"Der Regenbogen kennt kein Braun" steht auf einem Transparent auf einer Demonstration gegen rechts in Göttingen. © NDR Foto: Bärbel Wiethoff

Wie wirken sich Großdemos auf den Parteiennachwuchs aus?

Stand: 20.03.2024 06:00 Uhr

In Zeiten, da das Geld immer knapper wird, kommt dem freiwilligen Engagement immer mehr Bedeutung zu. Es gibt ein Bedürfnis, sich einzubringen - etwa bei den spontanen Großdemos der vergangenen Wochen. Was bleibt nach dem Protest?

von Jens Büchsenmann

"Wir haben seit Januar, seit den Correctiv-Recherchen, hunderte Eintritte in die Partei, darunter sehr viele Jusos: Also Sozialdemokraten im Alter ab 14 bis 35", sagt Kemir Čolić, Co-Landesvorsitzender bei den Jusos in Hamburg. Von seinem Büro der SPD Altona blickt er auf das Altonaer Rathaus, nur einen Steinwurf entfernt vom privaten Wohnsitz seines Genossen Olaf Scholz. Mit 14, 16 Jahren fängt der Nachwuchs bei den Jusos an. Čolić hatte aber alle Altersstufen bei den spontanen Neuzugängen: "Auch einige Schülerinnen und Schüler sind dabei gewesen. Die meisten waren aber schon über 18. Ich glaube, die älteste Person war knapp über 70."

Politisch Farbe bekennen

Ungleich schwerer als die Sozialdemokraten hatten es die JuLis, wie sich der FDP-Nachwuchs nennt, auch auf ihrer Internetseite, wo sich zu den blau-gelben Parteifarben ein munteres Rosa gesellt. Überhaupt - Farben und Politik: "Was wir gemerkt haben, ist auf jeden Fall, dass die Mitglieder, die Anträge stellen, sich klar bekennen. Man möchte zeigen, welche Farbe man hat - auf jeden Fall nicht blau, nicht die AfD", beschreibt Bo Müller den Auftritt seiner Nachwuchsorganisation bei den Großdemos. Er ist Landesvorsitzender der Jungen Liberalen.

Bei den Aufzügen gegen Rechts gingen seine JuLis zusammen mit den Jusos auf die Straße - als Zeichen von politischer Haltung, natürlich, aber auch als Werbung für die eigene Sache: "Wir haben aktuell ein bisschen mit den Mitgliedern wegen der Bundespolitik zu hadern und erleben einen leichten Schwund. Diese Demos haben für einen leichten Aufschwung gesorgt. Wir haben normalerweise im Schnitt zwei bis drei Neumitglieder-Anträge in der Woche und ich würde sagen, dass sich das auf einem gleichen Niveau hält, obwohl der Bundestrend etwas rückläufig ist."

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Die Möglichkeit, sich politisch einzubringen

Bei den Grünen ist der Zulauf deutlicher. Landessprecher Berkay Gür hat auf Instagram rund 18.000 Aufrufe allein im Januar zählen können. Seitdem sind 300 neue, feste Follower dazugekommen: "Der Rechtsdruck ist gerade für viele ein Thema, das sie beschäftigt. Sie kommen mit einer sehr besonderen Erwartungshaltung zu den Interessierten-Treffen - zum einen, weil sie Lust haben, sich politisch einzubringen, aber auch, weil sie eine Erwartungshaltung an die Politik haben. In diesem Zusammenhang sehen wir eine neue Dynamik, die immer noch aktuell ist und bis heute stattfindet. Wir als Grüne Jugend schauen, dass wir diesen Menschen die Möglichkeit geben, sich politisch einzubringen und an politischen Veränderungen mitzuwirken."

Das erlebt man so oder ähnlich auch bei den anderen Jugendorganisationen der Parteien: Niclas Heins, Landesvorsitzender der Jungen Union in Hamburg, beobachtet eine signifikante Zunahme von Mitgliedsanträgen. Auch die, die schon länger dabei sind, wollen etwas tun, weil sie die Grundwerte der Demokratie in Gefahr sehen - und zwar so sehr, dass sie gemeinsam mit den Jusos, den JuLis und den Linken vor die AfD-Zentrale gezogen sind, um Flagge zu zeigen. Die Leute, die bisher eher still waren, werden lauter. Das sei eine "neue Qualität des Engagements", stellt Thomas Iwan, Landessprecher der Linken in Hamburg fest.

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NDR Kultur | Journal | 20.03.2024 | 16:00 Uhr

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