Comic-Salon Erlangen: Wie ein kunterbuntes Klassentreffen
Zum 21. Mal trafen sich Künstler, Fans und Verlage beim Internationalen Comic-Salon in Erlangen - auch die norddeutsche Szene war vertreten. Für die einen ist es eine Art Bildungsurlaub, für andere eine großartige Chance.
Jubiläum in Erlangen. Vor 40 Jahren gegründet, zieht die Messe immer mehr Comic-Interessierte und -Macher an. In den vergangenen Jahren war es stets sommerlich an den vier Tagen Ende Mai, Anfang Juni. Bei dieser Ausgabe machte der Regen den Organisatoren und Gästen einen Strich durch die Rechnung - aber nur meteorologisch. Die Stimmung war in Anbetracht von vier zum Bersten gefüllten Tagen wie immer hochsommerlich.
Tanja Esch: Preisträgerin aus Hamburg
Für deutschsprachige Verlage ist der Salon seit jeher ein Muss. Aus Hamburg-Altona war etwa der eher kleinere Verlag Schreiber & Leser gleich beim Eingang in Halle B vor Ort. "Die Stimmung bei uns ist wirklich sehr gut", sagt Verlagschef Philipp Schreiber. Er hatte den Zeichner Ruben Pellejero dabei. Der Spanier setzt die Kultreihe Corto Maltese fort. "Die Fans stehen Schlange und man schaut in glückliche Gesichter und strahlende Augen, wenn sie dann mit einer Zeichnung von dannen ziehen. Das ist für mich der eigentliche Belohungsmoment."
Mehr als 500 internationale und nationale Zeichner hatten sich angekündigt. Und so blieb es nicht aus, dass man auf den Wegen durch die Erlanger Altstadt zwischen Ausstellungen, Podiumsgesprächen und Workshops den einen oder anderen Star der Szene traf, wie zum Beispiel den Franzosen Joann Sfar oder den Kölner Ralf König. Aber auch norddeutsche Künstlerinnen und Künstler, allen voran die frisch gekürte Max-und-Moritz-Preisträgerin Tanja Esch aus Hamburg: "Ich hab' nicht damit gerechnet und es war sehr überraschend. Ich freue mich natürlich riesig."
Comic-Fans mit Signierstunden und Gesprächen begeistern
Aber auch andere Zeichnerinnen und Zeichner aus dem Norden nahmen sich Zeit, ihren Fans oder Liebhabern kleine Erinnerungen bei Signierstunden geduldig in ihre Veröffentlichungen zu zeichnen. "Ich hab jeden Tag eine für 'Future is …'“, erzählt Maren Amini aus Hamburg-St. Pauli. Dazu kommen noch andere Pläne: "Ich habe auch vor, ein bisschen rumzugucken und Freunde zutreffen. Es ist eine totale Reizüberflutung. Alles sieht so cool aus." Die Hamburgerin Wiebke Bolduan organisiert das Comicfestival in der Hansestadt mit und hat gerade ihre Graphic Novel "Victoria Aal" veröffentlicht. Sie findet: "So ein Zusammenkommen, das braucht auch die Szene einfach sehr doll und man kann dann wieder die nächsten zwei Jahre davon zehren."
Die ganze Bandbreite des Comics in einer Stadt
So geriet schon das Aussteigen auf dem Erlanger Bahnhof für viele zum Erlebnis. "Ich musste erstmal zehn Minuten am Stück grinsen", gesteht Kathrin Klingner, sie ist ebenfalls in Hamburg beheimatet: "Ich freu' mich immer sehr, wenn ich hier bin, weil man doch nicht so oft alle trifft. Es ist wie so ein Klassentreffen - aber nur mit den netten Leuten aus der Klasse."
Sascha Hommer, Dozent für Graphisches Erzählen an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ist schon ein alter Hase beim Salon. Seit 20 Jahren kommt er nach Erlangen: "Ich finde ja, dass das Festival einen Riesenschritt gemacht hat mit der Entscheidung, auch in der Innenstadt präsent zu sein. Mein Eindruck ist, dass der Salon, das, was er sich selbst vornimmt, hervorragend einlöst, nämlich: die ganze Bandbreite des Comics darzustellen."
Comic-Seminar holt große internationale Comic-Talente nach Franken
"Es ist wahnsinnig bunt dieses Jahr", resümierte Katinka Kornacker vom Comic-Buchladen "COMIX" in Hannover. "Diese Vielzahl, die im Comic hier dargestellt wird, liebe ich jedes Mal - auch, dass man auf der Straße keine zehn Meter kommt und das nächste bekannte Gesicht trifft." Sie sitzt auch in der Jury des Max und Moritz-Preises 2024 und entscheidet zum Beispiel mit, wer bester deutschsprachiger Comic wird. "In dem Moment, wo ich die Comics zugeschickt bekomme und wir uns in Erlangen treffen, ist das schon eine Verantwortung, aber interessanterweise ist es danach für mich erledigt."
Vor dem Comic-Salon findet traditionell das Comic-Seminar statt, das dann mit einer großen Ausstellung in den Salon einfließt. Dozent in diesem Jahr: David von Bassewitz aus Lübeck. Für den in Erlangen aufgewachsenen Zeichner, unter anderem der Graphic Novel "Stockhausen", ist der Comic-Salon ein Heimspiel: "Schon als neunjähriger Pimpf bin ich an der Hand meines Vaters hier durch - und da hat's mich komplett geflasht“. Kein Wunder, sagt er, wenn Salon sei, "bin ich der glücklichste Mensch der Welt".
Geleitet wird das Comic-Seminar seit fünf Jahren von Ralf Marczinczik. Der aus dem ostfriesischen Leer kommende Illustrator und ehemalige Art Director sorgt mit dem Seminar dafür, dass frischer Nachwuchs auf den Comic-Markt fließt. Ihm fehlen solche Treffen im Norden: "Das wäre großartig, wenn wir ein bisschen weiter oben im Norden so etwas wie hier kultivieren könnten. Die norddeutsche Küstenkunst-Szene ist wahnsinnig lebendig."
Comics bringen viele Menschen zusammen
Auch wenn zwei von drei verkauften Comics derzeit Mangas sind, ist diese Sparte doch vergleichsweise weniger vertreten. Mit dem Hamburger Altravers Verlag ist einer der wichtigsten Manga-Verlage in Deutschland mit einem großen Stand präsent. Die Hamburgerin Mangaka Olschi ist zum ersten Mal beim Erlanger Comic-Salon: "Ich finde es supergemütlich und sehr spannend. Einfach deswegen, weil ich ja normalerweise nicht so vertraut bin mit der Comic-Szene, sondern eher mit der Manga-Szene. Für mich ist es auch ein bisschen wie ein Bildungsurlaub. Aber es ist auch sehr gefährlich, weil ich jetzt schon viel Geld dagelassen habe, für Bücher." Und so bieten die Erlanger Organisatoren neuen wie alten Hasen offene Arme, egal ob Freak, Nerd, Talent oder Interessierte - Comics bringen viele Menschen zusammen.