Raumgreifende Kunst in Schleswig: "Wir mussten ein Fenster ausbauen"
Vom 1. Mai bis zum 27. Oktober 2024 sind Werke von Joana Vasconcelos in Schleswig zu sehen. Die elf raumgreifenden Installationen in den Norden zu holen, ist mit großem logistischen Aufwand verbunden. Nötig waren ein Kran, eine Menschenkette und ein ausgebautes Fenster.
"Le Château des Valkyries" ist die bislang umfangreichste Museumsausstellung der portugiesischen Starkünstlerin in Deutschland. Das Schloss Gottorf darf sich damit in eine exklusive Liste einreihen: Denn Werke von Vasconcelos waren schon im Guggenheim-Museum in Bilbao, in den Schlossräumen von Versailles, in den Uffizien in Florenz und auf den Biennalen 2005 und 2013 in Venedig zu sehen. Die Künstlerin begeistert das Publikum mit ihren sinnlich theatralischen Werken, dabei verbindet sie spielerisch Kunst, Mode und Design miteinander.
Im Interview mit NDR Kultur gibt Thorsten Sadowsky, wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen auf Schloss Gottorf, einen Einblick hinter die Kulissen der Ausstellung.
Wie lange haben Sie an dieser Ausstellung gearbeitet?
Thorsten Sadowsky: Ich habe vor zwei Jahren mit der Planung der Ausstellung begonnen, was bei Ausstellungen dieser Größenordnung nicht ungewöhnlich ist. Ich bin nach Lissabon gereist, um die Künstlerin zu besuchen und gemeinsam Ideen für Gottorf zu entwickeln. Anschließend ist sie zu uns gekommen, um die Örtlichkeiten zu begutachten. So konnten wir entscheiden, welche Arbeiten in welche Räume passen, denn die Ausstellung erstreckt sich über vier Standorte auf der Schlossinsel in Schleswig und den Innenhof des Eisenkunstgussmuseums in Büdelsdorf.
Welche Herausforderungen bringen die großformatigen Werke von Joana Vasconcelos mit sich?
Sadowsky: Wir mussten zum Beispiel klären, ob wir die großformatigen Werke überhaupt ins Schloss reinbekommen! Dafür musste ein Fenster ausgebaut werden, so etwas muss natürlich sehr genau geplant und abgemessen werden. In der Schlosskapelle zeigen wir eine der schwebenden Walküren. Dort war dann die Herausforderung, wie wir das Kunstwerk aufhängen können: Was wiegt die Walküre? Wie viele Hängepunkte hat sie? Geht das mit der Statik? Dabei hat uns ein Statiker beraten. Es sind unter anderem noch Denkmalschutzaspekte zu berücksichtigen, es sind also extrem viele Aufgaben für alle Kolleginnen und Kollegen hier in der Stiftung. Joana Vasconcelos unterhält ein großes Studio mit etwa fünfzig Mitarbeitenden, auch dort sind natürlich viele Abstimmungen notwendig.
Wie haben Sie die Kunstwerke nach Schleswig geholt?
Sadowsky: Mit drei großen Kunsttransporten direkt von Lissabon nach Schleswig, das sind an die 3.000 Kilometer. Am 15. April kam der erste Lkw morgens bei uns an. Die Werke kommen in großen Transportkisten. In diesem Fall waren keine Klimakisten notwendig, wie es etwa bei Papierarbeiten oder Gemälden notwendig ist. Das Volumen der Werke ist eine große Herausforderung, man muss genau im Blick behalten, was wo wie reinkommt. Es ist also eine logistische Herausforderung und letztlich braucht man auch noch viele Hände. Am Schloss hatten wir dazu auch noch eine kranartige Maschine im Einsatz, die die Kisten in fünf Metern Höhe über das ausgebaute Fenster ins Schloss gehoben hat.
Wie aufgeregt waren Sie denn dabei?
Sadowsky: Es war sehr aufregend für alle und bisher - ich klopfe auf Holz - ist alles gut gegangen. Es ist eine positive Anspannung. Es ist natürlich wichtig, dass nichts beschädigt wird und auch mit den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen alles gut geht. Als wir im Schloss die ersten Kisten ausgepackt haben, war das schon eine große Erleichterung.
Was steht jetzt noch bis zur Ausstellungseröffnung am 1. Mai an?
Sadowsky: Es gibt noch viele Herausforderungen: Bei den Kunstwerken müssen wir jetzt detailliert umsetzen, was wir vorher auf Zeichnungen festgelegt haben. Die eine Walküre ist über 14 Meter lang - da müssen wir jetzt die Hängepunkte an der Decke festlegen und schauen, wie das gelingt. Eine Wandarbeit wiegt etwa 700 Kilogramm, die müssen wir an die Wand bringen - diese Wand haben wir dafür extra verstärkt. Einzelteile dieser Arbeit müssen jetzt an einem Rahmen befestigt werden, dieser wird dann über Flaschenzüge hochgezogen und an der Wand montiert. Das ist wirklich ein großer Aufwand. Unsere Technik hier im Haus hat viel daran getüftelt, wie man das alles am besten macht.
Worauf freuen Sie sich jetzt am meisten?
Sadowsky: Diese Aufbauzeit ist wirklich spannend, als Museumsdirektor habe ich sonst auch viel Schreibtischarbeit zu erledigen. Es ist toll jetzt zu sehen, wie diese Ausstellung entsteht. Wenn man merkt, dass das aufgeht, was man sich vorher überlegt hat. Das ist wirklich eine große Freude. Auch die Teamarbeit ist toll, es kommen dabei sehr unterschiedliche Gewerke aus dem Haus zusammen. Für die Arbeit "Garden of Eden" wird in unserem Hirschsaal eine große Lichtinstallationen auf dem Boden ausgelegt - das sind phosphoreszierende Blumen. Diese Blumen mussten alle per Menschenkette in den Saal gebracht werden. Dabei waren 40 Kolleginnen und Kollegen im Einsatz. Da ist natürlich ein tolles Erlebnis, wenn man gemeinsam so etwas hinbekommt. Wenn sich diese großen Werke dann in unseren Räumlichkeiten präsentieren, ist das außerdem ein sehr erhabenes Erlebnis.
Was verbirgt sich hinter dem Titel "Le Château des Valkyries"?
Sadowsky: Ausgangspunkt ist, dass Joana Vasconcelos die großen, schwebenden Figuren Walküren nennt. Die verkörpern bei ihr die starken Frauen, als eine Form der Ermächtigung weiblicher Perspektiven. Dabei handelt es sich ja um textile Installationen, es gibt eine Wertschätzung für textile Kunstfertigkeit, also verschieden Techniken wie Häkeln, Spitzenklöppelei oder Stricken kommen dabei zum Einsatz. Diese barocke Invasion im Schloss ist einfach etwas Großartiges. 2012 hat Vasconcelos als erste Frau das Schloss von Versailles in Frankreich bespielt. Wir sind jetzt zusagen das kleine Versailles des Nordens.
Das Interview führte Anina Pommerenke.