Stand: 06.10.2015 15:05 Uhr

Einblicke in Christoph Bungartz' Bücherregal

von links: Christoph Bungartz und Günter Grass  Foto: Stefan Albrecht
"Der Norden liest" mit Günter Grass - ein Highlight für Gastgeber Christoph Bungartz (links).

Seit zehn Jahren geht "Der Norden liest" auf Lesereise. Zahlreiche Autoren haben in dieser Zeit ihre Bücher präsentiert. Es waren komische, nachdenkliche, unterhaltsame und immer ganz besondere Abende. Christoph Bungartz, Moderator des Kulturjournals und gemeinsam mit Julia Westlake Gastgeber der Lesereise, hat uns anlässlich des Jubiläums einen Blick in sein Bücherregal werfen lassen und uns von seinen Highlights aus "Der Norden liest" erzählt.

Welches Buch ist in zehn Jahren "Der Norden liest" am meisten in Erinnerung geblieben?

Christoph Bungartz: "Doitscha" von Adriana Altaras. Wobei ich Buch und Autorin nach dem tollen Gespräch in Hannover nicht mehr so recht trennen kann. Sie schreibt und redet so unbefangen, lustig und doch tiefernst über das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden – das hab ich woanders bisher weder gelesen noch erlebt.

Und auf welche Veranstaltung freuen Sie sich im Jubiläumsjahr besonders?

Bungartz: Auf den Abend mit Feridun Zaimoglu. Ich war diesen Sommer in Istanbul – dort spielt sein historischer Roman "Siebentürmeviertel". Es wird bestimmt ein anregender Abend über die Türkei damals und heute. Und über ein atemloses, sprachgewaltiges Buch. Es liegt gerade auf meinem Nachttisch.

Weitere Informationen
Doris Dörrie, Thees Uhlmann und DominiqueHorwitz (Bildmontage) © 2012 Constantin Film Verleih GmbH/Dieter Mayr, Anke Neugebauer, Ingo Pertramer

Das war: Zehn Jahre "Der Norden liest"

Das NDR Kulturjournal packte die Koffer und ging zum zehnten Mal auf Lesereise. Thees Uhlmann, Dominique Horwitz, Harald Martenstein und viele andere waren im Jubiläums-Jahr dabei. mehr

Welcher Künstler hat Ihnen den spannendsten Abend bei "Der Norden liest" bereitet?

Bungartz: Es war ein Abend in Göttingen: Martina Gedeck las aus dem Buch von Peer Meter über die Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried. Dazu zeichnete Barbara Yelin live auf dem Overhead-Projektor ein Porträt dieser unglücklichen-unheimlichen Frau aus dem 19. Jahrhundert.  Das allein hatte schon was - und dann ein sehr intensives Gespräch mit allen dreien, Schauspielerin, Autor, Zeichnerin, über Wahnsinn, Verbrechen und die Unbarmherzigkeit der Gesellschaft, es war mucksmäuschenstill im Saal. Solche Momente vergisst man nicht.

Von welchem Abend waren Sie überrascht?

Bungartz: Ich erinnere mich gern an Günter Grass. Unnahbarer Nobelpreisträger? Nichts davon. Meine erste Aufregung als Moderator war völlig unnötig.

Wen möchten Sie gerne (noch einmal) bei "Der Norden liest" begrüßen?

Bungartz: Chris Howland hätte ich gern noch einmal eingeladen, es war großartig, mit ihm über sein Leben zu reden und seine Anekdoten zu hören. Leider liest er jetzt schon den Engeln vor.

Die Lesungen finden immer an einem anderen Ort statt. Welche Location hat einen besonderen Eindruck hinterlassen?

Bungartz: Das Theater in Parchim. Ein Stück erhaltener DDR-Geschichte - dort haben wir mit Leander Haußmann über seine Jahre vor der Wende gesprochen, er war als unliebsamer Jungschauspieler nach Parchim "versetzt" worden. "Der Norden liest" hat ihn ein Vierteljahrhundert später wieder an diesen Ort gebracht. Das hat ihn gepackt. Und das Publikum und den Moderator auch.

Ein Blick ins private Buchregal: Was war Ihr Buch-Highlight 2014/1015?

Redaktionsleiter und Moderator Christoph Bungartz. © NDR Foto: Fabian Döring
Liest beruflich und privat sehr gerne: Dr. Christoph Bungartz.

Bungartz: "Kruso" von Lutz Seiler und "Unterwerfung" von Michel Houellebecq.

Wie heißt das Lieblingsbuch aus Kindertagen?

Bungartz: "Kater Mikesch". Meine Eltern lasen mir zum Beispiel den "Struwwelpeter" vor. Aber es gab auch zu meiner Zeit schon Hörbücher, die waren noch aus Vinyl. Ich erinnere mich an viele Nachmittage mit der "Schatzinsel", immer wieder von vorn. Meinen Kindern habe ich die "Olchis", das "Sams", "Die wilden Kerle", aber auch Bücher über Bagger und Nutzfahrzeuge vorgelesen, wobei sich mein Sohn besonders für Gebrauchsanweisungen und den Aufbau von Maschinen interessierte.

Welches Buch wollten Sie schon immer mal lesen?

Bungartz: "Tristram Shandy" von Lawrence Sterne. Diesen Herbst erscheint eine neue Übersetzung, vielleicht schaff ich's ja.

Welche drei Bücher würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen und welche muss zu Hause bleiben?

Bungartz: Gedichte von Eichendorff, "Moby Dick" von Herman Melville und die Bibel kommen mit. So manches von Thomas Mann bleibt daheim.

Lesezeichen oder Eselsohr?

Bungartz: Eselsohr für "gute Stelle", Lesezeichen für "Wo waren wir stehen geblieben?"

Papier oder E-Book oder Hörbuch - und vor allem wo?

Bungartz: In dieser Reihenfolge. Am liebsten auf dem Sofa oder im Bett.

Eine Frage zu Büchern, die Ihnen schon immer gestellt werden sollte:

Bungartz: Wann schreibst du selbst mal eins? Die Antwort lautet: Muss nicht sein, es blamieren sich schon genug Leute auf dem Buchmarkt.

Das Interview führte Nicola Millies, NDR.de

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur - Das Journal | 12.12.2016 | 22:45 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Romane

Krimis

NDR Logo
Dieser Artikel wurde ausgedruckt unter der Adresse: https://www.ndr.de/kultur/buch/Christoph-Bungartz-im-Interview,interview2872.html
Ein Buch liegt aufgeschlagen am Strand, im Hintergrund die Ostsee. © Katharina Mahrenholtz Foto: Katharina Mahrenholtz

Der Norden liest

Seit 2006 geht es mit "Der Norden liest" auf jährliche Lesereise durch Norddeutschland. Auch 2020 haben wir wieder spannende Literatur und interessante Künstler im Gepäck. mehr

Julia Westlake © NDR Foto: Hendrik Lüders

Julia Westlake: Eselsohren und Helden der Kindheit

Im Interview verrät uns Julia Westlake, wo sie am liebsten liest, wer ihr mal vorlesen soll und wen die Moderatorin nicht auf eine einsame Insel mitnehmen würde. mehr

Ein Latte Macchiato, eine Brille und eine Kerze liegen auf einem Buch © picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun

Bücher 2024: Das waren die interessantesten Neuerscheinungen

Unter anderem gab es Neues von Martina Hefter, Frank Schätzing, Markus Thielemann, Isabel Bogdan oder Lucy Fricke. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Charlie Hübner sitzt an einem Tisch. © Thomas Aurin

Charly Hübner als wandelbarer Antiheld in "Late Night Hamlet"

Munteres Late Night Geplauder trifft auf Shakespeare-Drama - so das Setting für den Solo-Abend im Schauspielhaus Hamburg. mehr