"Game of Thrones" als Hörbuch: 100 Tage für 7.000 Seiten Text
Stefan Kaminiski hat die "Game of Thrones"-Romanvorlage von George R.R. Martin ganz neu eingelesen. Das sei ein Ritterschlag gewesen und eine schöne Herausforderung, so der Schauspieler im Interview.
Der preisgekrönte Sprecher verbrachte 2024 insgesamt 100 Tage im Tonstudio, um 7.000 Seiten Text einzulesen und gab jeder Figur ihre eigene Stimme. Im Laufe der Aufnahmen entstand so eine Datenbank mit circa 800 Stimmproben und rund 1.500 Aussprachefiles von Namen, Orten und Eigennamen. Das Ergebnis dieser intensiven Studioarbeit können Hörerinnen und Hörer nun in 212 Stunden Laufzeit erleben.
Wie haben Sie reagiert, als der Verlag an Sie herangetreten ist und vorschlug, alle Bände von "Das Lied von Eis und Feuer" einzulesen? Wussten Sie, worauf Sie sich einlassen würden?
Stefan Kaminiski: Ja, natürlich. Ich war mir bewusst, dass es diese Serie gibt, die nach den Romanen entstanden ist. "Das Lied von Eis und Feuer" war eine großartige Romanvorlage dafür. Das ist natürlich eine große Anerkennung meiner Arbeit und meiner persönlichen Leidenschaft, die ich da in den Beruf stecke. Ich habe mich sehr gefreut, zunächst für ein kleines Casting in Frage zu kommen, und ich war derjenige, der es dann machen durfte. Das ist ein Ritterschlag gewesen und eine schöne Herausforderung, auf die ich mich sofort gestürzt habe und mich mit großer Leidenschaft in die Figuren eingemischt habe.
Wie bereitet man sich da vor? Man muss vermutlich alles erst mal durchlesen, oder?
Kaminiski: Na klar, das mache ich bei jedem Hörbuch. Ob das für vierjährige Kinder ist, für Jugendliche oder für alle Altersgruppen bis hin zu schöngeistigen Romanen. Ich beschäftige mich - wie mit einer Partitur - erst mal mit dem Text und mache diese ganzen sachlichen Dinge für mich klar: Wie sind die Betonungen, Pausen, Hebungen, Senkungen, Bögen und so weiter. Ich schreibe mir meine kleinen Icons und Notizen rein, und dann kommt die Leidenschaft zum Tragen. Ich lese dann so gerne, als hätte ich es geschrieben. Das fällt einem viel leichter bei einer Geschichte, die auf der persönlichen Nachttischkante liegen könnte, als bei Büchern, die man selber für nicht allzu großartig hält - dann ist es ein Job. Hier ist es Leidenschaft, und ich bin froh, dieses Riesending gemacht zu haben. Es war sofort eine Spielwiese, auf der ich mich komplett ausbreiten konnte. Also lesen und dann der spontane Faktor im Studio: In die Leidenschaft und Wahrhaftigkeit gehen und im Moment sein mit den Figuren. Das ist mir bei Martins Romanvorlage leicht gefallen.
Hundert Tage im Studio - das sind ungefähr drei Monate. Kann man da dann zum Feierabend einen Teller Pasta essen, oder braucht man ein Stück Fleisch am Knochen?
Kaminiski: Natürlich, du brauchst Kohlenhydrate, Eiweiß, Vitamine und abends auch ein schönes Glas Rotwein. In meinem Fall ist es wie eine Live-Show. Ich habe diese Live-Shows mit "Ring des Nibelungen" gespielt - da bin ich auch in die Figuren rein. Hier kommt noch der Erzählpart hinzu. Du bist ständig am Labern. Es sind jeden Tag vier Stunden Textmassen, die man bewegt. Und das zwischen Februar und November übers Jahr verteilt - das war eine wundervolle Sache, energetisch sehr herausfordernd. Da brauchst du abends natürlich eine gute Mahlzeit. Ich habe parallel immer angefangen, die nächsten Bücher oder Kapitel vorzubereiten. So war das im Grunde ein Teil im Studio und ein Teil daheim, denn man musste sich mit der Materie unbedingt befassen. Du kannst nicht die Tüte aufreißen und dann im Studio irgendetwas runterrattern; das ist nicht meine Art, und das würde man auch hören. Ich glaube, das hat dem Ganzen gut getan. Da das etwas Wertvolles war, auch für mich persönlich, war das eine Mischung aus Spaß und Beruf, wo sich die Energie, die reinging, mit der ausgeglichen hat, die für mich da wieder rauskam. Das war toll.
Bestimmt war es bei aller Anstrengung dann doch traurig, weil man merkte, dass es jetzt aufs Ende zuging, oder?
Kaminiski: Naja, es ist schön, so etwas freizulassen. Das ist ein relativ intimer Job. Sie kennen das sicher auch: Man sitzt in der Kabine, sendet etwas nach draußen und weiß nicht direkt, wie die Resonanz ist. So ist es bei mir auch. Ich hatte in diesem Studio zum einen Regie und Ton und vom Verlag noch Ana Kohler zur Seite, die immer beratend und als erste Zuhörerin dabei war. Aber jetzt kommt erst die Resonanz von den Leuten. Da gibt es plötzlich Interviews. Ich freue mich, das weiter zu verfolgen. Vielleicht schreibt George R.R. Martin auch mal wieder was. Es ist ein Weg, den ich gerne gehe. Der Weg ist der Weg, sage ich immer. Und jetzt kommen die nächsten Dinge. Es ist schön, dass ich jetzt etwas mit Potenzial entfalten kann und dass ich auch ein bisschen verfolge - das ist mir wichtig.
Sie sind bekannt dafür, den verschiedenen Figuren unterschiedliche Stimmen zu geben. Welche ist denn die markanteste?
Kaminiski: Oh, da gibt es Einige. Das sind insgesamt 700 Figuren, die ich meistens spontan im Studio entworfen habe. Das habe ich nicht zu Hause geübt - das ist etwas, was aus der Geschichte heraus erwächst. Da gibt es ganz viele sehr markante Figuren. Es gibt wahnsinnig viele, die auch Biografien mitbringen, Verletzlichkeiten, Zorn, Schuldgefühle, große Kraft. Mir gefallen all diese Figuren und die markantesten, die mir am meisten Spaß gemacht haben, sind die, die in die 60 Jahre rücken vom Alter, also Figuren mit einer Lebenserfahrung, mit einer Rauheit in der Stimme. Und die Kinder sind mir auch sehr wichtig gewesen. Es waren teilweise Kapitel, die eine bizarre Anmutung von einem düsterem Kinderbuch hatten. Das sitzt alles ziemlich tief, und das hat mir viel Spaß gemacht und war alles markant, weil es etwas von mir entfernt war, aber trotzdem auch immer mit mir zu tun hatte. Denn es sind Anteile von mir, die in jeder Figur mitschwingen.
Das Gespräch führte Philipp Schmid.
