"Das Loch": Beeindruckender Roman aus der Welt der Geister
Für ihren zweiten Roman "Ana" erhielt Hiroko Oyamada 2013 den Akutagawa-Preis- den wichtigsten Literaturpreis Japans. Die deutsche Romanübersetzung ist nun unter dem Titel "Das Loch" erschienen.
Hiroko Oyamada zählt zu den wichtigsten weiblichen Stimmen der zeitgenössischen japanischen Literatur. Sie wurde 1983 in Hiroshima geboren, studierte japanische Sprache und Literatur und lebt heute mit ihrer Familie in ihrer Heimatstadt. Nach ihren Studium arbeitete Oyamada in wechselnden Jobs, unter anderem als Aushilfskraft bei einem Autohersteller. Diese Erfahrung diente ihr als Inspiration für ihren preisgekrönten Debütoman "Kojo", auf Deutsch "Die Fabrik". In ihrem zweiten Roman "Das Loch" nimmt eine junge Frau mit der Welt der Geister Kontakt auf.
Landleben ohne Glücksgefühle
Asa ist eine junge Frau von fast 30 Jahren, die mit ihrem Mann aus der Stadt aufs Land zieht, um dort in einem Haus, das ihren Schwiegereltern gehört, mietfrei leben zu können. Bis jetzt war Asa freie Mitarbeiterin in einer Firma. Den Job muss sie nun kündigen, was ihr nicht viel auszumachen scheint
Mein Job war nichts, wofür ich mich aufgeopfert hätte. Ich litt nicht darunter, aber er erfüllte mich auch nicht. Ich musste nie alles geben, aber ich erinnere mich auch an kein erhebendes Glücksgefühl. Leseprobe
Ihr Mann verhilft Asa auch nicht zu Glücksgefühlen. Das Paar hat sich nicht viel zu sagen. Das ändert sich auch nicht nach dem Umzug aufs Land. Da Asas Mann nun in die Stadt pendelt, sehen sie sich nur noch beim Abendessen. Hiroko Oyamadas Hauptfigur versucht in dem abgelegenen Ort einen Job zu finden, kann sich aber nicht richtig dazu motivieren. Für die alles dominierende Schwiegermutter sind eine Festanstellung und die Arbeit das wichtigste im Leben. Das hat auch Asas Mann verinnerlicht, der zuhause nur am Handy hängt
Das Handy meines Mannes klingelte. "Entschuldigt, ich geh mal kurz ran." Meine Schwiegermutter blickte ihm nach. Sie wirkte jung, die meisten würden sie auf Mitte, Ende vierzig schätzen. Meine Mutter sah älter aus, obwohl sie fast zehn Jahre jünger war. Wahrscheinlich macht es einen Unterschied, wenn Frauen nach der Geburt ihrer Kinder weiterarbeiten oder nur noch Hausfrau sind. Leseprobe
Schwarzes Tierwesen platzt in langweiligen Alltag
Hiroko Oyamadas Roman "Das Loch" erzählt von einer jungen Frau, die plötzlich von Langeweile und Monotonie umgeben ist. Auf dem Land sind die Stunden lang. Außerdem kann sich Asa nicht mit der leistungsorientierten Lebenseinstellung ihrer angeheirateten Familie identifizieren. Im Haus der Schwiegereltern lebt auch noch der Großvater ihres Mannes, der auch bei Regen die Pflanzen mit einem Gartenschlauch bewässert. Ein komischer Typ, zu dem Asa auch keinen Kontakt aufbauen kann. So streift Asa durch die menschenleere Gegend, in der sie ein undefinierbares schwarzes Tierwesen wahrnimmt, das sie aus dem hohen Gras heraus beobachtet.
Ich dachte schon, ich hätte es mir in der Hitze eingebildet, und sah noch einmal hin, aber da war zweifellos dieses Lebewesen, ohne Frage ein Säugetier mit Hinterbeinen. Es war so groß wie ein mittelgroßer Hund, oder vielleicht größer. Leseprobe
Verfolgt von anderen Tieren, deren Augen wie schillernde Knöpfe oder Murmeln wirken, beschleunigt Asa ihre Schritte und fällt in ein Loch.
Ich fiel mit den Beinen zuerst und landete mit beiden Füßen auf dem Boden. Das Loch reichte mir bis zur Brust, es musste etwa einen Meter tief sein. Ich passte gerade hinein, so eng war es, um mich herum war kaum Platz. Es war wie geschaffen für mich. Leseprobe
Loch als Symbol für Wünsche
Symbolisch steht das Loch für Asas Wunsch, ihrer Lebenssituation zu entfliehen, weil sie für sich keinen Sinn in einem fest vorbestimmten Leben sieht. In einem Loch kann man einfach verschwinden. Nachdem sie von einer Nachbarin daraus befreit wurde, lernt Asa Menschen kennen, die nur sie zu sehen scheint. Es sind Geister von Verstorbenen und Chimären von Asas Wunschvorstellungen, die sie durch den Alltag begleiten. Dazu zählen auch die Tiere und ein junger Mann, der sich als der Bruder ihres Mannes ausgibt.
Tierwesen und Verstorbene machen das irdische Leben erträglich
In ihrem beeindruckenden Roman "Das Loch" eröffnet Hiroko Oyamada ihrer Protagonistin den Zugang zur Welt der Geister, Tierwesen und Verstorbenen, die das irdische Leben für die Hauptfigur Asa erst erträglich machen. Denn man ist, was man sieht.
Das Loch
- Seitenzahl:
- 128 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Übersetzt von Nora Bierich
- Verlag:
- Rowohlt
- Bestellnummer:
- 978-3-498-00486-6
- Preis:
- 22 €