Preis der Leipziger Buchmesse: Das waren die Nominierten
Der Preis der Leipziger Buchmesse wird in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung vergeben. Hertha Gordon-Walcher. Der Lyriker Dinçer Güçyeter gewann mit seinem Debütroman "Unser Deutschlandmärchen" den Preis der Leipziger Buchmesse.
In der Kategorie Sachbuch siegte Regina Scheer mit ihrer Biografie "Bittere Brunnen" über die Sozialistin Hertha Gordon-Walcher. Den Preis für die beste Übersetzung gewann Johanna Schwering, die den Roman "Die Cousinen" von Aurora Venturini aus dem argentinischen Spanisch ins Deutsche brachte.
NDR Kultur stellt die Bücher und die nominierten Autorinnen und Autoren in der Kategorie Belletristik vor.
"Prana Extrem" von Joshua Groß
"Prana Extrem" ist eine Reise der Selbstwerdung. An einem unwirklichen Ort in den Alpen erzählt Joshua Groß von einer Gemeinschaft auf Zeit, die durch Liebe und Aufmerksamkeit einen Raum für ein anderes Miteinander entstehen lässt. Das Buch ist ein Versuch, die sich überstürzend verändernde Welt vielschichtig abzubilden und einen Ort zu schaffen, der einen Gegenraum zur Wirklichkeit bildet. "Skispringen im Treibhausklima, während die schönsten Frühlingstage verdächtig und die Libellen immer größer werden. Zeit für Lisa und Joshua, 'jeglicher Future-Flauheit abzuschwören', Allianzen zu schmieden und vom Meteoriten bis zum Chupa-Chup sämtliche verfügbaren Energien zu bündeln. Dazu gehören insbesondere auch die Kräfte der Kunst und eine leuchtende Sprache", schreibt die Jury.
"Monde vor der Landung" von Clemens J. Setz
Mit "Monde vor der Landung" stellt uns der österreichische Schriftsteller Clemens J. Setz den tragischen Eigenbrötler und Verschwörungstheoretiker Peter Bender vor. Er war Anhänger der sogenannten Hohlerde-Theorie und glaubte an sich als einen neuen Propheten. Setz rekonstruiert dieses Leben einfühlsam und ideenreich mit all den Kriegstraumata aus dem Ersten Weltkrieg, den Diskriminierungen zur Zeit der Weimarer Republik bis hin zur Vernichtung im Nationalsozialismus. Ein packendes Plädoyer für die Toleranz von Andersdenkenden. Oft sind nicht sie die Gefahr, sondern die Gesellschaft, in der sie leben.
"Die Verwandelten" von Ulrike Draesner
Ulrike Draesner schreibt immer wieder über die Folgen von Krieg, Flucht und Vertreibung. Auch in "Die Verwandelten" geht es im Kern darum. Die Anwältin Kinga erbt überraschenderweise eine Wohnung in Wrocław (Breslau). Dort hatte sich ihre verstorbene Mutter Alissa in ihren letzten Lebensjahren auf die Suche nach ihren schlesischen Wurzeln gemacht. Denn Alissa wurde in einem nationalsozialistischen "Lebensborn"-Heim geboren und später von einer Münchener Familie adoptiert. So verlor sie den Bezug zu Reni, mit der sie ihre ersten Lebensjahre verbrachte. Wie die Geschichten der beiden Frauen und Kinga zusammenhängen, das erzählt Ulrike Draesner atemlos und mitreißend auf über 600 Seiten. Dabei bewegt sich dieser Roman sprachlich auf höchstem Niveau: Draesner findet Worte für das Verstummen, mischt deutsche, polnische und schlesische Wörter und Redewendungen virtuos.
"Unser Deutschlandmärchen" von Dinçer Güçyeter
Dinçer Güçyeters erzählt in dem Roman "Unser Deutschlandmärchen" seine Familiengeschichte über mehrere Generationen. Seine Eltern ziehen nach Deutschland in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie schuften und sind sich nicht zu schade für unliebsame Jobs. Nach der Schule macht Dinçer eine Ausbildung zum Werkzeugmacher - mit Anfang 30 aber hängt er seinen Beruf an den Nagel, um Lyriker zu werden.
Dinçer Güçyeter findet magische, dichte, auch schmerzhafte Bilder für die Leben vieler Einwanderer. Für Heimatverlust, Rassismuserfahrungen und Neuanfänge. Wir lesen von einem Mann, der im Dazwischen denkt und lebt - zwischen deutschem Zuhause und türkischen Wurzeln. Spielerisch mischt der Autor Form und Inhalt. Genre-Regeln interessieren ihn nicht, die Konventionen des Literaturbetriebs sind ihm oft suspekt. Er schreibt aus sich selbst heraus. Seine Offenheit fühlt sich aufrichtig an.
"Aufklärung" von Angela Steidele
In Angela Steideles Roman "Aufklärung" geht es um Luise Adelgunde Gottsched, eine der gelehrtesten Frauen ihrer Zeit, die heute allerdings außerhalb der universitären Welt kaum bekannt ist. Sie war unglücklich in ihrer Ehe, fühlte sich durch die Eskapaden ihres Mannes gedemütigt und vor allem wollte sie nicht zu seiner Gehilfin und Zuträgerin bei seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen degradiert werden.
Angela Steidele hat die überlieferten Ereignisse sorgfältig hinterfragt, Unerwähntes aufgespürt und mischt in kluger Weise Verbürgtes und dazu Erfundenes in ihrem Roman. Die Gabe von Angela Steidele, Heutiges mit Historischem zu verknüpfen, lässt den Text vibrieren und die Bühne, auf der ihre Figuren auftreten, bebt immer wieder.