Heinz Strunk und seine Hommage an einen Klassiker
"Der Zauberberg" von Thomas Mann feiert in diesem Jahr 100 Jahre. Heinz Strunk hat sich diesem Klassiker angenommen und ihn mit seiner eigenen Geschichte zusammengebracht: "Zauberberg 2". Darüber spricht er im Interview mit NDR Kultur à la carte.
Im November 1924 erschien Thomas Manns Roman "Der Zauberberg". 100 Jahre also ist das her. In der legendären Geschichte erlebt der 23-jährige Hans Castorp die abgeschlossene Welt eines Schweizer Sanatoriums in Davos. Eine Welt, die ihn mit Krankheit, merkwürdigen Menschen, leidenschaftlicher Zuneigung und Tod konfrontiert.
Diesen Stoff hat Heinz Strunk jetzt mit einer eigenen Geschichte neu garniert. Sein Held ist Jonas Heidbrink, Schauplatz ist die mecklenburgische Einöde, in der sich auch ein Sanatorium befindet, in der sich auch jene eigene Welt zeigt, die zunächst fremd scheint, bald aber immer näher rückt. Heinz Strunk ist spätestens seit seinem Bestseller "Der goldene Handschuh", der Roman wurde 2016 mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet, eine markante Stimme in der Literaturszene. Mit Juliane Bergmann spricht er in NDR Kultur à la carte über das Schreiben, über die Schönheit des Unschönen und natürlich über seine Hommage an einen großen Klassiker.
Der Protagonist Ihres neuen Buchs "Zauberberg II" ist Jonas Heidbrink, er ist Mitte 30 und hat ein Software-Start-up groß gemacht und verkauft. Er sagt: "Jetzt hatte ich die Taschen voller Geld und war frei, freier geht's nicht." Sehen Sie das auch so? Macht Geld frei?
Heinz Strunk: Ja, das würde ich schon sagen. Es ist objektiv so, dass man gewisse Notwendigkeiten und Zwänge ablegen kann. Aber wenn man sich Jonas Heidbrink anschaut, der kann nichts damit anfangen. Es ist wie immer, wenn Autoren behaupten, sie hätten mit den Figuren nichts zu tun, ist das eine Lüge. Ich habe sehr viel mit Heidbrink zu tun, und mir geht es tatsächlich ähnlich. Finanziell leide ich schon seit längerem keine Not mehr, aber darum geht es in meinem Leben nicht.
Jonas, ihre Hauptfigur, ist nicht glücklich, der ist zwar finanziell abgesichert, hat aber Depressionen und Angststörungen und begibt sich deshalb in eine psychosomatische Klinik in einem Schloss in Mecklenburg-Vorpommern, an der Grenze zu Polen. Statt jetzt in den Schweizer Bergen, so wie Thomas Mann seine Geschichte platziert hat, wählen Sie die Weite, den Horizont, Sumpfigkeit und Pampa. Wie haben Sie diesen Ort für Ihre Geschichte gefunden?
Strunk: Der Ort ist fiktiv. Bei meinen Überlegungen, war das ein ganz wichtiger Teil der Arbeit oder des Überlegens: Wie unterscheidet sich mein Zauberberg vom Original? Und wo sind die Übereinstimmungen? Da dachte ich, auf jeden Fall ist es notwendig, dass es nicht in den Bergen spielt oder einer ähnlichen ländlichen Umgebung, sondern eben bei mir im platten Land. Das war mir relativ schnell klar, dass das in diesem Niemandsland ist. Im Buch habe ich es Polen-Randgebiet genannt. Ich bin da hingefahren und habe mir das angeschaut, um zu wissen, wie es da aussieht. So ein paar Sachen habe ich dazu konstruiert, zum Beispiel die Sümpfe, die unendlich über Polen bis nach Russland reichen, die gibt es nicht. Mir war wichtig, dass ich auf jeden Fall einen Kontrapunkt zum bergigen Original setze.
Was hat Sie am Kosmos Klinik oder Sanatorium gereizt?
Strunk: Zum einen ist es so, dass es mit dem Siegeszug der Antibiotika keine Lungenklinik mehr gibt. Die sind geschlossen worden. Der Original-Schauplatz des "Zauberbergs" ist in ein Hotel umgewandelt worden. So lustig ich das finde, mit den vielen Liegekuren, die im "Zauberberg" geschildert werden, finde ich das Thema psychosomatische oder psychische Erkrankungen viel ergiebiger und natürlich auch viel zeitgemäßer. Es gibt keine Lungenklinik mehr. Soll ich jetzt so tun, als gäbe es heute noch eine Lungenklinik? Das wäre albern. Ich kenne mich in dem Bereich psychische Störung ganz gut aus, deswegen war es wirklich naheliegend, die Handlung in eine derartige Klinik zu verlegen.
Heinz Strunk, eins Ihrer Markenzeichen ist, dass Sie die Erscheinung Ihrer Figuren immer sehr detailliert beschreiben, und zwar mit sehr besonderer Sprache. Da hat eine Frau zum Beispiel ein Gesicht, so rund wie eine Bratpfanne, Zuckerwatte-Haare und sie ist von Käse gelber Wächsernheit. Sammeln Sie solche Physiognomien, solche Körperbilder?
Strunk: Das könnte man so sagen. Tatsächlich ist es so, dass mir das Spaß macht. Ich würde jetzt nicht so weit gehen und das als Markenzeichen sehen. Das Schildern von Physiognomien und von Eigenarten im Gang hat mich schon immer gereizt, und ich versuche es immer noch genauer hinzubekommen.
Sind Sie ein guter Beobachter?
Strunk: Das behaupten sehr viele Leute von sich, aber ich bin es tatsächlich. Ohne würde es auch nicht gehen. Ich bin manchmal etwas zu durchlässig, ich wünschte, ich würde etwas dickfelliger durchs Leben gehen und nicht so viele Sachen mitbekommen, weil es mich immer gleich beschäftigt. Diese damit verbundene Dünnhäutigkeit nervt mich. Für meinen Beruf ist das günstig, aber für mich als Mensch manchmal etwas anstrengend.
Das Gespräch führte Juliane Bergmann.