Programm mit Komponistin Guðnadóttir beim Kampnagel Sommerfestival
Drei Wochen ab dem 7. August gibt es wieder Theater, Tanzperformance, Musik und Party auf Kampnagel in Hamburg. Der Leiter des Sommerfestivals András Siebold spricht über Pläne und Gäste wie die Komponistin Hildur Guðnadóttir und die Choreografin Lucinda Childs.
"Hamburgs Rache am guten Theatergeschmack und Garant für die extravagantesten Sommernächte wo gibt": Mit dieser Überschrift lockt der aktuelle Kampnagel-Newsletter. Es geht umsdiesjährige Internationale Sommerfestival auf Kampnagel. Am 7. August geht es los. Was da auf das Publikum zukommt erzählt der Künstlerische Leiter des Festivals, András Siebold im Gespräch.
Herr Siebold, was ist guter Theatergeschmack und inwieweit ist das Sommerfestival die Rache daran?
András Siebold: Wir haben eine Menge Produktionen im Programm, die tatsächlich die Leute abholen und die vor allem eins machen: Sie sind nicht langweilig. Das heißt, sie sind ein bisschen die Rache an dem, was man sonst unter Theater versteht. Man wird bei uns nicht enttäuscht, sondern man kriegt Sachen zu sehen, die man sonst eben nicht zu sehen bekommt.
Gerade im Theater gibt es zum Beispiel gleich am Anfang die aktuelle Ipsen-Preisträgerin Lola Arias, also der höchstdotierteste europäische Theaterpreis. Die Argentinierin macht bei uns ein Stück mit sechs ehemaligen Insassinnen aus argentinischen Gefängnissen. Dieses erzählt viel über das heutige Argentinien - ein tolles Stück, welches direkt aus Avignon kommt.
Radikal, aufmüpfig, anders, verstörend, so sind die Produktion beim Sommerfestival schon traditionell beschrieben. Einfacher wäre es doch, dem gängigen Mainstream zu folgen. Was ist Ihre Motivation, das eben nicht zu tun?
Siebold: Unsere Motivation ist, wirklich anders zu sein und was zu bieten, was es eben sonst nicht gibt. Trotzdem zeigen wir bei allem Underground, den es bei uns auch gibt, auch Sachen, die gerade eine große Relevanz haben.
Zum Beispiel bei der Eröffnungsproduktion von Lucinda Childs, eine Produktion, die es nicht ohne das Sommerfest gäbe. Das Stück entsteht hier. Lucinda, die im Juni 84 Jahre alt wird, kommt diese Woche und probt das hier. Sie zeigt vier neue Arbeiten, die sie aber nicht alleine macht, sondern in Zusammenarbeit mit Philip Glass, einem der berühmtesten lebenden Komponisten.
Hildur Guðnadóttir schreibt ein anderes Stück, sie ist eine Oscar-Preisträgerin, die den Oscar für den Joker bekommen hat. Avantgarde goes Hollywood. Diese Verbindung zwischen einerseits Avantgarde und Avantgarde-Geschichte, aber auch gleichzeitig relevanten Positionen, die weit in die Kulturwelt hinausstrahlen und die auch in gewisser Weise definieren oder Impulse setzen, das macht das Sommerfestival aus.
In der Vergangenheit hat auch Kampnagel mit dem Vorwurf umgehen müssen, antiisraelischen oder gar antisemitischen Stimmen eine Bühne geboten zu haben. Wie lässt sich das bei so einem großen internationalen Festival vermeiden?
Siebold: Wir haben sehr intensiv mit den KünstlerInnen vorher gesprochen und uns auch sehr genau angeguckt, wen wir da einladen. Wenn man in das Programm guckt, und das kann ich nur empfehlen, wird man feststellen, dass es viele unterschiedliche Perspektiven gibt.
Wir haben zum Beispiel eine Band aus Israel dabei. Es gibt Kooperation mit dem Jüdischen Salon. Wir haben eben auch eine libanesische Band "Bedouin Burger", die bei uns spielt. Das sind Leute, die unterschiedliche Haltung zu dem aktuellen Konflikt haben.
Ich finde, dass dieses Festival auch eine Möglichkeit bietet, unterschiedliche Stimmen zuzulassen und wieder einen Raum für Diskurs zu machen, in dem unterschiedliche Stimmen in der friedlichen Weise zusammen kommen und sich vielleicht utopischer Weise vielleicht auch austauschen können.
Wir haben angefangen mit dem "guten" Theatergeschmack und der Rache daran. In einem Satz: Warum ist das Sommerfestival auch für Menschen mit sogenannten "guten" Theatergeschmack geeignet?
Siebold: Weil man bei uns wirklich Sachen sehen kann, die extrem Freude machen, die wahnsinnig euphorisierend sind und die man vor allem so schnell nicht mehr vergessen wird. Ich kann zum Beispiel die Produktion von Kornél Mundruczó empfehlen, einem ungarischen Theatermacher, der auch als Filmregisseur bis nach Hollywood gekommen ist - auf Netflix gibt es diesen tollen Film "Pieces Of A Woman" von ihm.
Der hat ein Stück gemacht, was zu den stärksten Theaterarbeiten gehört, die man im Moment auf europäischen Theaterbühnen sehen kann: "Parallax". Und ich verspreche, dass ist ein Stück, welches niemanden kalt lassen wird, was einen so starken Eindruck hinterlassen wird, dass man auch davon noch in zehn Jahren spricht.
Das Gespräch führte Susanne Hasenjäger, NDR 90,3.