Einblicke in Christoph Bungartz' Bücherregal
Seit zehn Jahren geht "Der Norden liest" auf Lesereise. Zahlreiche Autoren haben in dieser Zeit ihre Bücher präsentiert. Es waren komische, nachdenkliche, unterhaltsame und immer ganz besondere Abende. Christoph Bungartz, Moderator des Kulturjournals und gemeinsam mit Julia Westlake Gastgeber der Lesereise, hat uns anlässlich des Jubiläums einen Blick in sein Bücherregal werfen lassen und uns von seinen Highlights aus "Der Norden liest" erzählt.
Welches Buch ist in zehn Jahren "Der Norden liest" am meisten in Erinnerung geblieben?
Christoph Bungartz: "Doitscha" von Adriana Altaras. Wobei ich Buch und Autorin nach dem tollen Gespräch in Hannover nicht mehr so recht trennen kann. Sie schreibt und redet so unbefangen, lustig und doch tiefernst über das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden – das hab ich woanders bisher weder gelesen noch erlebt.
Und auf welche Veranstaltung freuen Sie sich im Jubiläumsjahr besonders?
Bungartz: Auf den Abend mit Feridun Zaimoglu. Ich war diesen Sommer in Istanbul – dort spielt sein historischer Roman "Siebentürmeviertel". Es wird bestimmt ein anregender Abend über die Türkei damals und heute. Und über ein atemloses, sprachgewaltiges Buch. Es liegt gerade auf meinem Nachttisch.
Welcher Künstler hat Ihnen den spannendsten Abend bei "Der Norden liest" bereitet?
Bungartz: Es war ein Abend in Göttingen: Martina Gedeck las aus dem Buch von Peer Meter über die Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried. Dazu zeichnete Barbara Yelin live auf dem Overhead-Projektor ein Porträt dieser unglücklichen-unheimlichen Frau aus dem 19. Jahrhundert. Das allein hatte schon was - und dann ein sehr intensives Gespräch mit allen dreien, Schauspielerin, Autor, Zeichnerin, über Wahnsinn, Verbrechen und die Unbarmherzigkeit der Gesellschaft, es war mucksmäuschenstill im Saal. Solche Momente vergisst man nicht.
Von welchem Abend waren Sie überrascht?
Bungartz: Ich erinnere mich gern an Günter Grass. Unnahbarer Nobelpreisträger? Nichts davon. Meine erste Aufregung als Moderator war völlig unnötig.
Wen möchten Sie gerne (noch einmal) bei "Der Norden liest" begrüßen?
Bungartz: Chris Howland hätte ich gern noch einmal eingeladen, es war großartig, mit ihm über sein Leben zu reden und seine Anekdoten zu hören. Leider liest er jetzt schon den Engeln vor.
Die Lesungen finden immer an einem anderen Ort statt. Welche Location hat einen besonderen Eindruck hinterlassen?
Bungartz: Das Theater in Parchim. Ein Stück erhaltener DDR-Geschichte - dort haben wir mit Leander Haußmann über seine Jahre vor der Wende gesprochen, er war als unliebsamer Jungschauspieler nach Parchim "versetzt" worden. "Der Norden liest" hat ihn ein Vierteljahrhundert später wieder an diesen Ort gebracht. Das hat ihn gepackt. Und das Publikum und den Moderator auch.
Ein Blick ins private Buchregal: Was war Ihr Buch-Highlight 2014/1015?
Bungartz: "Kruso" von Lutz Seiler und "Unterwerfung" von Michel Houellebecq.
Wie heißt das Lieblingsbuch aus Kindertagen?
Bungartz: "Kater Mikesch". Meine Eltern lasen mir zum Beispiel den "Struwwelpeter" vor. Aber es gab auch zu meiner Zeit schon Hörbücher, die waren noch aus Vinyl. Ich erinnere mich an viele Nachmittage mit der "Schatzinsel", immer wieder von vorn. Meinen Kindern habe ich die "Olchis", das "Sams", "Die wilden Kerle", aber auch Bücher über Bagger und Nutzfahrzeuge vorgelesen, wobei sich mein Sohn besonders für Gebrauchsanweisungen und den Aufbau von Maschinen interessierte.
Welches Buch wollten Sie schon immer mal lesen?
Bungartz: "Tristram Shandy" von Lawrence Sterne. Diesen Herbst erscheint eine neue Übersetzung, vielleicht schaff ich's ja.
Welche drei Bücher würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen und welche muss zu Hause bleiben?
Bungartz: Gedichte von Eichendorff, "Moby Dick" von Herman Melville und die Bibel kommen mit. So manches von Thomas Mann bleibt daheim.
Lesezeichen oder Eselsohr?
Bungartz: Eselsohr für "gute Stelle", Lesezeichen für "Wo waren wir stehen geblieben?"
Papier oder E-Book oder Hörbuch - und vor allem wo?
Bungartz: In dieser Reihenfolge. Am liebsten auf dem Sofa oder im Bett.
Eine Frage zu Büchern, die Ihnen schon immer gestellt werden sollte:
Bungartz: Wann schreibst du selbst mal eins? Die Antwort lautet: Muss nicht sein, es blamieren sich schon genug Leute auf dem Buchmarkt.
Das Interview führte Nicola Millies, NDR.de