Das Festival-Logo gefertigt aus großen Metallbuchstaben, steht auf einer Wiese. © picture alliance/dpa Foto: Axel Heimken

US-Investor KKR und Wacken - kann das gut gehen?

Stand: 31.07.2024 15:14 Uhr

Im Juni wurde der Wacken-Open-Air-Gesellschafter Superstruct vom US-Investor KKR für 1,3 Millarden Euro übernommen. Was das für die Kultmarke Wacken bedeutet, erklärt Marken-Experte Oliver Errichiello im Interview.

Die beiden Wacken-Gründer Thomas Jensen und Holger Hübner ziehen sich auf dem Papier immer weiter zurück und verkaufen immer mehr von ihren Anteilen. Der amerikanische Investor KKR ist ein "Private-Equity-Fond": Mit dem Geld der Anleger werden Firmen gekauft, zurechtgestutzt und Anteile dann wieder mit Gewinn verkauft. Bekannt wurde KKR aber auch als sogenannte "Heuschrecke" mit kurzfristigen oder überzogenen Renditeerwartungen. Er war bei vielen Medienunternehmen engagiert und löste mit Forderungen nach Sonderdividenden für die Anleger Kritik bei Mitarbeitern und Kleinaktionären aus.

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Herr Errichiello, wofür steht Ihrer Meinung nach die Marke Wacken?

Oliver Errichiello: Wacken hat inzwischen eine 30-jährige Geschichte, und Marken sind, wenn man es soziologisch analysiert, positive Vorurteile. Diese sind: ein unglaublich verankertes Gemeinschaftgefühl, eine Herkunft im Sinne eines kleinen Städtchens in Schleswig-Holstein und das sogenannte Line-Up, also die Bands, die dort zu sehen und zu hören sind. Sie entsprechen in einer gewissen Weise Klassikern der Szene, aber auch immer wieder Newcomern. Dieses Gleichgewicht von Altem und Neuen immer wieder herzustellen, das sind bestimmte Elemente des positiven Vorurteils in Bezug auf Wacken.

Man hat auch dieses Dorf, das mitmacht, die Feuerwehrkapelle, den Schlamm, gleichzeitig Heavy Metal. Das Thema ist durch, hat also musikalisch aus meiner Sicht nicht mehr viel zu sagen. Warum hat das trotzdem so einen großen Kultcharakter?

Errichiello: Starke Marken kennzeichnet etwas, was wir aus der Natur kennen: das Prinzip der Selbstähnlichkeit. Es geht in der Produktion von lebenden System niemals um die identische Reproduktion, also immer das Gleiche. Das würde bei jedem lebenden System sofort zum Tod führen. Sondern Selbstähnlichkeit bedeutet, dass ich eine bestimmte Typik, etwas Erwartbares immer wieder zeitgemäß interpretiere. Es gibt bestimmte Elemente, die vorkommen, wie zum Beispiel die Band der Feuerwehr oder auch die Tatsache, dass ich dort bestimmte Musiker immer wieder treffe, aber es immer wieder neu auflade, also diese Typik erhalte.

Das gelingt Wacken seit inzwischen 30 Jahren auf eine fast schon organisch gewachsene Art und Weise. Man hat ein richtiges Gespür für das, was sein muss, und das, was in gewissen Maßen immer wieder neu hinzukommt. Das ist etwas, was wir in der Konsumpsychologie meist verkennen, nämlich der Wunsch von Menschen, auch Gewohnheiten zu pflegen. Und das ist eigentlich die Wunderstruktur, die wir bei Wacken haben, dass wir auf der einen Seite dieses Beständige haben, aber auf der anderen Seite auch immer wieder das Neue, was interessanterweise auch dazu führt, dass es dort Menschen gibt, die 18 Jahre alt sind, aber auch Menschen, die 70 Jahre alt sind - und alle die vereinigt dieses Festival.

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Superstruct ist die Firma, an die immer mehr Anteile verkauft werden, ohnehin schon ein großer Player im Markt. Und die wird wiederum übernommen von der "Heuschrecke" KKR. Das passt vom Image überhaupt nicht zum dörflichen Heavy-Metal-Festival mit den sympathischen, kuriosen Besuchern.

Errichiello: Das ist die Gefahr, in der sich momentan die Marke Wacken befindet. Inwieweit kann man diesen authentischen Geist, dieses fast schon Aufrichtige seiner Herkunft weiterhin bewahren? Natürlich kann man argumentieren, dass das heutzutage aus wirtschaftlichen Gründen nötig ist. Man kann vielleicht auch die immer wieder gern beschworenen Synergieeffekte nutzen. All das sind ökonomische Gründe. Aber Marken sind eben auch soziale Phänomene. Und letztlich geht es nicht darum, irgendein Bild aus der Vergangenheit zu beschwören, die alte Geschichte aufleben zu lassen. Das tut man dann meistens, um eigentlich zu verdecken, dass man inzwischen anders strukturiert ist.

Es wird darauf ankommen, wie sich Wacken in den nächsten Jahren entwickelt. Ich glaube, es ist noch zu früh darüber zu sprechen, ob der wahre Geist erhalten bleibt. Letztlich sind Marken nicht nur Image, sondern Marken beruhen auf Leistungen. Und solange die Leistungen von Wacken dieses typische Wacken-Element, diesen Wacken-Charakter in Zukunft reproduzieren werden, gehe ich davon aus, dass es durchaus Chancen gibt, dass Wacken trotz dieses Einstiegs einer 'Heuschrecke' weiterhin Wacken bleibt.

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Wenn die beiden Gründer Thomas Jensen und Holger Hübner Sie als Markenberater beauftragt hätten, was hätten Sie ihnen mit auf den Weg gegeben?

Errichiello: Ich würde mich sehr freuen, wenn mich die Herren anrufen, weil ich großen Respekt habe vor ihrer Gestaltidee, die sie vor 30 Jahren entwickelt haben. Denn alles sprach ja dagegen. Und wenn man sich die ersten Jahre anschaut, dann sieht man, wie langsam sich diese Marke entwickeln musste. Marken entstehen niemals über Nacht.

Ich würde heute den beiden Gründern sagen: Lasst uns eine Art sozioökonomischen Bauplan entwickeln, was eigentlich die entscheidenden Elemente von Wacken sind. Was gehört dazu? Da gehört die Feuerwehr-Band hinzu, das Line-Up, die Form des Übernachtens, des Zusammenseins, der Gemeinschaftsbildung. All diese Elemente mal auf eine konkrete Ebene zu stellen und dann zu sagen: Bleibt euch treu in dem, was Wacken ausmacht - das wäre wahrscheinlich meine Empfehlung für diese beiden wirklich beeindruckenden Gründer.

Das Interview führte Mischa Kreiskott.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 31.07.2024 | 16:45 Uhr

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