Der Schriftsteller James Baldwin auf einem Schwarz-Weiß-Foto draußen vor kahlen winterlichen Ästen. © picture alliance Foto: -
Der Schriftsteller James Baldwin auf einem Schwarz-Weiß-Foto draußen vor kahlen winterlichen Ästen. © picture alliance Foto: -
Der Schriftsteller James Baldwin auf einem Schwarz-Weiß-Foto draußen vor kahlen winterlichen Ästen. © picture alliance Foto: -
AUDIO: Der Stichtag: 100. Geburtstag des Autors James Baldwin (3 Min)

100 Jahre James Baldwin: Unbeirrbares Schreiben gegen den Hass

Stand: 03.08.2024 00:00 Uhr

Am 2. August 1924 wurde James Baldwin in New York geboren. Er war eine wichtige Stimmen der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

von Kerstin Burlage

Mit seinen zahlreichen Romanen, Essays und Gedichten war Baldwin vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren ein genauer Beobachter des amerikanischen Alltagslebens, das stark von Rassismus und Konservatismus geprägt war.

Aufgewachsen im bitterarmen New Yorker Stadtteil Harlem

Dabei hatte es James Arthur Baldwin von Anfang an nicht leicht: Er wächst in New York auf - mit Mutter, Stiefvater und acht Geschwistern. Die Familie ist bitterarm, wie so viele in ihrem Stadtteil Harlem, der zu dieser Zeit Mittelpunkt des afro-amerikanischen Lebens ist.

Weitere Informationen
James Baldwin lächelt in die Kamera. © picture alliance Foto: Nancy Kaye
10 Min

"James Baldwin: Der Zeuge": Gespräch über Biografie des Autors

René Aguigah hat den bedeutenden Schriftsteller porträtiert, der sich zeitlebens gegen rassistische Polizeigewalt engagiert hat. 10 Min

Täglich erfährt er dort Diskriminierung und Hass. Mit zehn Jahren wird er von weißen Polizisten verprügelt. Auch sein Stiefvater macht ihm das Leben schwer: Der fanatische Laien-Prediger hat etwas gegen das schriftstellerische Talent seines Stiefsohnes. James Baldwin liest trotzdem ständig Bücher und schreibt für die Schülerzeitung.

Selbstmordgedanken aus Verzweiflung und Wut

Mit vierzehn Jahren predigt auch er im Gottesdienst - drei Jahre lang, dann wendet er sich endgültig von der Kirche ab. 1942 macht Baldwin seinen Schulabschluss, doch wenig später stirbt sein Stiefvater und er ist gezwungen, seine Familie mit Gelegenheitsjobs durchzubringen. Mit 22 Jahren denkt James Baldwin daran, sich das Leben zu nehmen. "Aus Verzweiflung, aus Wut! Wenn du so hart geschlagen wurdest, verengt sich deine Welt auf so einen roten Kreis aus Zorn und du fängst an alle zu hassen, das heißt: Du fängst an, dich selbst zu hassen. Und sobald das passiert, ist es aus!", erzählte Baldwin einmal.

Mit Autoren-Stipendium nach Paris

Stattdessen beginnt er, sich Verzweiflung und Wut von der Seele zu schreiben - zunächst in Essays für die Zeitung. 1948 kann er dank eines Autoren-Stipendiums nach Paris übersiedeln - um dem tödlichen Rassismus der USA zu entfliehen, wie er später sagt: "Ich habe dieses Land nur aus einem Grund verlassen: dass mir dort nichts Schlimmeres passieren kann, als hier in den USA. Denn hier musst du dich nur einmal von der Gesellschaft abwenden und schon kannst du tot sein - und es ist schwierig, sich auf seine Schreibmaschine zu konzentrieren, wenn man solche Angst hat."

Weitere Informationen
Buch-Cover: James Baldwin, "Kein Name bleibt ihm weit und breit“ © dtv

Immer noch aktuell: Baldwins Essay "Kein Name bleibt ihm weit und breit"

Das scharfsinnige und einfühlsame Essay von James Baldwin, einer Ikone der Gleichberechtigung, entstand 1972. Nun wurde der Text neu übersetzt. mehr

Durchbruch mit erstem Roman

In Paris schreibt er seinen ersten Roman: In "Go tell it to the mountain" verarbeitet er seine Kindheits-Erfahrungen - und hat damit 1953 seinen Durchbruch als Schriftsteller. Es folgen Essays und Theaterstücke und 1956 sein zweiter Roman: "Giovannis Room" ist eine homosexuelle Liebesgeschichte, mit der Baldwin einen Skandal auslöst. Doch er lässt sich nicht beirren, lebt selbst offen homosexuell, schreibt weiter über seine großen Themen Sexualität und Rassismus, Liebe und Hass - auch jenseits von Hautfarbe. "Ich schreibe für Menschen! Ich glaube nicht an weiße Menschen. Ich glaube auch nicht an Schwarze Menschen. Aber ich weiß, dass Weiß-Sein und Schwarz-Sein in diesen Zeiten ein Unterschied ist", betonte der Schriftsteller.

Stimme der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung

Diesen gesellschaftlich erzeugten Unterschied prangert James Baldwin auch immer häufiger öffentlich an: 1957 kehrt er zurück in die USA und wird dort eine der wichtigsten Stimmen der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung - an der Seite von Künstlerinnen wie Nina Simone und auch Aktivisten wie Martin Luther King und Malcolm X. Deren Ermordung trifft James Baldwin schwer und treibt ihn 1970 zurück ins Pariser Exil. Auch dort thematisiert er immer wieder Rassismus, Doppelmoral und das tödliche Erbe der Sklaverei in Amerika. Sein entwaffnendes Lächeln und seinen Glauben an die Menschlichkeit verliert er dabei jedoch nie. Am 1. Dezember 1987 stirbt Baldwin mit 63 Jahren an einer Krebserkrankung.

Weitere Informationen
Der US-Bürgerrechtler Martin Luther King winkt bei einer Kundgebung von der Lincoln-Gedächtnisstätte in Washington aus seinen Anhängern zu. (Archivbild vom 20. August 1963) © picture-alliance/ dpa / AFP

Martin Luther King - Ein Bürgerrechtler als biblischer Prophet

Obwohl sich der Prediger als Opfer "zerschlagener Hoffnungen" beschrieb, hielt er stets an seinen Visionen und seinem Traum fest. (29.08.2023) mehr

Nina Simone auf dem Maastricht Jazz Festival im Jahr 1992 © picture alliance / Heritage-Images | /Heritage Images

Nina Simone und ihre Songs: Bis heute hochaktuell

"My Baby Just Cares for Me" - diesen Song kennen viele. Die US-Jazzsängerin war ein Ausnahmetalent. Nun wäre sie 90 Jahre alt geworden. (22.03.2023) mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | ARD Infonacht: Gut informiert durch die Nacht | 02.08.2024 | 05:55 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Porträt

Romane

Lyrik

Ein Latte Macchiato, eine Brille und eine Kerze liegen auf einem Buch © picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun

Neue Bücher 2024: Die interessantesten Neuerscheinungen

Unter anderem gibt es Neues von Martina Hefter, Frank Schätzing, Markus Thielemann, Isabel Bogdan oder Lucy Fricke. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Chormitglieder in schwarzer Kleidung auf einer Fußgängerbrücke im Grünen. © Anke Schröfel Foto: Anke Schröfel

Johannes-Brahms-Chor Hannover feiert 40-jähriges Bestehen

Der Chor ist 1984 aus dem Mädchenchor Hannover hervorgegangen. Manche Mitglieder sind schon seit Jahrzehnten dabei. mehr