Zehn Jahre "Charlie Hebdo"-Attentat: "Weitermachen, nicht aufgeben"
Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler haben Cartoons, Karikaturen und Eindrücke zu dem Terroranschlag auf "Charlie Hebdo" und dem Thema Kunstfreiheit eingesandt. Ein Gespräch mit der Leiterin des Wilhelm Busch-Museums, Eva Jandl-Jörg.
Frau Jandl-Jörg, es ging los mit einem Aufruf, den Sie gestartet haben. Was haben Sie für einen Eindruck von der Position der Künstlerinnen und Künstler gewonnen?
Eva Jandl-Jörg: Nach wie vor große Solidarität, große Verbundenheit, Mut und immer wieder der Aufruf, dabeizubleiben, weiterzumachen und nicht aufzugeben.
Wie haben Sie ausgewählt? Denn manche mussten Sie wahrscheinlich auch rauslassen.
Jandl-Jörg: Ja. Das ist aber nur dem geschuldet, dass wir nicht so viel Platz haben. Wir haben uns kurzfristig zu dieser Aktion entschieden, gemeinsam mit vier anderen Museen, und jeder stellt nach der persönlichen Maßgabe aus, wie er im Haus Platz hat. Das war ein gemeinsamer Prozess, wie wir ausgesucht haben. Wir haben einen Aufruf gestartet, und die Künstler und Künstlerinnen haben relativ kurzfristig reagiert und uns ihre Arbeiten geschickt. Wir haben dann gemeinsam in den Teams der fünf Ausstellungshäuser eine erste Sichtung gemacht, und jedes Haus hat sich dann Einzelwerke ausgesucht. Die haben wir noch einmal gemeinsam durchgeschaut und darüber gesprochen, warum wir uns wofür entschieden haben.
Wie ist da die Bandbreite? Können Sie uns ein paar Einblicke geben?
Jandl-Jörg: Die Bandbreite ist von "nicht aufgeben, nicht locker lassen" bis zur persönlichen Schere im Kopf, die dadurch entsteht, dass Künstlerinnen und Künstler durch diese extreme Gewalttat ängstlich und vorsichtig geworden sind. Diese Angst und dieser Druck wird durch die starken Veränderungen der politischen Landschaft noch verstärkt. Das sind Themen, die man in den Zeichnungen oft findet, aber auch witzige, humoristische Sachen, die einen versöhnlichen und guten Ausblick nach vorne wagen und sagen: Wir halten zusammen, wir bleiben mutig und fröhlich bei aller Bitternis.
Es gibt so einen Terrorakt wie heute vor zehn Jahren im Paris - es gibt aber auch diesen steten Tropfen an Kritik, an Erniedrigung, an Anfeindung. Wie gehen die Künstlerinnen und Künstler damit um?
Jandl-Jörg: Die erleben das direkt und vor allem verstärkt durch die sozialen Medien. Da sind sie nach wie vor starken Angriffen ausgesetzt, so wie viele Menschen, die in der Öffentlichkeit auftauchen - da geht es leider vielen ähnlich.
Sie haben schon von der Schere im Kopf gesprochen. Gibt es da mittlerweile eine größere Bedachtheit oder sogar Vorsicht?
Jandl-Jörg: Ja, aus dem Druck heraus, unfreiwillig, aus der Ängstlichkeit heraus, weil kreative Prozesse von der Unbeschwertheit leben, von der Leichtigkeit. Wenn das verloren geht, dann wird es auch für die Künstlerinnen und Künstler anstrengend. Die merken das, weil Dinge nicht publiziert werden, weil das Medium sagt, das sei zu heikel. Man ist vorsichtiger geworden - aus einem Druck heraus, nicht freiwillig.
In der Szene von Kabarett und Bühnensatire gibt es mittlerweile unterschiedliche Strömungen, auch Anfeindungen untereinander. Wie ist das in der Welt der Zeichner?
Jandl-Jörg: Ich glaube, das ist es ähnlich, wobei mir die die Szene unter den Zeichnern sehr solidarisch vorkommt. Es gibt Auswüchse, wo man mit bestimmten Sachen von Einzelkünstlerinnen und -künstlern nicht einverstanden ist - das kommunizieren die aber relativ direkt untereinander. Das wird eher nicht über die Öffentlichkeit gemacht.
Also keine Zeichnungen über einander?
Jandl-Jörg: Nein, zumindest nicht für uns sichtbar. Wer weiß, was die sich hin und her schicken. Die kämpfen mit offenem Visier, das ist eine ganz kleine Szene. Ich habe das Gefühl, dass die schon kritisch, aber offen miteinander umgehen.
Es gibt nicht nur die Ausstellung, sondern es gibt auch Veranstaltungen drumherum. Was ist im Wilhelm-Busch-Museum geplant?
Jandl-Jörg: Heute ist den ganzen Tag freier Eintritt, und es gibt um 17 Uhr eine Lesung mit Live-Sketching. "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt" - so haben wir das genannt. Da gibt es eine Bühnenpoetin und einen Autor, und die Illustratorin Emma wird dazu live die Texte in Bilder verwandeln.
Am 24. Januar haben wir um 18 Uhr unseren ersten "Comic Salon im BUSCH". Das ist eine Lesung und ein Gespräch: "Charlie Hebdo - Wie geht es weiter?" Dort stellt die Comicexpertin Katinka Kornacker zwei Graphic-Novels vor: "Die Leichtigkeit" von Catherine Meurisse und "Wir waren Charlie" von Luz. Die beiden Zeichner*innen sind Überlebende des Anschlags, und sie haben deshalb überlebt, weil sie an diesem Tag verschlafen haben.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.