Gerhard Steidl: Bei jedem Buch von Auftrag bis Druck dabei
Der Steidl Verlag in Göttingen ist bekannt für seinen hohen Anspruch an Qualität. Fotografen, Künstlerinnen und Prominente aus der ganzen Welt wollen Bücher von Gerhard Steidl verlegen lassen - auch wegen seiner besonderen Arbeitsweise.
In Sekundenschnelle greifen Saugnäpfe leere Papierseiten und platzieren sie in der großen Druckanlage des Steidl Verlags in Göttingen. Verlag und Druckerei am gleichen Ort - das ist einzigartig, erzählt Verleger und Namensgeber Gerhard Steidl. Er genießt es, ein Buch vom Auftrag bis zum Druck zu begleiten. An jedem Schritt im Entstehungsprozess eines neuen Buches ist er beteiligt. "Es ist wie die Geburt eines Kindes. Man überlegt sich schon: Okay, da entsteht etwas, und das wird irgendwann allein in die Welt gehen", erklärt Steidl. "Das Buch und dieser ganze Entstehungsprozess ist für mich das Spannendste."
Ein ganzes Team entscheidet über ein Manuskript
Fotografen, Künstlerinnen und Autoren melden sich bei ihm und hoffen, in sein Buchprogramm aufgenommen zu werden. Die Vorauswahl der literarischen Werke treffen Lektoren wie Daniel Frisch. Auf seinem Schreibtisch landen wöchentlich bis zu zehn Manuskripte. "Wenn ich ein Manuskript lese und ich höre nicht, wie das Telefon klingelt, weil ich in dem Text drin bin, oder ich sitze im Zug und verpasse die Haltestelle, dann ist es meistens ein relativ gutes Zeichen", sagt Frisch. Ob ein Manuskript angenommen wird, entscheiden nicht allein die Lektoren, sondern ein ganzes Team, erklärt er.
Haben sich der Verlag und Autoren auf Konditionen geeinigt, beginnt der kreative Prozess. Für die Bildbände lädt Steidl die Künstlerinnen und Künstler zu sich nach Göttingen ein. "Ich stelle die Frage: Was ist die Vision von deinem Buch? Und dann fängt die Person an zu erzählen. Das ist der Beginn, dass wir zusammen nachdenken, wie das Buch später gestaltet wird, gedruckt wird und dann in der Buchbinderei zum fertigen Buch aufgebunden wird", sagt der Verleger.
Probeexemplare zum Anfassen
Zusammen mit den Künstlern entscheidet Steidl welches Papier, welche Schriftart und welches Layout am besten zum Buch passen. Die Buchbinderei gegenüber fertigt dann Probeexemplare mit leeren Seiten an. So kann Steidl haptisch überprüfen, ob das gewählte Format und das Papier passen. "Für einen Roman mit 700 Seiten, der durch den großen Umfang an sich schon schwer ist, muss man andere Materialien auswählen als für ein ganz dünnes Gedichtbuch mit vielleicht 16 Seiten. Und das kann man nur physisch ausprobieren, wenn man eine Handbinderei hat", erläutert er.
Bei den literarischen Werken sind die Lektoren immer mit den Autoren im Austausch. Daniel Frisch achtet zum Beispiel auch auf Termine und wird bei Fragen zum Cover von den Gestaltern miteinbezogen. "Die Zeit, in der diese Cover-Entwürfe gemacht werden, wenn sie hin und her geschickt und auch mit den Autoren diskutiert werden, ist eigentlich eine spannende Zeit", betont Frisch. Die Zeit, wenn sich das noch vage anfühlt und erst langsam die Buchform kriegt, sagt er.
"Es riecht so gut nach Farbe"
Eine Etage unter den Gestaltern und Lektoren rattern die Druckmaschinen. Hier wird die Farbe nass gedruckt. Das machen laut Steidl nur wenige. Denn die Druckbögen brauchen anschließend länger zum Trocknen. Diese Zeit nimmt sich Gerhard Steidl gerne. "Das langsame Trocknen der Bögen gehört bei mir zu den Vorteilen, weil es so schön im ganzen Haus riecht und auch meine Kleidung. Wenn ich abends nach Hause gehe, sagen die Leute, es riecht so gut nach Farbe. Diesen Genuss hat ein Digitaldrucker nicht."
Einzig für die Bindung der Bücher verlassen die Druckbögen den Verlag für kurze Zeit. Pro Jahr kommen so etwa 120 Bildbände und 30 literarische Titel aus dem Hause Steidl in die Welt.