Bücherhotel Literaturien bei Güstrow: Untertauchen zwischen Romanen
Ruhe. Bücher. Und noch mehr Bücher. Das Hotel Literaturien bei Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern ist das erste Bücherhotel Deutschlands. Zwischen Fantasy-Romanen, Ratgebern und Biografien können Gäste untertauchen.
Es ist ruhig im Bücherhotel "Literaturien" in Groß Breesen. Die Gäste vom Wochenende sind gerade abgereist. Erst in ein paar Stunden kommen die nächsten. Inhaberin Conny Brock kann einmal kurz durchatmen, bevor es weitergeht. 1988 verschlug es die studierte Germanistin ins alte Gutshaus nach Groß Breesen, das sie nach der Wende schließlich kaufte.
Für die Idee, ihr Zuhause zu einem Bücherhotel zu machen, sorgte ein damaliger Urlaub: "Ich hatte schon immer einen Faible für Bücher, fürs Lesen vor allen Dingen. Und fuhr 1995 oder 1996 nach Hay-on-Wye (ein Dorf in Wales, Anm. d. Red.) in das erste europäische Bücherdorf. Das war Zufall. Ich wollte nur wissen, wie das dort alles aufgebaut ist, weil ich einen unheimlich spannenden Artikel gelesen hatte. Ich kam zurück und wusste, ich würde mich gerne mit Büchern umgeben, aber nicht mit ihnen handeln", berichtet die Hotelbesitzerin.
Tauschsystem: Gäste bringen und nehmen Bücher mit
Den ersten Grundstock für ihre Sammlung erhielt Conny Brock aus Bibliotheken, die in der Nachwendezeit aufgelöst wurden. Seitdem sorgt ein Tauschsystem für ständigen Wechsel: Gäste geben eigene Bücher ab und nehmen sich aus der Bibliothek welche mit. 500.000 Bücher beherbergt das Hotel mittlerweile, schätzt die 62-Jährige. Nachgezählt hat sie nicht. Die meisten befinden sich unsortiert in Kisten und Regalen, in der Scheune, der Hotellobby, auf Fluren, in Kellern, der Teestube und im Restaurant. Lexikon neben Erziehungsratgeber, Künstler-Biografie neben Krimi.
Buch findet Leserin
Das vermeintliche Chaos hat einen Grund, erzählt Conny Brock: Gäste sollen sich vom Buch finden lassen. "So wie man in die Pilze geht, gehen die Leute hier in die Bücher und wissen nicht, in welchem Regal, in welcher Kiste was sein könnte. Das macht es ein bisschen spannender. Manch einer hat dadurch eine Begegnung mit einem Buch, was er sonst wahrscheinlich, wenn es sortiert gewesen wäre, nie hätte", erklärt Brock ihre Gedanken zu ihrem System.
Tochter Maxi Thomas: Aufwachsen zwischen Büchern
Wo in Literaturien keine Bücher stehen, finden sich stattdessen Tapeten, Wandbilder und Deko-Elemente mit Büchern darauf. In dieser Umgebung ist Connys Tochter Maxi aufgewachsen. Nach dem Abitur stieg sie mit der Ausbildung zur Hotelfachfrau ins Familiengeschäft ein: "Ich mag das Miteinander mit den Gästen. Die meisten kennen mich, seit ich ganz klein bin", sagt Maxi Thomas, die selbst am liebsten Fantasy-Romane liest.
Dass sich viele Hotelgäste trotz der übergroßen Auswahl ihr eigenes Buch von zu Hause mitbringen, ist für die 27-Jährige nur verständlich: "Wenn du liest, hast du immer ein Buch, was du gerade liest oder was du lesen willst oder wofür du mal Ruhe brauchst. Diese Bücher, die man so richtig genießen will oder die man zum zweiten Mal lesen will und dann wirklich mit Genuss, weil es so toll ist."
22 Zimmer für (überwiegend weibliche) Leseratten
22 Zimmer bietet das Hotel. Häufig sind es Stammgäste, die in Literaturien einchecken, erzählt Conny Brock, häufiger Frauen als Männer und - viele Alleinreisende: "Hier sitzt auch ein Ehepaar miteinander beim Essen und liest. Das ist völlig normal. Deswegen ist das für viele Alleinreisende eine schöne Auszeit, weil sie genau wissen, die anderen ticken ebenso."
Seit den Neunzigern habe sich das Konzept ihres Betriebes kaum verändert: Wichtige Termine im Jahr sind die Veranstaltungen: Lesungen, Konzerte und Feste rund um Literatur. Für die nächsten Jahre planen Conny Brock und Maxi Thomas mehr Angebote zum Thema Handarbeit. Denn das käme bei den Gästen sehr gut an. Mittlerweile hat es angefangen zu regnen - für eine Lesepause eigentlich ideal. Doch das können sich Mutter und Tochter heute nicht erlauben. Die nächsten Gäste warten bereits.