Die Schauspielerin Pauline Rénevier lässt sich vom Publikum auf Händen ein Mal in die Saalmitte und zurück zur Bühne tragen. © picture alliance/dpa | Markus Scholz
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Die Schauspielerin Pauline Rénevier lässt sich vom Publikum auf Händen ein Mal in die Saalmitte und zurück zur Bühne tragen. © picture alliance/dpa | Markus Scholz
AUDIO: Isabella Vértes-Schütter: "Theater können Brücken bauen" (3 Min)

Welttheatertag: Wie relevant sind Theater in schwierigen Zeiten?

Stand: 27.03.2024 10:36 Uhr

In diesem Jahr, in dem die Demokratie im Land und weltweit besonders herausgefordert wird, stellt sich die Frage: Welche Bedeutung haben Theater in politisch schwierigen Zeiten?

von Peter Helling

Eine mögliche Antwort auf diese Frage geben die Zuschauer bei der Premiere von "Das Leben ein Traum" am Hamburger Thalia Theater. "Warum ich gern ins Theater gehe? Weil ich gern Kultur sehe und weil ich auch Hochachtung vor der schauspielerischen Leistung habe, das finde ich fantastisch", erklärt ein Zuschauer. Eine andere Theaterbesucherin fasst es so zusammen: "Spannung, Abwechslung, Unterhaltung, Schauspieler, Bühnenbild. Man kann auch hinterher bei einem Glas Wein darüber diskutieren."

Nach der Premiere des Stücks "Das Leben ein Traum" am vergangenen Freitag im Thalia Theater ist diskutieren dringend nötig. Genau da liegt der Grund, weshalb Theater auch für die Demokratie wichtig ist, findet Thalia-Intendant Joachim Lux: "Theater ist als Genre das Abbild der Demokratie. Denn im Theater sitzen lauter Menschen, die völlig verschieden sind, und gucken auf ein Ereignis, zu dem sich auf der Bühne Künstler zusammengefunden haben, die auch alle verschieden sind. Und hinterher haben die Menschen verschiedene Meinungen."

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Ein im Gesicht weiß geschminkter Mann kauert vor einer Matratze, die hinter seinem Rücken steht. © Thalia Theater / Armin Smailovic Foto: Armin Smailovic

"Das Leben ein Traum": Großes Schauspiel, aber zu viel gewollt

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Joachim Lux: Theater kann Demokratie nicht retten

Theater feiert die Verschiedenheit: ob als Musical, Komödie oder Klassiker. Man soll, warnt Joachim Lux, das Theater aber nicht an Bedeutung überfrachten, die Demokratie retten kann es nicht: "Da sage ich 'Nein'. Wir sind frei, wir sind nicht die Ersatzkirche oder die Ersatz-deutsche Leitkultur, sondern sind ein Teil des Ganzen und haben die Möglichkeit, die Stimme zu erheben", so Lux über die Funktion des Theaters.

Stimme erheben gegen Rechtsextremismus

Wie im Januar bei der großen Demonstration gegen Rechtsextremismus in Hamburg - mit rund 180.000 Menschen. Die hat Joachim Lux mitorgansiert. "Da haben wir gesehen, was wir für eine Power haben können. Außerdem wird es einen großen kulturellen Zusammenschluss geben, in der Woche vor der Europawahl, um zu sagen, 'Go vote!': Geh' wählen, geht wählen!"

Sorgen machen Lux die Zersplitterung der Gesellschaft in Einzel-Meinungen und Einzel-Interessen, in Einzel-Filterblasen. "Das finde ich ganz schlimm. Ich fände es viel hilfreicher, wenn wir zunächst mal darüber reden, was uns verbindet", betont der Thalia-Intendant.

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Tausende Menschen versammeln sich bei einer Demo gegen Rechtsextremismus auf dem Jungfernstieg. © NDR Foto: Heiko Sander

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50.000 Teilnehmende hatte die Hamburger Polizei bei der großen Kundgebung gegen Rechtsextremismus am 19. Januar gezählt. Nun spricht die Innenbehörde von 180.000. mehr

Vértes-Schütter: Übers Theater miteinander ins Gespräch kommen

Die Intendantin des Ernst Deutsch Theaters, des größten privaten Theaters in Deutschland, kommt gerade von der Bühne der Premiere von "Die Ärztin", in der sie selbst mitgespielt hat. Ein packendes Stück über genau diese Fragen: Was verbindet uns in der Gesellschaft, was trennt uns? Es geht um Identität, um Rassismus, Antisemitismus. "Ich glaube, da kann Theater einen großen Raum öffnen, dass wir miteinander ins Gespräch kommen, dass wir miteinander Dinge erleben und Sichtweisen zulassen, die sonst in unserem Alltag nicht vorkommen", sagt Isabella Vértes-Schütter, die findet: Gute Unterhaltung und kniffliger Diskurs sind auf ihrer Bühne kein Widerspruch.

Isabella Vértes-Schütter als Roger Hardiman und Lennart Matthiesen als Paul Murphy (v.l.) in "Die Ärztin" am Ernst Deutsch Theater © Oliver Fantitsch Foto: Oliver Fantitsch
Die Intendantin auf der Bühne: Isabella Vértes-Schütter als Roger Hardiman und Lennart Matthiesen als Paul Murphy (v.l.) in dem Stück "Die Ärztin" am Ernst Deutsch Theater.

"Theater, was nicht unterhaltend ist und was nicht spannend ist, das muss man einfach gar nicht machen. Es gehört immer dazu, dass es ein spannender, unterhaltsamer Abend ist, der einen fesselt. Sonst müsste man ja nicht im Publikum sitzen", betont Vértes-Schütter.

Das findet auch das Publikum. "Es war schon immer Teil unseres Lebens. Theater ist einfach das, was auf den Punkt bringt, was im Moment wichtig ist", meint eine Zuschauerin. "Einfach spielen, spielen, aber nicht in dem Sinn von harmlos, sondern einfach ausprobieren, bis an Grenzen gehen, Fehler machen, was Neues erfinden und so weiter", sagt ein weiterer Theaterbesucher.

Kann Theater Brücken bauen?

Joachim Lux unterstreicht genau das: Es geht ums Spiel. "Das Spiel ist an sich gut oder sinnvoll, nicht, obwohl es zweckfrei ist, sondern weil es zweckfrei ist. Wir titeln immer 'Zusammenkunst', also ein Wort, das wäre das Schöne", schildert Lux seine Idee vom Sinn des Theaters. Isabella Vértes-Schütter vom Ernst Deutsch Theater ist bei allen politischen Herausforderungen optimistisch, was das Jahr 2024 betrifft. "Ich glaube fest daran, dass Theater Brücken bauen kann und habe ganz viel Lust daran, an diesen Brücken mitzubauen."

Die nächsten Termine der beiden Stücke: Am 27. und 28. März jeweils ab 19.30 Uhr läuft "Die Ärztin" im Ernst Deutsch Theater. "Das Leben ein Traum" wird das nächste Mal am Samstag, den 6. April, ab 19 Uhr im Thalia Theater gespielt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 27.03.2024 | 07:20 Uhr

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