Sommerliche Musiktage: Pflanzenintelligenz als Trendthema
Vom 27. Juli bis zum 04. August 2024 locken die Sommerlichen Musiktage Kulturinteressierte ins niedersächsische Hitzacker. Als besonderes Nachhaltigkeitsprojekt wird in diesem Jahr die Installation "Imagined Garden" gezeigt.
"Imagined Garden" verbindet Klang, visuelle Kunst, Wissenschaft, Technologie und Botanik zu einer Installation, die mit künstlerischen Mitteln auf die Manipulation und Gefährdung der Natur durch den Menschen aufmerksam machen soll. Wie es zu der Idee kam, erzählen die Macherinnen Sarah Maria Sun, Grace Ellen Barkey (visuelle Installation) und Tamara Miller (Klanginstallation) im Gespräch.
NDR Kultur: Eine Installation zur Intelligenz von Pflanzen. Woher kommt die Grundidee?
Sarah Maria Sun: Ich habe vor fünf Jahren gemeinsam mit Tamara angefangen, über ein Projekt zum Thema Kommunikation von Pflanzen nachzudenken. Damals erschienen immer mehr Bücher zu dem Thema und es hat mich fasziniert. Zeitgleich gibt es den Klimawandel, immer mehr Biodiversität geht verloren, das bewegt einen ohnehin schon. In der Kunstszene gab es dazu aber noch nichts, weshalb wir eine Installation zum Thema bauen wollten. Wir haben viele Projektanträge gestellt, das hat zunächst leider nicht geklappt. Wir haben also unsere Idee immer weiter überarbeitet, bis wir sie nun in der heutigen Form verwirklichen konnten.
In diesen fünf Jahren ist das Thema in der Kunst- und Museumsszene angekommen. Allein elf Museen im deutschsprachigen Raum haben sich in den letzten drei Jahren mit dem Thema Pflanzen befasst. Das freut mich sehr, denn ich finde es sehr wichtig, sich damit in der Kunstwelt zu beschäftigen, so dass sich auch die Grundmasse der Menschen auf verschiedene Weisen dem Thema nähern kann - nicht nur durch wissenschaftliche Bücher. Sondern eben auch verspielt.
Welche Fakten haben Sie besonders fasziniert?
Sun: Pflanzen sind sehr viel länger auf dem Planeten als Menschen. Sie haben sich seit etwa 470 Millionen Jahren entwickelt und der Mensch erst seit etwa 60 Millionen Jahren. Schon seit den 1990er-Jahren gibt es verschiedene Studien darüber, dass Pflanzen unterirdisch miteinander kommunizieren. Besonders fasziniert hat Tamara und mich die Waldökologin Dr. Suzanne Simard von der University of British Columbia. Sie hat als erste Frau nachgewiesen, dass Bäume durch ihre Wurzelnetzwerke - also die Mykorrhiza - über viele Kilometer miteinander kommunizieren und gegenseitig Nährstoffe und Informationen austauschen.
Sie hat außerdem die Existenz von sogenannten "Mother Trees" bewiesen, das sind ältere Bäume, die ihre Sprösslinge erkennen und diese vermehrt mit Nährstoffen versorgen. Außerdem können sie auch speziesübergreifend weitere Baumindividuen unterirdisch mit Nahrung und Wissen versorgen. Darüberhinaus hat sich seit den 1990er-Jahren eine Flut an Mehrwissen zu Pflanzenintelligenz und Pflanzenkommunikation ergeben. Das war die Ausgangslage für Tamara und mich. Wir haben dann darüber nachgedacht, wie wir die Kommunikation von Pflanzen, die ja unterirdisch stattfindet, hörbar machen können.
Warum sollten Menschen mehr darüber erfahren?
Sun: Ich finde es superwichtig, weil die Menschheit überleben möchte. Wir wollen eine klimaneutrale Wirtschaft und eine nachhaltige Gesellschaft - zumindest sollte das das Ziel sein, wenn wir in Zukunft überleben wollen. Ansonsten werden wir alle sterben und einen zerstörten Planeten zurücklassen, der sich Millionen Jahre von unserer Spezies erholen muss. Deswegen sollten wir uns mehr damit befassen, wie Pflanzen es schaffen, auf eine nachhaltige Art und Weise zu überleben.
Tamara Miller: Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir als Menschen andere Lebewesen als gleichwertig betrachten. Wir waren für so viele Jahre an der Spitze der Pyramide. Wenn wir die Sonderstellung des Menschen weiter als Standard betrachten, wird es schwer, zu überleben. Wir müssen von diesem Podest runterkommen und andere lebende Spezien genauer betrachten und wertschätzen.
Wie haben Sie diese Erkenntnisse nun in ein Kunstwerk übersetzt?
Miller: Mit meiner Klanginstallation möchte ich Menschen zum Nachdenken bringen. Die Installation ist sehr klein, sodass man sehr nah herangehen muss, um sie schätzen und kennenlernen zu können und auch um zu verstehen, wie sie funktioniert. Man sollte also nicht nur fünf Minuten da durchlaufen, sondern sich etwas mehr Zeit dafür nehmen. Die Installation ist aus Metall, ich glaube, viele Menschen haben vergessen, dass Metall ein natürlicher Stoff aus der Erde ist. Diese Objekte, die wie Pflanzen aussehen, sollen zum Leben erweckt werden, denn sie erzeugen nicht nur Klang, sie bewegen sich dabei auch durch die Vibration. Es wird also etwas belebt, das wir normalerweise nicht als lebendig wahrnehmen. Damit soll auf eine abstrakte Art und Weise Aufmerksamtkeit für die Intelligenz anderer Lebenwesen hergestellt werden. Ich bin keine Wissenschaftlerin, ich kann also keine Daten erheben und die dem Publikum präsentieren.
Grace Ellen Barkey: Ich habe schon lange Nachtvideos von Pflanzen gemacht, die zu sehen sein werden. Es wird sich also ein bisschen wie eine Wanderung durch einen nächtlichen Garten unter einem Sternhimmel anfühlen. Ich denke, es ist sehr zeitgenössisch. Ich habe Pflanzen lange beobachtet und mich sehr mit der Unbeständigkeit der Dinge befasst. Die Einsicht, dass alles, was man sieht, eigentlich schon dabei ist, zu verschwinden oder zu sterben - diese Einsicht macht einen sehr klein. Sie zeigt die gesamte Zerbrechlichkeit des Lebenszirkels. Wir alle drei wollen also die Aufmerksamkeit auf die Fragilität der Natur lenken, damit sie besser geschützt wird. Sich Zeit zu nehmen, um sich die Natur anzuschauen, bringt auch schon Aufmerksamkeit für dieses Thema mit sich.
Warum passt dieses Projekt Ihrer Meinung nach gut nach Hitzacker?
Sun: Ich glaube, das Publikum in Hitzacker ist super neugierig und sehr offen allen möglichen Kunstformen gegenüber. Die Installation wird auch insofern besonders, weil wir sie dort im Oktogon im Dunkeln zeigen werden. Grace wird noch eine Lichtinstallation zu Tamaras Klängen aufbauen. Es wird auch jeden Tag ein Konzert in der Dunkelheit geben.
Barkey: Ich finde es großartig, dass es dort jeden Tag noch ein Konzert gibt. Das wird die Installation jeden Tag ein bisschen verändern.
Die Sommerlichen Musiktage Hitzacker sind Kulturpartner von NDR Kultur.