Lars Eidinger im Portrait © picture alliance/dpa Foto: Monika Skolimowska

Eidinger: "Es gibt kein Stück, in dem ich nicht am Ende sterbe"

Stand: 03.05.2024 15:55 Uhr

Zwischen Trauer, Komik und Tragik: Lars Eidinger spielt im Film "Sterben" den Dirigenten Tom Lunies. In einer anderen Rolle ist Corinna Harfouch zu sehen, die fast wie eine große Schwester für Eidinger ist.

Lars Eidinger im Portrait © picture alliance/dpa Foto: Monika Skolimowska
Beitrag anhören 55 Min

von Katja Weise

Tom Lunies ist Dirigent und arbeitet mit seinem besten Freund an einer neuen Komposition: "Sterben" heißt der Titel, und "Sterben" wird tatsächlich zum roten Faden der einzelnen Beziehungsgeflechte. Toms Vater leidet an Demenz, seine Mutter wird schwerkrank, die Familie steht vor einem Panoptikum der Todgeweihten. Vor diesem Hintergrund inszeniert Matthias Glasner, der das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und den Film produziert hat, eine Suche nach dem schmalen Grat der Kunst, die zwischen Leben und Tod steht.

Neben Corinna Harfouch, Robert Gwisdek, Ronald Zehrfeld und Lilith Stangenberg spielt Lars Eidinger die Hauptrolle in "Sterben". Der Film feierte bereits im vergangenen Februar bei der Berlinale Premiere, jetzt ist er in den deutschen Kinos angelaufen.

Sie haben gesagt, dass es am Anfang ein bisschen seltsam für Sie war, in "Sterben" zu spielen, weil Sie den Regisseur und Autor dieses Films spielen: Matthias Glasner. Es geht ums Sterben, aber natürlich auch um das Leben, weil ohne Tod kein Leben. Das entspricht Ihnen, weil ich mich an nur wenige Schauspieler oder Schauspielerinnen erinnern kann, die so oft über das Sterben, Leben und das Miteinander gesprochen haben wie Sie.

Lars Eidinger: Es ist ein großes Thema für mich, weil es was Unheimliches hat, auch in der Hinsicht, dass man darüber so wenig weiß und damit umgehen muss. Der Tod ist eine große Unbekannte, die da lauert. Es hat vielleicht auch mit dem Theater zu tun. Ich spiele an der Schaubühne und bin seit 1999 festes Ensemblemitglied. Es gibt kein Stück im Repertoire, an dem ich nicht am Ende sterbe. Der Tod scheint was zu sein, was den Menschen interessiert und immer wieder vor Augen führt und vorspielt, was es meint zu sterben. Trotzdem kommt man da auch nicht weiter. In 'Hamlet' heißt es: 'Das unbekannte Land, über dessen Grenze kein Reisender zurückkehrt.' Was ist der Tod? Unweigerlich stellt sich auch die Frage, was das Leben ist?

VIDEO: Premiere: "Sterben" mit Lars Eidinger im Zeise-Kino (3 Min)

Ich finde, sich diesen Fragen zu stellen, ist der größte Genuss an der Kunst. Auch wenn man wahrscheinlich am Ende keine befriedigende Antwort bekommen wird. Trotzdem würde ich sagen, dass es auch nicht nur bei der Frage bleiben darf. Es geht um die Auseinandersetzung und um die Beschäftigung damit, und das macht mir Spaß. Es ist tatsächlich eine Freude, Leidenschaft oder ein Genuss, mich dieser Frage zu stellen. Man hat ständig neue Erkenntnisse, auch in der Auseinandersetzung mit so einem Film. Vielleicht bekommt man am Ende eine Ahnung davon, was es heißt, zu leben.

Sie spielen unter anderem mit Corinna Harfouch zusammen, die im Film Ihre Mutter spielt. Das müssen ziemlich besondere Dreharbeiten gewesen sein. Wie haben Sie die erlebt?

Eidinger: Ich kenne Corinna schon sehr lange. Es war eine meiner ersten Inszenierungen an der Schaubühne, eine Inszenierung von Christina Paulhofer, von Sarah Kane: 'Phaidras Liebe': Corinna hat meine Mutter gespielt, da sind wir uns zum ersten Mal begegnet. So lange kennen wir uns auch schon. Unsere Beziehung profitiert davon, dass es eine Vertrautheit gibt. Trotzdem hatte ich jetzt wieder verstärkt das Gefühl, dass man sich neu begegnet, weil man sich auch verändert und Erfahrungen gesammelt hat. Bei den Dreharbeiten war es tatsächlich so, dass sie mich ein bisschen an Familie erinnert hat. Das stimmt schon. Ich sehe Corinna jetzt nicht als meine Mutter. Sie spielt zwar immer meine Mutter, aber für mich ist es eher eine große Schwester. Es gibt eine Vertrautheit, die einen an Familie erinnert, auch in der Erfahrung, dass man jemanden lange nicht sieht und dann aber wieder sofort anknüpft. Dass man sich nicht die ganze Zeit, wo man sich aus den Augen verliert, vergewissern muss, dass man noch da ist und, dass man sich noch kennt, mag oder schätzt, sondern dass man nach einer langen Zeit einfach wieder voreinander steht und da anknüpft, wo man aufgehört hat.

Das Gespräch führte Katja Weise.

Weitere Informationen
Matthias Glasner mit seinen Hauptdarstellern aus "Sterben" beim Photocall der Berlinale Lilith Stangenberg, Corinna Harfouch und Lars Eidinger © Monika Skolimowska/dpa +++ dpa-Bildfunk Foto: Monika Skolimowska

Berlinale 2024: Die norddeutschen Filme beim Festival

Am Donnerstag ist das Filmfest gestartet. Das Drama "Sterben" des Hamburgers Matthias Glasner hat im Wettbewerb Weltpremiere gefeiert. mehr

Der Hamburger Regisseur Matthias Glasner erhält für sein Drama "Sterben" den Deutschen Filmpreis. © Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Deutscher Filmpreis: Goldene Lola für Matthias Glasners Drama "Sterben"

Der sehr persönliche Film des Hamburger Regisseurs war mit vier Auszeichnungen der große Gewinner des Abends. Bewegend: die Rede der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer. mehr

Schauspieler Lars Eidinger nimmt an einem Gottesdienst teil. © NDR

Lars Eidinger: Disco und Gottesdienst in Lübeck

Man kennt Lars Eidinger als Schauspieler. Am Wochenende übernahm er in Lübeck zwei ganz andere Rollen. mehr

Lars Eidinger und Hans-Jörn Brandenburg vor einem grünen Hintergrund. © NDR Foto: Agnes Bührig

Lars Eidinger singt, liest und spielt Brecht-Gedichte in Hannover

Am Schauspielhaus inszenierte Eidinger Brechts Sammlung "Hauspostille" mit Gedichten voller dunkler Poesie. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur à la carte | 26.04.2024 | 13:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Spielfilm

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Fünf Papierblätte mit fröhlichen und traurigen Smileys liegen auf einer Holzplatte © picture alliance / CHROMORANGE Foto: Michael Bihlmayer

"Die Kunst des Loslassens": Wege zu einem glücklichen Leben

Wir müssen uns auf Negatives einstellen und Positives genießen, sagt der Philosoph Albert Kitzler im Podcast Tee mit Warum. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?