"Schwerer als das Licht": Düster-schönes Märchen von Tanja Raich
Tanja Raich bestätigt mit ihrem zweiten Roman "Schwerer als das Licht" eine Vermutung, die seit einiger Zeit den Literaturbetrieb umschwirrt: Die österreichische Literatur ist gerade besonders spannend.
Wo sie auch geht, wo wie auch steht: überall Bedrohung. Alles ist angefochten: die Landschaft, die Tierwelt, sie selbst. Eine Frau in der kleinen, ihr noch verblieben Nische, im Südteil einer tropischen Insel, abgeschnitten von jedem Kontakt zu anderen, zu denen da im Norden, die ohnehin nur eins noch von ihr wollen: ihr Leben.
Hier ist es nicht mehr sicher, aber von hier gibt es keinen Ausweg. Ihre Rufe sind bis in den Süden zu hören, ihre Schreie, ihr Trommeln. Ich baue weiter an meiner Festung. Die Pflöcke spitzer, die Mauern höher. Und hinter der Mauer baue ich eine weitere Mauer und dazwischen einen Graben, ein Feld voller Pflöcke, das sie aufschlitzen wird. In die Gänge meines Labyrinths baue ich neue Winkel mit weiteren Fallen. In den Wäldern befestige ich Seile, die sich um ihre Körper schlingen werden. Ich verriegle die Türen mit schweren Stämmen und Ästen. Ich bin ihnen immer einen Schritt voraus. Leseprobe
"Schwerer als das Licht": Traum oder Realität?
Ob es die, vor denen sie sich da verbarrikadiert, überhaupt gibt? Vielleicht sind sie ja nur Geister, Stimmen, Ängste. Real ist jedenfalls die Panik der Protagonistin. Der Wald um sie herum stirbt, die Nahrung geht ihr aus, alles auf der einstmals strahlend schönen Insel verdorrt, die Vögel fliegen davon. Schon äußerlich ist das eine existenzielle Krise. Aber da ist auch die überbordende Unruhe im Inneren der Frau, die vor einiger Zeit aus einem alten Leben herausgeschleudert wurde, hier gestrandet ist und sich kaum noch erinnert an das, was da einst geschah. Man tappt beim Lesen im Halbdunkel, wie in einem Traum, der mit tausend schillernden Details ausgekleidet ist und doch rätselhaft bleibt.
Von draußen höre ich das Pfeifen des Windes. Das Schnattern der Geckos. Das Schnarren der Zikaden. Die Rufe der Eulen. Mungos und Warane, die sich durch das Geäst schlagen. Die Tiere finden immer einen Weg. Sie kämpfen sich zu meinem Haus und lauern in der Dunkelheit. Languren laufen über mein Dach. Ihre Schritte hallen durch den Raum. Mal sind es nur zwei, mal vier, mal ist das ganze Dach voll davon. Sie sitzen und warten. Leseprobe
Persönliche Ängste und Wahnvorstellungen
Der Mensch, der sich in starrer Angst festungsartig vom Rest der Welt abschottet - dieses Bild, sagt Tanja Raich, stand ihr ganz am Anfang der Geschichte vor Augen. Aber ihre Figur, die Frau auf der Insel, hat sich dann natürlich auf ganz eigene Weise entwickelt: "Es geht auch um persönliche Ängste, es geht um Wahnvorstellungen; es kann eine Psychose sein. Es geht auch um den Untergang einer individuellen Welt: Wir alle, wenn wir sterben, werden unsere Welt verlieren und sehen, wie sie untergeht."
Mal schlägt die Insulanerin wie im Mordwahn wild um sich, mal schließt sie resignativ die Augen; es gibt ja kaum noch etwas zu sehen für diese Licht-Süchtige, kaum je blitzt noch irgendwo das Leben auf.
Die Dunkelheit legt sich allmählich über die Insel. Ein dunkler Schatten, der alles verschluckt. Bald wird selbst die Sonne von der Dunkelheit verschluckt werden. Der Schatten war immer schon schwerer als das Licht. Leseprobe
Tanja Raichs faszinierende Sprache
Ein stetes Schwanken am Abgrund: Tanja Raich findet für diese Geschichte im Grenzbereich des menschlichen Lebens eine faszinierende, eine aufwühlende Sprache. Sie ist ganz frei von Pathos und packt einen eben darum besonders heftig an der Gurgel, sie ist minimalistisch-melodiös und sowieso betörend rhythmisch. Es ist der Rhythmus vom Werden und Vergehen.
"Ich hätte niemals gedacht, dass ich einen Hang zum Surrealen entwickele, zum Metaphysischen" sagt Raich. "Ich habe eine große Freude daran gefunden, nicht nur vom Untergang zu erzählen, sondern auch vom Anfang - zwar schon auch von der Zerstörung dieser Welt, aber nach der Zerstörung wird es weitergehen. Ich hatte eine große Freude daran, ein Märchen zu erzählen."
Es war einmal ein Geist, der besessen das Licht suchte und umarmte, damit es dunkel werde. In diesem düster-schönen Märchen von Tanja Raich fallen sogar die Sterne vom Himmel, nur die Mondsichel leuchtet am Ende noch - und damit doch ein letzter Rest Hoffnung.
Schwerer als das Licht
- Seitenzahl:
- 195 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Blessing
- Bestellnummer:
- 978-3-89667-735-8
- Preis:
- 22 €