Großer Tanz: Lucinda Childs eröffnet Sommerfestival auf Kampnagel
Mit Lucinda Childs "Four new works" ist das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel eröffnet worden. Die 84-Jährige hat den modernen Tanz revolutioniert und neue Arbeiten in der Kulturfabrik präsentiert.
Musik wie Murmeln auf einer Glasplatte, nur wenige Töne, dann splittern die Akkorde auf. Eine ständige Wiederholung beginnt. Die Musik hat Philipp Glass komponiert – und dazu sieht man sieben Tänzer und Tänzerinnen vor einer hellblauen Leinwand, als schwarze Silhouetten zunächst.
Ihre Körper scheinen von den Klaviertönen durchpulst: ein gestreckter Arm, ein halb gedrehtes Bein, ein angewinkeltes Knie. Die Bewegungen lösen sich ab, mal synchron, dann verschieben sich die Körperimpulse gegeneinander. Diese 13 Minuten Tanz sind keine Sekunde langweilig. Die Schönheit der Choreographie liegt in der Wiederholung, der scheinbaren Eintönigkeit, es ist ein Gewebe aus Körpern und Musik. Fantastisch.
Klassisch und trotzdem radikal modern
Philipp Glass, der Jahrhundertkomponist, hat diese Musik für Lucinda Childs komponiert. Es ist eins von vier Stücken, mit denen die 84-jährige Ikone des modernen Tanzes das Internationale Sommerfestival eröffnet. Ungewöhnlich leise, beinahe mit strenger Perfektion, eine lebendige Einfachheit, die nicht allen gefällt.
Während im zweiten Teil nach der Pause größere Gruppen tanzen, prägen den ersten Teil zwei fast spröde, reduzierte Arbeiten. Es beginnt mit einem Duett zur Musik von Bach. Klassisch und trotzdem radikal modern. Besonders reduziert wird es im zweiten Stück: eine Choreografie aus dem Jahr 1965, die Lucinda Childs neu mit dem bildenden Künstler Anri Sala einstudiert hat. Da kommt Lucinda Childs selbst auf die Bühne, im grauen Overall von links, zieht in beklemmender Langsamkeit an einem Gymnastikband, während sie gleichzeitig die Reportage eines legendären Footballspiel in ihre Bewegungen integriert.
Die Botschaft ist der Mensch
Großartig, wie die Tänzerin Spannung aufbaut, vor einer zuckenden, fast atmenden Video-Projektion, auf der geisterhaft Football-Spieler der 60er-Jahre vorüberrennen. Es ist ein Zeitfenster. Dieser fabelhafte, ja große Tanzabend trägt keine Botschaft, keine Psychologie, kein Gewicht mit sich. Er ist federleicht, die Botschaft ist der Mensch. Mehr geht nicht.