Ab jetzt jeden Montag: Mahnwache gegen Rechtsextremismus in Hannover
Seit dem Geheimtreffen in Potsdam vor drei Monaten reißen die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus nicht ab. Am Montagnachmittag haben sich Kulturschaffende jetzt zum ersten Mal für eine wöchentlich geplante Mahnwache in Hannover getroffen.
Es ist das übliche Gewusel am Nachmittag auf dem Kröpcke in Hannover, einem Platz, der die Haupteinkaufsstraßen in der niedersächsischen Hauptstadt miteinander verbindet. Auf einmal formiert sich gegenüber der bekannten Kröpcke-Uhr eine kleine Gruppe Menschen. Plakataufsteller werden ausgeklappt, bunte Regenschirme aufgespannt.
Anstoß kam aus Ensemble des Staatstheaters Hannover
Der Anstoß für diese Mahnwache kam aus dem Ensemble des Staatstheaters, sagt Schauspieler Philippe Goos: "Wir haben uns in regelmäßigen Ensemble-Versammlungen immer wieder darüber unterhalten, was wir machen können. Und uns gefragt: Ist das, was wir im Probenprozess und auf der Bühne dazu beitragen, ausreichend? Oder was kann man noch machen? Dabei ist die Idee dieser Mahnwache entstanden."
Schon in den Wochen zuvor hatte das Ensemble während des Schlussapplauses Plakate und Transparente hochgehalten mit dem Aufdruck "Gemeinsam für Demokratie" oder "Zusammen gegen den Hass".
Bunte Regenschirme: Für Sichtbarkeit und Vielfalt
Immer mehr Menschen gesellen sich zu der Gruppe. Dass die Demonstranten verschiedenfarbige Regenschirme dabei haben, hat mehrere Gründe, sagt Barbara Kandel, Dramaturgin am Staatstheater Hannover: "Erstens weil wir ein Element brauchten, mit dem wir sichtbar werden. Gleichzeitig dachten wir, es könnte zwischendurch regnen - auch nicht schlecht. Aber der eigentliche Grund ist der: Es gibt eine weitere Initiative, das sind ‘Die Vielen’. Das ist ein Netzwerk von Kultureinrichtungen in ganz Deutschland, das sich für Kunstfreiheit und gegen rechte Inanspruchnahme einsetzt."
Unter den Demonstrierenden sind auch die Freien Theater Hannovers. Lena Kussmann ist die künstlerische Leiterin des Theaters an der Glocksee: "Wir sind dem Aufruf des Ensembles vom Schauspiel Hannovers gefolgt und haben spontan unsere Sitzung der Freien Theater Hannover hier her verlegt - weil wir es wichtig finden, dauerhaft ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Ich habe manchmal die Sorge, dass das anfängliche Engagement nachlässt. Wir drücken die Daumen, dass hier einer von uns jeden Montag erscheint."
Rechte Abschiebungspläne: "Kultur hat ganz viel dagegen zu tun"
Harrie Müller-Rothgenger vom Theater in der List sieht die Kunst in der Pflicht, etwas gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft zu unternehmen: "Wenn eine große Partei, die im Parlament sitzt, einen Abgeordneten hat, der den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg einen Volgeschiss nennt, oder wenn im Osten Deutschlands eine Konferenz stattfindet mit AfD-lern und sogar CDU-lern, wo geplant wird, Migranten auszuschließen aus Deutschland, also eine rassistische Ausgrenzungspolitik zu verfolgen, dann hat Kultur gerade ganz viel dagegen zu tun."
Carsten Hendrich ist Mitglied im Kollektiv Theater Fensterzurstadt und sieht die Künste als eben jenen Türöffner fürs gesellschaftliche Miteinander: "Wenn Menschen ihre Kreativität nicht entwickeln können, verkümmern sie innerlich. Deutschland muss von der Kreativität, von der Bildung, von der gesunden Kommunikationsfähigkeit seiner Mitbürger leben. Das muss man fördern, da kann man nicht den Rotstift ansetzen."
"Wir sind besorgt um unsere Demokratie"
Neben den Kunstschaffenden sind auch Theatergänger unter den Demonstrierenden. Burkhard und Jutta Vietzke besuchen regelmäßig die Vorstellungen der staatlichen und freien Theater. "Wir sind besorgt um unsere Demokratie und wollen vor den Gefahren warnen, die ihr drohen", so Burkhard Vietzke. Und seine Frau ergänzt: "Ich habe immer gedacht, dass es so etwas nicht noch einmal geben wird, dass wir für Freiheit und Demokratie auf die Straße müssen. Ich finde es ungeheuer wichtig - und deswegen machen wir das."
Am Ende sind es 75 Menschen, die mit der Mahnwache, den Regenschirmen und den Transparenten ein sichtbares Zeichen gegen Rechtsextremismus auf dem Kröpcke in Hannover setzen. Der Mitinitiator Philippe Goos ist zufrieden, aber da gehe noch mehr: "Es wäre schön, wenn sich das über die nächsten Wochen zu etwas entwickeln würde, was ein paar mehr Nullen trägt."