Kunstverbrechen-Podcast: "Dieses Bild ist eine kleine Mona Lisa"
Der Anwalt Peter Raue war nah dran an der Suche nach dem Gemälde "Porträt von Francis Bacon" von Lucian Freud, das seit 30 Jahren unauffindbar ist. In der neuen Staffel des "Kunstverbrechen"-Podcasts begeben wir uns auf Spurensuche.
In der Kunstwelt ist Peter Raue eine besonders schillernde Figur. Er hat als Kunstanwalt den Autor und Dramatiker Heiner Müller vertreten und das Berghain, den legendären Techno-Club in Berlin. Er ist aber auch leidenschaftlicher Kunstmäzen und Kunstsammler. Und er war sehr nah dran an der Suche nach dem Gemälde "Porträt von Francis Bacon". Kunstverbrechen-Reporterin Lenore Lötsch hat sich für Kunstverbrechen mit Peter Raue getroffen.
Die Kanzlei von Kunstanwalt Peter Raue liegt in bester Berliner Lage: Potsdamer Platz 1, 9. Etage. Der Mann ist 83, aber nicht zu arbeiten, ist für ihn keine Option. Er selbst ist in der Berliner Kunstwelt bekannt wie ein bunter Hund. 1977 gründete er den Verein "Freunde der Nationalgalerie". Spektakulär war die Schau 2002, als er 200 Gemälde des Museums of Modern Art aus New York nach Berlin holte: "Mr. Moma" nennen man ihn seitdem in Berlin. Raue trägt Einstecktuch und Fliege. Es gibt Tee aus zarten Porzellantassen, Kunstinstallationen in Glaskästen an der Wand, zwei verschmolzene Pistolen liegen auf einem Sideboard. Ein Besprechungsraum mit True-Crime-Kunst-Ausstattung.
Ich habe Peter Raue ein Bild mitgebracht. Ein Foto des Lucian Freud Gemäldes, das dessen Künstlerfreund Francis Bacon zeigt. Wir suchen nun schon seit drei Jahren nach diesem Portrait - andere seit über 30 Jahren. Raue hat Bacon noch selbst kennengelernt. Er setzt die Brille auf und schaut sich das Foto an.
"Das ist eben keine Skizze eines Kopfes"
"Es ist fast eine Skulptur, dieser fehlende Hintergrund, man hat den Eindruck, das soll für die Ewigkeit ihn darstellen, wie er eigentlich war: ein trauriges, einsames Menschenkind, ohne eine Umwelt, ohne irgendwas. Das macht das Bild auch so wichtig. Das ist eben keine Skizze eines Kopfes - das war er!", sagt Raue.
Ich hab in unserer langen Recherche einiges über die kunsthistorische Bedeutung dieses kleinen Bildes gehört, aber Peter Raue toppt das mühelos: "Dieses Bild ist eine kleine Mona Lisa für die Engländer. Nicht für uns! Es ist wirklich erstaunlich, wie aufmerksam dieser Diebstahl verfolgt worden ist. Freud hat unendliche viele Bilder gemacht, hat größere gemacht, vielleicht auch künstlerisch wichtigere. Es war für die Engländer schon ein Opfer, eine Zeitlang auf das Bild zu verzichten. Deswegen verstehe ich so sehr die nicht nachlassende Suche - im Krimi würde man sagen nach dem Mörder."
Diebstahl löst diplomatische Störungen aus
1988 wurde das Porträt aus der Neuen Nationalgalerie in Berlin gestohlen, genauer gesagt am 27. Mai 1988. Peter Raue erinnert sich sehr genau an diesen Tag: "Natürlich hätte ich das Datum nicht gewusst, bin auch erschrocken, dass es schon über 30 Jahre her ist. Es ist mir noch so lebendig, auch weil das ja, in der Politik würde man sagen: diplomatische Störungen ausgelöst hat.
Er erzählt mir von den Hinterzimmergesprächen, die es zwischen der Tate und der Neuen Nationalgalerie gab. Die waren allerdings schwierig, weil der damalige Direktor in Berlin eigentlich kein Englisch sprach. Dabei ging es um komplizierte Verhandlungen. Denn das Bild war massiv unterversichert mit gerade mal 75.000 Pfund. "Da fehlt ne Null!", so Raue. Hinzu kommt die schlechte Sicherung des Bildes: ohne Kameras oder elektrischen Alarm. Die Begründung damals: das Bild sei so klein.
"Eine Alarmanlage ist wie ein Hörgerät - nicht schön!"
"Das ist mir nie ganz eingeleuchtet. Natürlich: eine Alarmanlage an dem Bild, das ist wie wenn du ein Hörgerät hast, das sieht nicht schön aus. Es hat mir nie eingeleuchtet, es gibt weltberühmte Bilder, die sehr klein sind, wo man dann entweder ein Glas davor macht, wie auch immer, es muss eine Möglichkeit geben", sagt Raue.
Schadenersatzansprüche sieht der Anwalt in dem Fall dennoch nicht. Es ist wohl auf beiden Seiten - beim Leihgeber, der Londoner Tate und beim Leihnehmer, der Neuen Nationalgalerie - viel schiefgelaufen. Die diplomatische Klärung ohne Öffentlichkeit war für beide Seiten danach am besten. Am geräuschlosesten.
"Wir müssen jeder Spur nachgehen"
Hoffnung, das verschollene Gemälde heute noch zu finden, hat Peter Raue schon, aber: "Jedes Suchen kostet Geld. Ich glaube, wir müssen jeder Spur nachgehen, jeder Verdächtigung nachgehen und hoffen, dass die Zeit auch diese Wunde irgendwann mal schließt. Es hat ja Bilder gegeben, die nach 60 oder 70 Jahren an den Ort zurückgekommen sind, wo sie hingehören."
Ob sich doch noch eine Spur zu dem verschollenen Gemälde von Francis Bacons Kopf finden lässt, erfahren Sie bei "Kunstverbrechen - Die Suche nach Bacons Kopf", dem True Crime Podcast von NDR Kultur. Denn ab heute gibt es alle Folgen der dritten Staffel in der ARD Audiothek.