Comic-Legende Ralf König: "Ich bin ein Meister im Klauen"
Das neue Buch von Ralf König heißt "Harter Psücharter". Im Gespräch erzählt der Zeichner von seiner Angst Fahrräder zu zeichnen und was ihm an den jungen Comic-Machern fehlt.
Seit über 40 Jahren zeichnet Ralf König Comics. In der Schwulenszene genießt der mittlerweile 63-Jährige Kultstatus - aber nicht nur da. Nun ist mit"Harter Psücharter" der dritte Teil seiner Facebook-Strips um sein Alter-Ego-Paar Konrad und Paul in Buchform erschienen. Ein Gespräch mit dem produktiven Zeichner über Disney-Autos, Schlabbersofas und die Nibelungen.
Als Kind sind Sie beim Zeichnen an Donald Ducks Entenschnabel verzweifelt. Was sind heute ihre Herausforderungen?
Ralf König: Alles, was mit Perspektive zu tun hat. Alles, was mit Dingen zu tun hat, die einen fortbewegen: Autos, Autobusse, Mopeds, Fahrräder, sogar Pferde. Aus irgendeinem Grund ist das nicht so einfach. Da bin ich aber auch hemmungslos. Ich gucke natürlich im Internet, wie sieht das aus? Ich druck' das aus, wenn ich ein Moped brauche und dann pause ich das durch. Also ich bin ein Meister im Klauen. Ich wüsste gar nicht, warum ich das alles entwerfen sollte. Autos habe ich immer schwierig gefunden. Ich hatte sogar lange dieses Donald-Duck-Auto von Disney als Vorlage. Wenn ich ein Auto gebraucht habe, dann war das immer so ein rundes Gefährt mit zu dicken Reifen - fand ich als Comic-Auto ziemlich gut. Aber ich habe da gar keinen Ehrgeiz, jetzt tolle Autos zu zeichnen oder so. Es gibt schon Herausforderungen.
Ich bin auch kein leidenschaftlicher Zeichner. Ich bin eher Autor. Die Dialoge und die Story, das ist für mich das, was mich antreibt. Die Zeichnung ist nur Mittel zum Zweck. Am liebsten hab ich es, wenn die Figuren einfach auf irgendeinem Schlabbersofa sitzen und sich unterhalten und dann die Hälfte des Panels mit einer Sprechblase voll ist, dann bin ich zufrieden. Ich zeichne gerne, aber es sollte nicht so kompliziert sein.
Bei den vier Bildern pro Strip kommt es auf das Timing, den Rhythmus und die Balance zwischen Text und Zeichnung an...
König: Ja, das stimmt alles, aber das habe ich überhaupt nicht im Kopf. Es ist mir irgendwie gegeben, Dialoge zu schreiben. Gerade bei Konrad und Paul, die ich ja nun schon seit 1998 oder so bediene. Gerade mit Konrad und Paul, da höre ich nur noch zu. Das sagen, aber wirklich alle Comiczeichner. Charles Schulz hat das auch gesagt, wenn man solche Charaktere hat, die so eingeführt sind, wie Charlie Brown und Linus und Lucy, dann hört man denen nur noch zu. So geht es mir mit dem Konrad und Paul auch. Also nicht nur mit den beiden, sondern mit allen, die da irgendwie sind. Die haben alle ihren festen Charakter und das fällt mir sehr, sehr leicht, diese Dialoge zu schreiben.
Mit Timing hat es natürlich zu tun. Da bin ich auch pingelig. Also wenn ich merke, die Sprechblase ist ein bisschen zu lang, und die Pointe leidet, weil das letzte Wort nicht dies ist, sondern das, dann scheue ich keine Mühen, die Sprechblasen mehrmals zu überkleben. Ich mache ja nichts mit Technik. Das stimmt schon, reduzieren und kürzen ist ganz wichtig dabei. In meinen früheren Comics aus den 90er- und 80er-Jahren habe ich oft viel zu viel Text in den Sprechblasen, ganz überflüssige Sachen. Und das macht das Lesen - unbewusst - für den Leser ein bisschen uninteressanter. Besser, wenig Worte.
Was macht denn Konrad und Paul so extrem anziehend für Sie, dass Sie nicht loslassen können?
König: Ich fürchte, da sind so zwei Seelen in meiner Brust von Anfang an gewesen. Der Paul ist so ein bisschen diese kleine Leder-Drecksau, der lässt nichts anbrennen. Der kifft - darf man ja jetzt inzwischen sagen -, der schreibt irgendwelche blöden Science Fiction- und Fantasy-Romane, so verdient er ein bisschen Geld - das wird gar nicht so auserzählt, wie berühmt er ist. Es macht mir einfach Spaß, diese Fantasien zu zeichnen, die er hat. Und dann der Gegensatz dazu: Konrad, der ein bisschen seriöser ist und so ein Feingeist. Der ist Klavierlehrer. Er hat's sowieso mit klassischer Musik, geht oft in Konzerte und ist jemand, der diesem wilden Sex, den Paul da immer anstrebt, das ist dem eigentlich eher fremd. Und diese beiden Charaktere findet man in schwulen Beziehungen häufig.
Es ist eine Blaupause von meiner ersten Beziehung. Damals, in den Achtzigern, war ich mit einem Mann zusammen, der Hartmut hieß und heißt. Der war zehn Jahre älter als ich. Ich wusste da mit meinem Leben überhaupt noch nicht wohin. Ich war Anfang 20 und ich hatte lange Haare und keinen Plan. Er war Innenarchitekt und schon sehr gefestigt, ging morgens mit Krawatte zur Arbeit. Das passte überhaupt nicht, aber es war damals schon sehr spannend zu beobachten, wie sich diese Gegensätze trotzdem gegenseitig faszinierten und die Beziehung hielt - immerhin 13 Jahre. Und ich bin heute noch sehr gut mit ihm befreundet.
Wie schnell können Sie, wenn Sie die Geschichten im Kopf haben umsetzen?
König: Ich mache das ganz spontan. Ich folge keinem Plan, das ist schon mal das erste Geheimnis. Ich würde jedem Comiczeichner, der damit anfängt, raten, keinen Plan zu haben. Damit verrennt man sich vielleicht auch mal und ist in einer Sackgasse mit der Story, wo man nicht rauskommt. Das ist mir früher ganz oft passiert. Aber es macht so viel Spaß nicht zu wissen, was auf der nächsten Seite eigentlich genau passiert. Die meisten Zeichner machen das so, die schreiben erst den Dialog auf und feilen daran rum und dann fangen sie an zu zeichnen - das würde mich wahnsinnig langweilen. Ich muss selbst überrascht sein. Dann macht es Spaß. Deswegen bin ich auch schnell.
Ich bin sowieso ein schneller Zeichner, glaube ich. Wenn ich das so im Vergleich zu meinen Kollegen sehe, bin ich relativ schnell. Und gerade bei Konrad und Paul, bei diesen kurzen Comicstrips, da ist ja immer die gleiche Kulisse. Also Paul besucht seinen Vater im Altenheim, der Vater sitzt im Sessel, dem ziehe ich manchmal ein anderes Hemd an, aber die Zeichnung an sich, ist schon sehr ähnlich dem, was ich immer vorher gemacht hab - bei den Peanuts ja es ja auch so. Snoopy sitzt immer auf der Hundehütte, und das ist ja immer das gleiche Bild im Grunde. Mir kommt es wirklich fast nur auf die Dialoge an und dann noch nicht zu wissen, wo es hingeht. Jeden Tag sich überraschen zu lassen, das ist für mich eine große Freude. Und offenbar überträgt sich das auch auf die Leser.
Sie sind jetzt schon über 40 Jahre dabei. Wenn Sie zurückschauen, wie würden Sie die Entwicklung des Comics in Deutschland beschreiben?
Als ich damals anfing und den ersten Erfolg einfuhr, da waren wir zu dritt: Das war Brösel mit seinem Werner, das war Walter Moers und das war ich. Wir waren so ein Triumvirat - und sonst gab es nicht so viel Drumherum. Das hat sich natürlich total geändert. Es gibt inzwischen so viele Zeichner und Zeichnerinnen. Comics für Erwachsene - das war Schweinkram, das war Crumb. Es waren die amerikanischen Underground-Comics, die mich damals sehr geprägt und fasziniert haben.
Heute sind Comics für Erwachsene oft so mit Anspruch, diese Graphic-Novel-Sachen und dann ganz viel so Biografien, wie zum Beispiel die Lebensgeschichte von Otto von Bismarck - die es nicht gibt. Das ist mir echt zu steif. Wenn ich ein Buch über Otto von Bismarck lesen wollte, dann lese ich dann doch lieber ein Buch. Ich verstehe diesen Hang nicht, da noch Bilder zu produzieren und das als Comic zu lesen. Also mir wäre das zu öde. Ich vermisse so ein bisschen das Freche und Frische und das, was sich was wagt und was vielleicht auch mal was macht, wo sich Leute empören könnten. Das lässt leider so ein bisschen nach.
Ich habe damals kleine, schwule, dreckige Comics für kleine schwule, dreckige Verlage gezeichnet und das haben die Leute gelesen, die es lesen wollten. Inzwischen ist es mit dem Internet so: Man postet was, und es lesen ganz viele, die das Scheiße finden. Dann kriegt man sofort Gegenwehr und vielleicht auch unangenehmen Shitstorm, oder was auch immer. Und das hält, glaube ich, viele junge Talente davon ab, überhaupt anzufangen. Das ist erschreckend. Aber ich kann es mir nur so erklären. So richtig böse Satire und ironischen Humor und Sarkasmus und so, das ist leider nach meiner Beobachtung ein bisschen auf dem Rückzug. Das finde ich nicht gut für eine Gesellschaft, wenn so Selbstironie, die Lockerheit und das Drüberlachen, das Augenzwinkern und solche Dinge, dass das so aufhört. Das alles so Bierernst genommen wird und sofort gestritten wird, dass ist eines der Zeichen, das irgendwas nicht in Ordnung ist.
"Harter Psücharter" ist jetzt frisch erschienen. Woran arbeiten Sie gerade?
König: Ich arbeite gerade an den Nibelungen, wo ich mir echt was auf den Tisch gelegt habe, das ist ja nun mal sowieso ein Epos. Ich habe aber so viele Ideen dazu. Ich dachte, das muss ich machen. Das geht mir auch schon bestimmt seit 15 Jahre durch den Kopf, dass ich das mal machen will. Die urdeutsche Sage von Mord, Rache und Gemetzel - bei mir aber ganz ohne Mord, Rache und Gemetzel. Nicht mal der Drache stirbt. Die sollen sich alle lieb haben. Trotzdem wird es, glaube ich, ganz lustig.
Da sind jede Menge schwierige Dinge zu zeichnen drin: Pferde, Perspektive, Burgen, Schlösser, diese ganzen Kostüme und so. Es ist so viel schneller einen Konrad und Paul-Comic zu zeichnen als das. Vielleicht ist es auch das letzte Mal, dass ich so eine lange Geschichte mache, die eben nicht vorher online veröffentlicht wird, sondern die dann als Buch rauskommt, dann wieder zwei Wochen im Gespräch ist und das war es dann schon wieder. Der Unterschied ist schon krass, aber ich wollte das machen. Und dann muss ich es auch machen.
Das Interview führte Mathias Heller.