Wie über Krieg sprechen? Israel auf der Frankfurter Buchmesse
Bei einem vom PEN Berlin einberufenen Podium auf der Frankfurter Buchmesse haben am Mittwoch israelische Intellektuelle und Autoren über die aktuelle Situation in Israel und dem Nahen Osten gesprochen. Alle sind persönlich vom Terror der Hamas betroffen.
"In Sorge um Israel": Unter diesem Titel hat der PEN Berlin die israelischen Intellektuellen und Autoren Tomer Dotan-Dreyfus, Meron Mendel und Doron Rabinovici zu einem Gespräch im Pavillon auf der Agora der Frankfurter Buchmesse eingeladen. Die Autorin Esther Schapira moderierte die Veranstaltung und betonte gleich zu Beginn, dass es kein Streitgespräch geben werde, sondern ein gemeinsames Nachdenken, zumal alle auf dem Podium Versammelten auch persönlich betroffen seien von den Terrorangriffen der Hamas.
Meron Mendel: Per Zoom zu Beerdigungen zugeschaltet
Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank erzählte, dass er schon mehrmals per Zoom zu Beerdigungen zugeschaltet worden sei, um sich von Freunden und Familienangehörigen zu verabschieden. Keine 24 Stunden war es her, dass der slowenische Philosoph Slavoj Žižek die Analyse der Kriegssituation in Israel eingefordert hatte. Mendel wollte Žižek nicht widersprechen, stimmte ihm sogar in mancher Hinsicht zu, machte aber auch deutlich, dass dies überhaupt nicht der richtige Zeitpunkt sei, um bereits eine analytische Einschätzung der Lage vorzunehmen. Zu unfassbar seien die Grausamkeiten, die durch den Terror vor Augen geführt worden seien.
Aufregung nach Žižek-Äußerung zum Auftakt der Buchmesse
Während seiner Rede bei der Eröffnungsfeier am Dienstag hatte Žižek die terroristischen Angriffe der Hamas verurteilt, sagte aber auch, man müsse den Palästinensern zuhören und den Hintergrund des Konflikts beachten, um ihn zu verstehen. Für seine Rede gab es Buhrufe im Publikum, auch Zwischenrufe, die der Philosoph erregt kommentierte. Sichtlich verärgert trat die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, ans Rednerpult. Sie sei für den Frieden ohne Aber.
Tomer Dotan-Dreyfus: Israel für Juden kein sicherer Hafen mehr
Zurück zur Gesprächsrunde am Mittwoch: Hier beschrieb der Autor und Lyriker Tomer Dotan-Dreyfus, dass durch den 7. Oktober für die Juden in der ganzen Welt Israel als sicherer Hafen zerstört worden sei. Denn genau mit diesem Gefühl habe er jedenfalls immer gelebt: dass die Juden in der Diaspora, falls jemals wieder eine Shoa drohen würde, immer einen Zufluchtsort hätten, nämlich Israel. Diese Sicherheit sei nun erschüttert. Gerade deshalb, das betonten alle gleichermaßen, sei es so dringlich, ohne jede Art der Relativierung das Existenzrecht von Israel in jeder Hinsicht zu festigen.
"Gegen Antisemitismus ist man nur auf dem Mond sicher"
Der Schriftsteller Doron Rabinovici zitierte den Satz von Hannah Arendt: "Gegen Antisemitismus ist man nur auf dem Mond sicher." Er forderte eine konsequente Auseinandersetzung mit den antisemitischen Ausschreitungen, die in weiten Teilen Europas, auch in Österreich, wo er seit vielen Jahren lebt.
Auch Russland Thema auf der Buchmesse
Auf dem anschließenden Podium ging es um die Frage "Hoffnung für Russland?". Neben den russischen Exil-Schriftstellern Michail Schischkin und Dmitri Glukhovsky waren mit dabei die Historikerin Irina Scherbakowa und die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien Claudia Roth. Was Schischkin gleich in seinem ersten Beitrag sagte, wird wohl mahnend und warnend in Erinnerung bleiben. Er erinnerte daran, dass er im letzten Jahr auf der Buchmesse auch auf verschiedenen Podien saß. Und da war der Russland-Ukraine-Krieg das Thema. Er habe sich vor einem Jahr nicht vorstellen können, dass es noch schlimmer werden könne, als er es damals empfunden hatte. Nun habe er erfahren müssen, dass es noch viel schlimmer geworden sei. Er wolle sich gar nicht vorstellen, wie das noch weitergeht.
Verschobene Preisverleihung an Adania Shibli sorgt für Protest
Wie auch immer miteinander über die Kriegsszenarien in der gegenwärtigen Welt gesprochen wird: Lösungen sind nicht zu erkennen; nur die Erfahrung, dass die einzige Möglichkeit, die für die Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf der Buchmesse besteht, ein nicht abreißender Kommunikations-Faden ist. Auf den bisherigen Podien fehlten die palästinensischen Blickwinkel. An der verschobenen Preisverleihung an die Autorin Adania Shibli hält die Buchmesse fest, obwohl die namhafte Liste der dagegen Protestierenden, darunter auch die Literaturnobelpreisträgerinnen Annie Ernaux und Olga Tokarczuk, immer größer wird. Ob das klug ist? Wer weiß das schon. Weitere Zuspitzungen sollten aber derzeit vermieden werden.