Ideenvielfalt und Fantasie: Premiere von "Odyssee oder das Kalypsotief"
Drei Mal Odyssee, drei Hamburger Bühnen: Das Ernst Deutsch Theater, das Lichthof und das Ohnsorg Theater, haben sich ein Großprojekt rund um die antike Sage vorgenommen. Premiere hatte am Donnerstag das Ernst Deutsch Theater mit "Odyssee oder das Kalypsotief".
Die Götter Griechenlands tummeln sich hier leibhaftig, posieren mit großkotziger Geste auf Steinbrocken: Zeus in Goldhosen, Demeter im Öko-Blümchenlook. Diese Bande ist unberechenbar, launisch, eitel, aber irgendwie sympathisch. Jetzt soll sich Göttervater Zeus auch noch um diesen - wie heißt er? - Odysseus kümmern. Nervig!
Göttliches Amüsement
Antike ist gerade der letzte Schrei auf Hamburger Bühnen: Nach dem Schauspielhaus jetzt das Ernst Deutsch Theater. Regisseurin Johanna Louise Witt packt das große Besteck aus. Antike geht am besten in XXL: Drehbühne, Nebel, Videos und ein Hammer-Ensemble, das einfach Lust hat zu spielen. Das spürt auch das Publikum. "Ich bin hin und weg, bei so vielen Ideen, so viel aktuellem Bezug und dann wieder so ganz durchgeknallte Sachen. Es waren zauberhafte Ideen dabei," sagt jemand aus dem Publikum. Und ein anderer: "Ich fand es angenehm, dass man zwischendurch immer lachen konnte, das hat die Länge rausgenommen. Die ernsten Themen fand ich aber auch toll, man kam ins Nachdenken, dann wurde es wieder locker. Das war gut temperiert."
Ines Nieri überzeugt mit Wandelbarkeit
Odysseus solle endlich nach zehn Jahren Krieg und zehn Jahren der Irrfahrt nach Hause heimkehren, nach Ithaka. Dort wartet seine treue Ehefrau immer noch auf ihn - Ines Nieri ist die Wucht: sie spielt wandelbar, verletzlich - ein Opfer des Kriegs, total glaubhaft.
Die Tochter von Odysseus, Telemake, gespielt von Birgit Welink, macht sich auf die Suche nach ihrem Vater. Diese Reise zieht einen in den Bann, die Suche nach einem Heldenvater - einem zweifelhaften Helden. Odysseus, wundervoll gebrochen, wird verkörpert von Julian Kluge: ein Antiheld.
Überbordende Fantasie und aktuelle Bezüge
Der Abend hat langatmige Szenen. Trotzdem, seine große Qualität ist die Vielschichtigkeit, die überbordende Fantasie, mit der hier und heute einem Mythos auf den Puls gefühlt wird. Autor Daniel Schütter hat die wahre Geschichte eines Geflüchteten aus Syrien eingewoben. Dann wieder gibt es Tanz, plüschige Comedy, verspielte Liebesszenen und Elektropop.
Aber was ist dran am Heldentum? Der Theaterabend dekonstruiert humorvoll klassische Männer-Bilder. Ein gelungener Start in die neue Saison, der letzten von Intendantin Isabella Vértes-Schütter. Diese Odyssee, der Auftakt des dreiteiligen Theaterprojekts zusammen mit dem Ohnsorg Theater und dem Lichthof, ist das richtige Stück zur richtigen Zeit.
Die nächsten Vorstellungen sind am Sonnabend, 7. September um 19.30 Uhr und am Sonntag, 8. September um 15 Uhr.