Unendlich, weiß, und sehr kalt: Aurelia Hölzer und die Antarktis
Sie hat im Eis die ganz große Ruhe, Weite, eisige Schönheit und sicherlich auch viel Neues an sich selbst entdeckt: Aurelia Hölzer. Ein ganzes Jahr hat die Ärztin im ewigen Eis, in der Antarktis gelebt und darüber geschrieben.
Als Ärztin war Aurelia Hölzer auf der vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven betriebenen "Neumayer-Station III", der deutschen Basis für Antarktis-Forschung, stationiert. Sie gehörte zu einem neunköpfigen Team, Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Fachbereichen, die die Station im Polarwinter am Laufen halten, dort forschen, gemeinsam leben und den Alltag erproben.
Aurelia Hölzer hat über diese Zeit geschrieben, ein Buch veröffentlicht mit dem Titel "Polarschimmer". Über das Abenteuer "Antarktis", das Leben und die vielen spontanen, nicht unaufwändigen Umplanungen spricht Aurelia Hölzer mit Anna Novák in NDR Kultur à la carte.
Du bist hauptberuflich Ärztin. Wie kam es dazu, dass du auf dieser "Neumayer-Station III" gelandet bist? Das ist kein Job, den man in einem Jobportal findet.
Aurelia Hölzer: Ich hatte immer den diffusen Traum mit Spitzbergen, das hat sich nie realisieren lassen. In meinem Sabbatjahr war ich in Alaska und bin da dem Drang in den Norden gefolgt, den Süden hatte ich überhaupt nicht auf dem Zettel. Ich war dort im Sommer und im Winter noch in Norwegen, wo ich zum ersten Mal in Schnee und Eis gezeltet und unter Polarlichtern Zähne geputzt habe. Das war alles nicht genug. Als ich wieder in Deutschland war und als Honorar-Oberärztin gearbeitet habe, habe ich mich irgendwann hingesetzt und dachte, irgendetwas muss es doch geben und habe "Arztstellen auf Spitzbergen" gegoogelt. Da ploppte die Stellenanzeige für Überwinterung auf einer Forschungsstation in der Antarktis auf.
Man muss dazusagen, bevor ihr auf die "Neumayer-Station III" gekommen seid, habt ihr einen langen Vorbereitungsprozess durchlaufen und habt viel gelernt. War dir emotional klar, was dich bei deiner Ankunft erwartet?
Hölzer: Nein, überhaupt nicht. Ich kenne Eis und Schnee und abgelegene Orte, aber wie sich die Antarktis als Ort anfühlt, das hat mich völlig von den Socken gehauen. Das ist ein Kontinent, der nie wirklich besiedelt war, uraltes Eis hat, der fast alle Eismassen der Erde beherbergt, Arten, die noch gar nicht gefunden sind. Das hat was völlig Weltfernes an sich. Auf diese Atmosphäre, glaube ich, kann man sich gar nicht vorbereiten.
Du beginnst dein Buch "Polarschimmer", was du über das Jahr in der Arktis geschrieben hast, mit diesem Moment im Prolog, wo du in der Antarktis ankommst. Hast du noch lebendig im Körper und in deinem Kopf wie dieser Ankunftsmoment war?
Hölzer: Völlig. Das fuhr alles durcheinander, ganz vielschichtig von großer Begeisterung über diese unfassbare Weite. Diese laute Stille, dieses sehr Fremde und Eigenartige, dass die Antarktis ausstrahlt. Gleichzeitig Begeisterung, Überforderung, aber ich habe das ein bisschen auf Abstand gehalten, es gab auch ein Entsetzen, dass ich dachte, meine Güte, hier ist es überhaupt nicht heimelig, das soll jetzt wirklich mein Zuhause sein? Das Haus und die Umgebung, nichts davon habe ich vorher gesehen und gefühlt.
Diese "Neumayer-Station III" auf der ihr gelebt habt, sieht ein bisschen aus wie ein Raumschiff. Das ist ein riesiger Quader, dreistöckig und unter der Erde gibt es auch noch was. Das Gebäude steht auf Stelzen, mitten im Eis. Es ist ein sehr beeindruckender Anblick, wenn man das sieht. Aber du beschreibst es so, als du dahin kamst, fandst du es ungemütlich.
Hölzer: Es ist ein sehr technisches Haus, es ist alles rechteckig, es gibt Stahltreppen, das Blockheizkraftwerk brummt, der Aufzug rattert und es gibt Lüftungsrohre über dem Sofa. Doch dann wächst einem die Station so schnell ans Herz, weil sie alles hat, was wir brauchen und weil wir auf ihr alles machen können, was wir brauchen: Wasser, Strom, Wärme, Geborgenheit, Gemütlichkeit, Kuchenbacken. Dann liebt man diese Technik ganz schnell, weil sie das ist, was für uns sorgt.
Das Gespräch führte Anna Novák.