Eine Szene aus der Verdi-Oper "Il Trovatore" auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper. © picture alliance Foto: Christian Fürst
Eine Szene aus der Verdi-Oper "Il Trovatore" auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper. © picture alliance Foto: Christian Fürst
Eine Szene aus der Verdi-Oper "Il Trovatore" auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper. © picture alliance Foto: Christian Fürst
AUDIO: Debatte in Hamburg: die Staatsoper und das Buh (4 Min)

Buhrufe an der Staatsoper Hamburg - Störenfriede verderben den Genuss

Stand: 20.03.2024 11:30 Uhr

In der Hamburgischen Staatsoper sitzt bei manchen das Buh ganz schön locker. Auch die jüngste Premiere "Il Trovatore" von Verdi wurde gerade mehrfach von lautem Rufen und Brüllen gestört.

von Daniel Kaiser

In keinem anderen Theater der Stadt liegen offenbar die Nerven im Publikum bei Premieren so blank wie in der Staatsoper Hamburg. Nicht erst nach der Aufführung, noch währenddessen wird gebuht und gebrüllt. Ein Sänger wird ausgebuht, weil er das hohe C nicht trifft. Die Handlung wird lautstark von Buhrufen kommentiert, weil Gewalt auf der Bühne gezeigt wird. Alle sollen wissen, wie man es findet. Von wegen "gediegenes Opern-Publikum". Unser Kritiker Peter Helling war überrascht von der Härte. "Das war gar nicht gediegen. Das war richtig aggressiv. Der letzte Ton verhallt, der schwarze Vorhang fällt und in der kleinen Pause, bevor der Applaus einsetzt, ruft jemand: 'Grauenvoll!'". Die Pausen der Stille würden ausgenutzt, um das Missfallen auszudrücken. "Es waren einzelne Rufer, aber es breitet sich auch in manchen Gruppen flächendeckend aus." Auch der Kritiker des Deutschlandradios Uwe Friedrich findet: "Das Publikum war sehr merkwürdig drauf in der Hamburger Staatsoper." Das passiert immer wieder bei Opern-Premieren in Hamburg.

Weitere Informationen
Guanqun Yu und Aleksei Isaev in einer Szene aus der Verdi-Oper "Il Trovatore" auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper. © picture alliance Foto: Christian Fürst

"Il Trovatore": Premiere in Hamburg mit vielen Buh-Rufen

Vor allem eine Szene in der Hamburgischen Staatsoper verstörte das Publikum in der zwar plakativen, aber mutigen und pointierten Inszenierung. mehr

Staatsoper Hamburg: Häufiger Eklat bei Opern-Premieren

In keinem anderen Theater weit und breit ist bei Premieren so viel Eklat. Auch beispielsweise bei "Il Trittico" von Puccini wurde die Aufführung gestört. Besonders das Abstrafen der Sänger schmerzt viele. Joachim Mischke, der Opern-Experte des "Hamburger Abendblatts", spricht sich für mehr Menschlichkeit aus und sucht nach Gründen für diese Buhs: "Ein Teil davon ist sicher damit zu begründen, dass man denkt: Ich habe die Karten gekauft und ein gewisses Recht, mich so zu äußern. Aber man sollte immer im Rahmen des Anstands und der Höflichkeit bleiben, denke ich." Die Darstellerinnen und Darsteller seien keine Notenmaschinen, die auf der Bühne stehen, sondern es seien Menschen, die unter Druck stünden. "Wenn die Vorstellung nicht so gut läuft, ist es das eine, aber deswegen an den entscheidenden Stellen loszubrechen mit wütenden Buhs, finde ich unhöflich", sagt Mischke.

Weitere Informationen
Ein Fernsehstudio mit Kameras und Beleuchtung auf der Bühne. © Brinkhoff/Mögenburg

Wie darf/kann/soll das Publikum eine Aufführung stören?

Die Premiere von "Il trittico" an der Hamburgischen Staatsoper wurde durch Zwischenrufe aus dem Publikum gestört. mehr

Lautstarke Äußerungen bei Vergewaltigungsszene

Auch die Schriftstellerin Regula Venske saß im Premierenpublikum und war irritiert von den maßlosen, lautstarken Äußerungen, auch während der Vergewaltigungsszene auf der Bühne. "Das war schon explizit, aber man hat schon ganz andere Dinge auf Bühne und im Fernsehen gesehen. Es gab auch eine Triggerwarnung im Besetzungszettel. Ich hatte den Eindruck, die Menschen können nicht mehr unterscheiden zwischen der Realität und deren künstlerischer Darstellung, die kritisch intendiert ist." Venske fand die Aufführung eigentlich gelungen und hatte den Eindruck, dass es den meisten im Publikum genauso ging. "Aber ein Störenfried kann den anderen schnell den Genuss verderben."

Kritik liegt immer im Auge des Betrachters

Ob eine Premiere gelungen ist oder nicht: So klar ist es eben nicht. Alle Kritiker haben nach der "Il Trovatore"-Premiere andere Sachen als besser oder schlechter befunden. Im Internet tauschen sich Opern-Fans in Foren aus. Da gibt es durchaus eine laute Opposition gegen die Arbeit der Hamburgischen Staatsoper. Ausgerechnet manche Opern-Fans neigen da offenbar manchmal zum Wutbürgertum. Vielleicht, sagt Mischke, liegt es daran, dass es anders als in den Theatern weniger Opern-Premieren gibt. Ihn erinnert das nämlich vor allem an einen anderen Opern-Ort. "Bayreuth - die Festspiel-Premieren! Unglaubliches Gebrülle, Gebuhe und Aufregung. Da gibt es aber pro Saison nur eine Spielzeitpremiere, die dann alles rausreißen und retten und wunderbar sein soll. So erklärt sich das vielleicht. Nichtsdestotrotz bleibt 'unhöflich und boshaft' geradezu 'unhöflich und boshaft'".

Weitere Informationen
Szene aus dem Ballett "Odysseus" © Kiran West/Hamburg Ballett Foto: Kiran West

John Neumeiers Geburtstags-Wochenende mit Tanz und Film

Der scheidende Ballettchef feierte mit einer Wiederaufnahme seiner "Odyssee" und der Filmbiografie "Leben für den Tanz". mehr

Eine große Halle, in der Bühnenkulissen entstehen © NDR Foto: Peter Helling

Die Arbeit hinter den Kulissen: Besuch in der Opernwerkstatt

Wie und wo entstehen die Bühnenbilder für die Aufführungen? Bei der Staatsoper Hamburg kann man hinter die Kulissen schauen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 19.03.2024 | 19:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Tanz

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Die Schauspielerin Katharina Thalbach sitzt auf einem Sofa. © Screenshot

Katharina Thalbach mit "Ein Wintermärchen" wieder in der Elphi

"Ein Wintermärchen" mit Katharina Thalbach in der Elbphilharmonie ist fast ein Klassiker. Heute ist die erste von neun Aufführungen. mehr