Die Schauspielerin Taisiya Schumacher © Sven Serkis
Die Schauspielerin Taisiya Schumacher © Sven Serkis
Die Schauspielerin Taisiya Schumacher © Sven Serkis
AUDIO: "Rassismus gegenüber Roma und Sinti sieht überall gleich aus" (8 Min)

"Rassismus gegenüber Roma und Sinti sieht überall gleich aus"

Stand: 08.04.2024 16:23 Uhr

"Chayas Talk" heißt der erste Podcast von und mit jungen Sinti und Roma. "Es wird viel um Empowerment und um Aufklärung gehen", sagt die Schauspielerin Taisiya Schumacher, eine der drei Hosts des Podcasts.

Im Ausweis steht und stand immer "Christina Schumacher", Russlanddeutsche, 1988 in Jakutsk in Sibirien geboren, allerdings als Tochter einer Romni. Vor einigen Jahren hat sich Christina Schumacher entschlossen, den Namen ihrer Mutter anzunehmen und auch als Frau, die in der Öffentlichkeit steht, als Romni an die Öffentlichkeit zu gehen.

Taisiya Schumacher: Es hat mir irgendwann einfach gereicht. Es hat einfach ein paar Jährchen gedauert, bis ich den kompletten Mut gefasst habe, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. In unserem Business, als Schauspielerin, als Creatorin, war ich sehr vorsichtig damit. Irgendwann habe ich einfach gespürt: Es muss jetzt sein, für mein Rückgrat, für meine Stärkung.

Hattest Du, bevor Du dich dazu entschlossen hat, so eine Art von schlechtem Gewissen?

Schumacher: Ja, das war immer da. Das ist wie so ein Damoklesschwert. Es war immer so: Hey, ich habe noch so viel mehr zu bieten, ich bringe noch eine Kultur mit, ich bringe noch eine Sprache mit. Es ist ja nichts Neues, wenn wir von "coat switching" reden.

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Was bedeutet "coat switching"?

Schumacher: "Coat switching" bedeutet, dass man in der Öffentlichkeit in gewissen Strukturen auf eine andere Gestik, eine andere Mimik umsteigt, um reinzupassen. Da habe ich schon gemerkt, dass ich irgendwie nicht zu hundert Prozent ich selber bin, da fehlt ein Stückchen. Das würde ich so gerne teilen, aber zu diesem Zeitpunkt war ich einfach noch nicht so weit.

Jetzt wird es neben Theater, neben Filmen, neben dem Sprechen noch etwas geben: den Podcast "Chayas Talk". Was bedeutet "Chaya"?

Schumacher: "Chaya" heißt im Romanes "Mädchen". Das ist so weit verbreitet, auch in der Jugendsprache, dass viele gar nicht wissen, woher das Wort kommt und was es eigentlich bedeutet. Leider ist es auch ein bisschen negativ konnotiert. Wenn man Jugendliche fragt, dann sagen die: Das ist so ein leichtes Mädchen, was man mal abschleppen wollen würde. Das ist so schade, dass das dadurch abgestuft wird. Wir haben uns bewusst für dieses Wort entschieden, weil es der erste Podcast von Sinti und Roma ist mit ausschließlich Frauen als Hosts. Dadurch können wir auch aufklären, woher das Wort kommt und was es eigentlich bedeutet.

Was werden die Themen sein?

Schumacher: Es werden so viele sein. Themen wie zum Beispiel: Vorurteile besprechen und dekonstruieren. Es wird viel um Empowerment und um Aufklärung gehen, aber in einem sehr humorvollen Rahmen. Ich würde mal behaupten, Sinti und Roma sind alle irgendwie sehr humorvolle Menschen, und wir lachen einfach sehr gerne, wir haben alle denselben Humor. Die Aufklärung wird nicht mit einem erhobenen Zeigefinger stattfinden, weil wir auch der Meinung sind, dass es viel besser und schöner ist, wenn wir alle zusammenrücken und Brücken bauen. Es wird sehr cool. Wir haben auch prominente Gäste aus der Politik, aus der Community, Aktivist*innen. Es wird auf jeden Fall auch sehenswert, denn wir werden auch ein Video-Podcast machen. Deswegen kann ich es nur empfehlen, einzuschalten.

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Die Diskussion um die osteuropäischen Roma war groß, die aus bitterer Armut mit EU-Pässen nach Deutschland gekommen sind und die in der Öffentlichkeit mehr auffallen als Du als Schauspielerin. Wie gehst Du damit um? Wie stellst Du Dich dem Thema?

Schumacher: Ich versuche einfach, den Kontext herzustellen, Verständnis zu schaffen. Ich bin da sehr solidarisch, weil ich um mein Privileg weiß. Ich weiß, dass ich nicht dazu genötigt bin, mich auf die Straße zu setzen, meine Würde abzulegen, um für meine Kinder etwas zu essen zu haben, betteln zu müssen. Deswegen versuche ist da, sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Aber es geht nur ein Stück weit, denn wenn ein Mensch gar nicht zuhören, gar nicht lernen möchte, engstirnig ist oder bleiben will, dann ist da der Zugang erschwert.

Deine Familie kommt aus Jakutsk in Sibirien. Andere Romni kommen aus Sevilla, Cordoba oder Tirana. Was hat man dann trotzdem miteinander zu tun?

Schumacher: Ich glaube - und das ist ein Phänomen, aber nicht im positiven Sinne -, dass der Rassismus gegenüber Roma und Sinti überall gleich aussieht, strukturell als auch in der Gesellschaft. Die Vorurteile sind dieselben, die Behandlung ist dieselbe. Das ist etwas, was wir leider gemeinsam haben. Aber wir haben auch unsere Sprache gemeinsam, unsere Geschichte, wie weit unsere Menschen überhaupt gekommen sind. Denn der Rassismus uns gegenüber hat nicht erst im Zweiten Weltkrieg angefangen, sondern ab dem Zeitpunkt, als unsere Vorfahren vor circa 800 Jahren nach Europa kamen. Im Mittelalter waren es auch schon unwürdige Zustände unseren Menschen gegenüber. Unsere Menschen in Rumänien und Moldawien waren über 500 Jahre lang versklavt. Das sind die Sachen, die wir gemeinsam haben. Ich glaube, dadurch haben wir auch dieses Kämpfen gemeinsam. Diese transgenerativen Traumen sitzen in all unseren Menschen, aber auch unsere Stärke, unser Kampf fürs Überleben, für Gerechtigkeit. Ich behaupte, die meisten Menschen, die ich aus unserer Community getroffen habe, haben diesen Gerechtigkeitssinn sehr ausgeprägt. Wir wünschen jedem einzelnen Menschen Menschenwürde, weil wir am eigenen Leib erfahren haben, wie es ist, sie nicht zu haben.

Das Interview führte Mischa Kreiskott.

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