund
Zweieinhalb Stunden Abgrund, rabenschwarzer Witz, überwältigendes Schauspiel. Ein Zuschauer meint danach: "Das war ganz großes Theater. Ich bin überwältigt." Und eine Zuschauerin ergänzt: "Ich fand, er hat das brillant gespielt, und ich konnte ihm auch Sympathien abgewinnen - ein bisschen."
Richard III., dieser Urbösewicht des Theaters, wird bei Lars Eidinger zum nerdigen und intellektuellen Massenmörder mit Sexappeal und klebrigen Haaren, gierig nach der Erotik der Gewalt. Die Bühne deutet das Globe Theatre von Shakespeare an, ist eine sandige Arena. Hinten zu sehen sind Lehmwände und Treppen. In einer Inszenierung der Berliner Schaubühne von Thomas Ostermeier, die schon sage und schreibe neun Jahre alt ist. Hamburg feiert sie wie eine Premiere.
Lars Eidinger: Blitzschneller Stimmungswechsel auf der Bühne
Blitzschnell wechselt Eidinger die Stimmung. Das muss man erstmal hinkriegen, dass man seiner Figur, diesem bösartig grinsenden, verschlagenen Mörder Sympathien entgegenbringt, wie diese Zuschauerin bestätigt: "Das ist das Schlimme, irgendwie mag man ihn tatsächlich, also hat er das geschickt eingefädelt."
Mit Zahnspange, einer Haube aus Lederbändern und einem Polster unter dem T-Shirt wird sein Richard zu einem Menschen mit Behinderung. Der Schauspieler spielt ihn mit gekrümmten Beinen und gespreizten Fingern, macht daraus aber keine Karikatur. Er will König werden, räumt sie alle aus dem Weg, die nahen und fernen Verwandten, selbst Kinder. Und lügt wie gedruckt.
Eidinger zeigt Erotik des Bösen menschlich und monströs
Lars Eidinger schafft, was nur wenige Schauspieler schaffen. Er verkörpert eine Rolle - und lässt immer wieder Lars Eidinger durchscheinen: immer mit kleinem Zwinkern ins Parkett. "Das Böse hat immer etwas Verlockendes", findet eine Zuschauerin, "etwa Anziehendes." Diese Erotik des Bösen ist menschlich und monströs zugleich.
Am Ende erscheinen Richard die Toten im Schlaf und er steht nackt vor uns, buchstäblich. Man meint durch ihn hindurch zu sehen auf das Böse der Welt. Und doch ist da ein tief verwundeter Mensch.