Japanischer Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe gestorben
Der Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe ist tot. Er wurde 88 Jahre alt. Der Schriftsteller berührte die Menschen nicht nur durch seine oft sehr persönlichen Werke. Er war auch einer der wenigen Kritiker des japanischen Nationalismus und engagierte sich gegen Atomkraft.
Kenzaburo Oe verneigt sich vor Publikum und stellt sich vor – aber nicht etwa als Schriftsteller, sondern vielmehr als Mitglied einer pazifistischen Organisation. Das war vor mehr als zehn Jahren und unterstreicht in gewisser Weise die Abkehr von einer Leidenschaft Oes, dem Schreiben, hin zu einer neuen Aufgabe: Japan weiterhin als ein pazifistisches Land zu erhalten: "Ich halte es für falsch, die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte ins Ausland zu schicken. Das dient nicht der Zukunft Japans", so Oe.
Ein Satz aus einer TV-Debatte 2003, als es um die Entsendung in den Nahen Osten ging. Eine Diskussion, die seitdem nochmal deutlich an Fahrt aufgenommen hat, seit Japan so viel Geld wie nie in die Rüstung stecken will. Mit der Meinung nie hinter dem Berg zu halten, war Kenzaburo Oe zeitlebens wichtig, wie er einmal sagte: "Das Wichtigste für einen Schriftsteller ist es, den Entschluss zu fassen, die Wahrheit mitzuteilen und dann diese Wahrheit in Worte zu fassen."
Kenzaburo Oes Roman "Reißt die Knospen ab" thematisiert Mobbing
Geboren als eines von sieben Kindern hat es Kenzaburo Oe zunächst nicht leicht. Früh verliert er Vater und Großmutter, die zu seinen wichtigsten Bezugspersonen zählen und wird in der Grundschule gemobbt. Beides verarbeitet er später in seinem Roman "Reißt die Knospen ab". Er begeistert sich für französische Literatur und wird 1958 noch als Student mit einem der renommiertesten japanischen Literaturpreise ausgezeichnet.
Beruflich erfolgreich, muss er privat sein Leben umkrempeln. Sein erstes und einziges Kind kommt geistig behindert zur Welt und bestimmt von da an seinen Tagesablauf. Seine Gefühle in dieser Zeit schreibt er auf und gewinnt damit erneut einen Literaturpreis.
Kampf gegen Atomwaffen und Atomkraft
Ebenfalls in den 60er-Jahren beginnt das politische Engagement des Schriftstellers. In Hiroshima, wo 1945 die Atombombe abgeworfen wurde, trifft er Opfer. Später wird er einmal sagen: "Wir müssen über eine atomwaffenfreie Welt nachdenken. Wenn Japan Ja zu Atomwaffen sagt, sind wir am Ende". Mit gleicher Vehemenz setzte er sich seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima gegen Atomkraft ein.
Literaturnobelpreis 1994 für Kenzaburo Oe
1994 erhält er den Literaturnobelpreis – zur Preisübergabe in Schweden nimmt er seinen behinderten Sohn mit. Trotz der großen Ehre für ihn, wird ihm in Japans Öffentlichkeit nur geteilte Ehre zuteil, denn Oe kritisiert nicht nur den zunehmenden Nationalismus in Japan, sondern richtet sich auch gegen das japanische Tenno-System.
Oft klingt Enttäuschung aus seinen Worten: "Wir wollten ein demokratisches Land schaffen, aber wir haben dieses Ziel vor 50 Jahren aufgegeben. Und haben stattdessen eine anti-demokratische Stimmung in Japan."
In Deutschland erschienen zuletzt "Der Tag an dem er selbst mir die Tränen abgewischt" und "Der nasse Tod". Sein Leben ist erloschen, aber sein Erbe lebt weiter – durch den Kenzaburo-Oe-Nachwuchspreis für junge Schriftsteller*innen.