"Der Prophet", "Fungirl", "Crossing Borders": Graphic Novels im März
Mathias Heller stellt drei Neuerscheinungen vor, die auf den ersten Blick gar nichts gemeinsam haben - bis man merkt, dass alle drei Comics besondere graphische Erzählungen sind.
"Fungirl": Grotesk, aberwitzig und unglaublich sympathisch
Eine junge Frau sucht einen Job - notgedrungen, denn ohne Geld läuft nichts. Sie ist eher faul. Wenn sie Dinge unternimmt, dann nur welche, die ihr Spaß machen: Skateboard fahren, träumen und masturbieren. "Fungirl" heißt dieses Geschöpf der Comic-Evolution - mit einem wirklich kreisrunden Gesicht, zwei Kulleraugen und einer Stirnfalte, die an ein Christuskreuz - nur umgedreht - erinnert.
Ihr Leben in der kleinen WG mit Becky, mit der sie schon mal was hatte, und Peter, Beckys Freund, mit dem sie noch nichts hatte, ist geprägt von Selbstliebe-Attacken und Schnorrereien. Zudem scheint sie mit Ungeschicklichkeit gesegnet zu sein. Da geht schon mal beim neuen Arbeitgeber, einem Bestatter, eine Leiche in Flammen auf.
Grotesk, aberwitzig und unglaublich sympathisch zeigt uns Elisabeth Pich diese herzensgute Loserin im schnörkellosen bunten Cartoon-Stil. Bunt, frech und ein bisschen subversiv. Die Graphic Novel der Deutsch-Amerikanerin, die in Saarbrücken wohnt, erschien vor drei Jahren erst in den USA, später in Frankreich und Italien, dann in Kanada - und nun beim Schweizer Verlag Edition Moderne. Was für ein Glück, denn sonst bliebe uns dieses zutiefst menschliche Fungirl, so auch der Titel, vorenthalten.
"Der Prophet": Alter Text mit frischen Bildern
Vor 100 Jahren erschien das Buch "Der Prophet" des Dichters und Philosophen Khalil Gibran und wurde zu einem der am meisten übersetzten und verkauften Bücher aller Zeiten. Nun liegt es als Graphic Novel vor. Gezeichnet, oder besser: mit dem Stift mitphilosophiert hat es die in Frankreich lebende Libanesin Zeina Abirached. Im Stil erinnert es teilweise an "Persepolis" von Marjane Satrapi.
In Schwarz-Weiß gehalten, wird die Geschichte von Almustafa erzählt, der zwölf Jahre auf die Ankunft eines Schiffes wartet, um dann kurz vor seiner Abfahrt mit den Bewohnern in philosophische Gespräche zu versinken. Alles wirkt gekonnt graphisch: Formen, Figuren, selbst die Texte fließen rhythmisch durch die knapp 370 Seiten. Ein alter Text, der durch seine frischen Bilder viel Ruhe, Entschleunigung und Nachdenkenswertes entfaltet.
"Crossing Borders": Ein sehr europäischer Manga
Schüchterner Junge mit großem Zeichentalent trifft auf hübsches Mädchen mit über einer Million Instagram-Followern. Was zuerst nach einer ziemlich flachen, überzogenen und auch extrem langweiligen Story klingt, hat mehr zu bieten. Entwickelt und gezeichnet hat sie der Münchner Dominik Jell. Sein Beruf: Tätowierer und Mangaka. Seine Erzählweise: "So realistisch wie möglich. Das war für mich der Anspruch: Nichts passiert, was nicht auch so im echten Leben passieren könnte", so Jell.
Die beiden Protagonisten tragen jeweils einen ordentlichen Rucksack an bereits unschönen Erfahrungen, die in Verletzungen und Rückzug geendet haben. Zeichnerisch ist dieser Manga sehr europäisch, weg vom Kulleraugen-Girl und hechelndem Pennäler. Details und organische Dialoge machen diesen Manga für noch nicht infizierte Fans zu einem Einstieg oder Highlight.