Neuer Intendant am Ernst Deutsch Theater: "Braucht es Heldenfiguren?"
Die neue Spielzeit im Ernst Deutsch Theater Hamburg startet. Es ist die letzte von Intendantin Isabella Vértes-Schütter, bevor in einem Jahr eine neue Doppelspitze übernimmt. Ein Teil der Spitze ist ihr Sohn Daniel Schütter.
"Ich glaube an vieles nicht, aber ich habe es im Nacken", sagt Daniel Schütter und lächelt. Der Sohn der Noch-Intendantin Isabella Vértes-Schütter meint damit den berühmten Theateraberglauben. So etwas wie: auf die Bühne gehen mit Jacke, Mütze oder Pfeifen auf der Bühne - alles No-Gos! Er steht oben im Rang des Theaters und wirft den Blick durch das Eingangsfoyer.
"Ich glaube, das liegt auch daran, dass ich hier aufgewachsen bin und Isabella da schon sehr abergläubisch ist. Ich erinnere das als Kind sehr, wenn ich auf der Bühne gepfiffen hab, war das nicht in Ordnung. Das überträgt sich dann irgendwo, auch wenn man selbst nicht abergläubisch ist."
Wie viel Held steckt eigentlich in dieser Figur des Odysseus?
Im neuesten Stück auf der Bühne des Ernst Deutsch Theaters geht es auch um Überirdisches: Ganz selbstverständlich turnen hier die Götter des Olymps über Felsbrocken, poppig in güldenen Hosen, und treiben ihren Spaß mit den armen Menschen. Der Clou: Daniel Schütter hat das Eröffnungsstück für die neue Spielzeit "Odyssee oder das Kalypsotief" geschrieben. Er hat das Stück "Die Odyssee" nach Homer neu geschrieben und sieht darin ganz aktuelle Fragen: "Wie viel Held steckt eigentlich in dieser Figur des Odysseus? Wie viel Kriegsverbrecher steckt vielleicht auch darin? Und dann die Frage nach: Braucht es überhaupt Heldenfiguren - oder braucht es eigentlich ein gemeinschaftliches Miteinander, um eine schöne Geschichte zu erzählen?", so Schütter.
Neue politische und junge Akzente setzen
Daniel Schütter sucht dieses Miteinander, diesen Teamspirit in der Gesellschaft, das spürt man. Aber auch speziell im Theater: Er wird im nächsten Jahr zusammen mit Ayla Yeginer die Intendanz der größten privaten Sprechbühne im Land übernehmen. Das Ziel, verrät Schütte: "Dass wir gemeinsam mit unserem Publikum auf Reisen gehen, auf Odysseen gehen, um besser verstehen zu können, was eigentlich um uns herum passiert in der Welt." Neue politische, junge Akzente wollen sie setzen. Vieles, was lange gut lief, bewahren.
Klingt nach einem behutsamen Wechsel. Die neue Doppelspitze arbeitet schon jetzt auf Hochtouren: "Absolut. Wir sind voll und ganz in der Planung der Spielzeit und auch schon recht weit fortgeschritten," berichtet Daniel Schütter. Da dürfe er aber noch nicht so viel verraten, sagt er und lacht.
Der Lieblingsort im Theater
Der 34-Jährige, der jeden Winkel in diesem Haus noch aus der Kindheit kennt, hat einen Lieblingsort: "Ich bin immer wahnsinnig gern in unserem Konver!". Der saloppe Ausdruck für das "Konversationszimmer" hinter der Bühne. Jedes Theater hat einen, diesen Raum zwischen WG-Küche, Abstellraum und Beichtstuhl - mit alten Sofas und löchrigen Sesseln, mit Requisiten, Fotos - oft auch leeren Bierflaschen. "Da kann ich Tage verbringen, Abende mit Schauspielern sitzend und über die Stoffe diskutieren", schwärmt Daniel Schütter. "Das ist ja auch eine der schönen Sachen am Theatermachen, dass man am Ende die Zeit hat, Sachen wirklich gut ergründen zu können und von allen Seiten zu bedenken."
Neue Doppelspitze ab 2025
So etwas wie die Odyssee: Das Stück in der Regie von Johanna Louise Witt spielt mit dem Mythos, verschiebt die Perspektive, lenkt die Aufmerksamkeit auf die vergessenen Frauenfiguren. Daniel Schütter muss gleich wieder zur Probe. Der zukünftige Co-Intendant am Theater seiner Kindheit - er freut sich auf die neue Aufgabe: "Sehr! Ich glaube, die Zusammenarbeit mit den wunderbaren Mitarbeitenden des Ernst Deutsch Theaters und die Zusammenarbeit mit Ayla Yeginer ist immer eine schöne, und ich freu mich sehr."
Ach ja, ob er ein ganz persönliches Theater-Ritual hat? Klar! "Ich rauche zu viel", verrät Schütter lachend - und geht kurz noch vor die Tür, um sich eine Kippe anzuzünden. Schnell, bevor die Probe weitergeht. Die Geister des Theaters, die, sagt er noch im Weggehen, solle man zwar nicht fürchten - aber zumindest ehren.