Bildschöne Bücher: "Hierzulande" - Fotoreportagen von Robert Lebeck
Dass der Fotograf Robert Lebeck nicht nur ein Porträtist von Prominenten war, sondern auch ein brillanter Chronist seiner Zeit, zeigt der neue Bildband "Hierzulande" aus dem Steidl Verlag.
Karrieren wie diese sind heute kaum noch vorstellbar: Anfang der 1950er-Jahre brachte Robert Lebeck sich selbst bei, wie man mit einer Kamera umgeht. Und es dauerte nicht lange, bis er zu einem der bedeutendsten Fotografen der Bundesrepublik avancierte. Seine Bilder von Politikern, Operndiven und Filmstars gingen ins kollektive Gedächtnis ein.
Von Romy Schneider bis Konrad Adenauer
Robert Lebeck wirkte sein Leben lang wie ein großer, freundlicher Junge. Auch mit über 70 stand ihm das weiße Haar stachelig vom Kopf ab. In seinen Augen blitzte der Schalk. Sein Charme, sein Humor und sein unbekümmerter Plauderton sorgten dafür, dass Menschen sich in seiner Nähe wohl fühlten - und die Leica in seiner Hand vergaßen. Für Lebeck musste niemand posieren oder eine Rolle spielen. Kein Wunder, dass Romy Schneider ihm von Anfang an vertraute: "Die mochte mich auf Anhieb - und ich sie natürlich auch. Das sprang voll über, im Nu, durch einen Blick", erinnerte der Fotograf sich später an seine erste Begegnung mit der Schauspielerin. Die Nähe zwischen den beiden ist auf den Bildern zu spüren. Mehr noch: Sie überträgt sich. Wenn Romy Schneider mit einer Zigarette zwischen den Zähnen Lebeck zuzwinkert, scheint es, als würde sie ihr verschwörerisches Lächeln auch mit den Betrachterinnen und Betrachtern des Fotos teilen.
Lebecks Fähigkeit, seine Kamera unsichtbar zu machen oder - wie er es nannte - "Bilder zu stehlen", zeigt sich nicht nur auf den Porträts von Stars wie Maria Callas, Elvis Presley oder Alfred Hitchcock. Auch Politiker offenbarten ihm ganz private Seiten. 1966 fotografiert er den 90-jährigen Konrad Adenauer. Obwohl - oder gerade weil - der größte Teil des Gesichts vom Rücken seines Gesprächspartners verdeckt wird, fängt Lebeck den Adlerblick des ehemaligen Bundeskanzlers ein. Ein Porträt, in dem sich der unbedingte Wille zur Macht spiegelt, der Adenauer auch nach seinem Rückzug aus der Politik ins Gesicht geschrieben steht.
Fotoreportagen aus und über Deutschland
Aber der Fotograf interessierte sich nicht nur für Prominente. 1955 beobachtet er mit seiner Kamera die Ankunft der letzten Spätheimkehrer im Lager Friedland: Seine Bilder zeigen die Spuren, die zehn Jahre russischer Gefangenschaft hinterlassen haben. Ausgehungert und mit leeren Blicken begegnen die Männer ihren Familien: Frauen und Kindern, denen sie fremd geworden sind.
Gleichzeitig feiern die Westdeutschen ihr Wirtschaftswunder: 1955 fotografiert Lebeck in Altenahr Busladungen von Vergnügungswilligen, die das Städtchen heimsuchen, um sich gepflegt zu betrinken. "2.000 betrunkene Touristen, meist aus Aachen, stellten fünf Stunden lang jede Ordnung auf den Kopf und versuchten, das Rathaus zu stürmen", berichtet seinerzeit die "Bild"-Zeitung.
Mit liebevoll-ironischem Blick hält Lebeck die Trinkgelage und Knutschereien von braven Bürgern fest: Männer und Frauen, die im Alltag wahrscheinlich die Fahne von Sitte und Anstand hochhalten.
Aufnahmen, die den Zeitgeist einfangen
Der Bildband "Hierzulande" versammelt Fotos aus drei Jahrzehnten bundesrepublikanischer Geschichte. Lebecks Schwarz-Weiß-Aufnahmen fangen den Zeitgeist ein. Egal, ob er die Nacktbade-Schickeria auf Sylt in den Fokus nimmt oder eine alte Dame, die bei Woolworth Schlüpfer im Sonderangebot kauft: Niemand vermag wie er, das Lebensgefühl der großen und der kleinen Leute spürbar zu machen. Und Bilder zu schaffen, die auch Jahrzehnte später noch den Geruch der Bonner Republik atmen.
Hierzulande
- Seitenzahl:
- 192 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Steidl
- Bestellnummer:
- 978-3-96999-215-9
- Preis:
- 35 €