"Früchte des Zorns" - NDR Hörspiel mit Gustav Peter Wöhler
Im Hörspiel des Romans "Früchte des Zorns" von John Steinbeck spricht Gustav Peter Wöhler den ehemaligen Prediger Jim Casy, dem der Glauben verloren gegangen ist. Inwiefern sich Wöhler mit ihm identifizieren kann, erzählt er im Interview.
John Steinbecks Roman "Früchte des Zorns" ist legendär. Er erzählt von Landarbeitern, völlig verarmt in Oklahoma, ohne Auskommen, ohne Hoffnung - es ist die Zeit der großen Depression. Auch Familie Joad macht sich auf Weg. Die Pachtbauern flüchten in das vermeintlich gelobte Land Kalifornien. Was sie dort erleben, ist erschütternd: Nach Spott, Hass und Ausbeutung enden viele von ihnen in Elendslagern oder am Straßenrand. Wieder kämpfen sie ums Überleben. 1939 erschien das Epos in den USA, bald darauf wurde John Steinbeck mit dem renommierten Pulitzer-Preis ausgezeichnet. 1962 schließlich erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Christiane Ohaus hat aus "Früchte des Zorns" eine zwölfteilige Hörspielserie gemacht, die vom 16. November bis 21. Dezember 2024 auf NDR Kultur ausgestrahlt wird. Der Schauspieler und Musiker Gustav Peter Wöhler ist in der Rolle des ehemaligen Predigers Jim Casy zu hören, der mit sich, seiner Berufung und auch seinem Glauben hadert. In NDR Kultur à la carte spricht Katja Weise ihm über seine Rolle, über John Steinbeck und über den Stoff der Stunde, der die komplexen Zusammenhänge beschreibt: Wirtschaftskrise, Migrationsbewegung, Klimawandel.
"Früchte des Zorns": Worum geht es?
John Steinbecks Roman "Früchte des Zorns" ist 1939 erschienen. Heute ist er wieder sehr aktuell. Am Beispiel der Familie Joad wird die Geschichte von Vertreibung, Flucht und den Schwierigkeiten des Ankommens erzählt. Die Joads ziehen, wie Tausende nach der Weltwirtschaftskrise 1929, in den Westen, in dem Fall nach Kalifornien, um dort ihr Glück zu finden. Sie werden von dem Ex-Prediger Jim Casy begleitet. Er hat die Kinder der Familie getauft. Inzwischen ist ihm der Glauben verloren gegangen. Er sagt: "Ich liebe die Menschen. Jesus kenne ich nicht, nur ein Buch mit Geschichten von ihm. Warum müssen wir immer alles an Gott oder Jesus hängen? Vielleicht ist alles nur für die Männer und Frauen, die wir lieben. Vielleicht ist das der Heilige Geist, der menschliche Geist."
Was finden Sie in dieser Figur?
Gustav Peter Wöhler: Alles. Ich finde in dieser Figur meine Vorstellung von Gott, meine eigene Religiosität und meine Spiritualität. Ich fühle mich sehr vertraut mit ihm. Es ist eine Art Demutshaltung ans Leben oder überhaupt gegenüber anderen Menschen: Wie gehe ich mit Menschen und Situationen um und wie empathisch bin ich? Dafür brauche ich persönlich keine Bibel und keinen Katechismus, obwohl ich Dinge darin finde, die mir sehr nahe sind. Aber ich verstehe diesen Menschen ganz und gar, denn wenn man heutzutage die Kirche sieht und das ganze Glaubensgewerk, dann geht es mir so, dass ich da eher Abstand von halte, weil ich mich persönlich darin nicht wiederfinde. Ich finde mich eher in meinem eigenen Glauben. Es gibt in meinem Umkreis sehr viele Menschen, die versuchen so zu leben und zu handeln und das finde ich viel wichtiger, als diese Gottes- oder Jesus-Gläubigkeit.
Hilft das, wenn man sich einer Figur so nahe fühlt?
Wöhler: Ja, auf jeden Fall. Ich weiß, nicht, wie Christiane Ohaus darauf gekommen ist, mich damit zu besetzen. Wir hatten schon öfter miteinander zu tun und hatten dadurch natürlich auch Gespräche. Vielleicht lag es an meiner Stimme, die ist immer etwas höher als bei normalen männlichen Herrschaften. Vielleicht hat das einen Ausschlag gegeben.
Außerdem klingt Ihre Stimme jung!
Wöhler: Sie ist jung und das mit 68 Jahren. Vielleicht muss ich mehr an mir arbeiten, sodass die Stimme wie 68 klingt. Ich freue mich immer, dass ich so eine junge Stimme habe.
Das Gespräch führte Katja Weise.