Deckengewölbe einer Kirche © IMAGO / imagebroker

"Kunstverbrechen": Der Kirchenfälscher von Lübeck

Stand: 19.12.2023 10:41 Uhr

1951 werden die beeindruckenden und frisch restaurierten Fresken in der St. Marien Kirche in Lübeck gefeiert. Was keiner ahnt: Sie entsprechen nicht dem Original, sondern der Lust und Laune eines Fälschers. Lenore Lötsch und Torben Steenbuck blicken in einer neuen Folge "Kunstverbrechen" auf einen der größten Kunstskandale der Republik.

St. Marien in Lübeck © IMAGO / Zoonar
Im Jahr 1251 wurde begonnen die Marienkirche, die in der Altstadt Lübecks steht, im Stil einer gotische Kathedrale umzubauen.

Der 2. September 1951 ist ein besonderer Tag für Lübeck. Die Stadt feiert die 700-Jahr-Feier der Marienkirche und zugleich ihre Wiedereröffnung. Zehn Jahre zuvor war sie im Zweiten Weltkrieg zerbombt worden und brannte fast ganz aus. Zur Feier sind hochrangige Politiker und Vertreter der Stadt gekommen, unter ihnen auch der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer. Und alle, die ihre Köpfe an jenem Tag zu den frisch restaurierten Fresken strecken, werden Opfer einer Fälschung. Wie kam es dazu?

Das Feuer, das im März 1941 in der Kirche ausbricht, bringt etwas zutage: Als der Ruß von den Wänden gewaschen wird, erscheinen unter einer Kalkschicht Freskenmalereien aus der Entstehungszeit der Kirche. Diese Besonderheit soll bewahrt werden. Engagiert wird der Restaurator Dietrich Fey.

Fälschungen werden als Jahrhundertleistung gefeiert

Ein Mann zündet sich eine Zigarette an © picture-alliance / dpa | Noecker
Lothar Malskat kommt aus bescheidenen Verhältnissen. Schon früh zeigt sich, dass er ein begabter Maler ist.

Fey hat den höchst begabten Lothar Malskat im Schlepptau, den er seit 1937 kennt und mit ihm schon diverse Schwindel betrieben hat. "Kirche, ist doch immer solide!", so Fey zu Malskat. 11.000 DM aus Kirchenmitteln und Spenden fließen in die Restaurierung. Und Malskat malt: auf dem Gerüst unter dem Gewölbe des Chors liegt er monatelang und entwirft bzw. erfindet 21 Heiligenfiguren. Ihre Gewänder strahlen förmlich in Ocker, Rot und Grün. Damit die Malerei schön alt aussieht, bearbeitet er sie mit einer Drahtbürste. Sein Selbstbewusstsein wächst und so malt er sich kurzerhand selbst an die Nordostwand. Unter den Heiligen malt er seinen Kopf und schreibt schwungvoll: "TOUT FECIT 1951 MALSKAT, KLEIN-DEEPENMOOR". Das fällt niemandem auf. Für alle, die nichts von den Fälschungen wissen, schafft Malskat 1950 das "Wunder von Lübeck". Seine Malereien werden als kunsthistorische Jahrhundertleistung gefeiert. In einer Dissertation ist die Rede von einem "unerreichten mittelalterlichen Meisterwerk von gewaltiger Zeugniskraft".

Restauration: Was ist vertretbar und was nicht?

Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre gibt es in der Bundesrepublik eine sehr ernsthafte Diskussion darüber, was Restaurierung denn nun meint: Einige Denkmalpfleger sagen: man darf nur konservieren, bloß nicht die Lücken ergänzen. Das Originalwerk bleibt dann eben ein Fragment. Lothar Malskat und Dietrich Fey sehen das anders. Und auch die Kirchenverantwortlichen nicht nur in Lübeck sehen das damals anders als die strengen Denkmalpfleger. Sie haben das Motto: Wir sind ja kein Museum, wir sind eine Kirche, wo die Gottesdienstbesucher auf schöne, vollständige Kunst schauen sollen. Die Einschränkung: Es muss natürlich künstlerisch vertretbar sein. Der Knackpunkt in der Marienkirche in Lübeck ist, dass an einigen Stellen nach der Reinigung auf den Wänden nichts mehr zu sehen ist. Was ist da also künstlerisch vertretbar, wenn es keine Vorlage gibt?

Fotos dokumentieren die Erschaffung der Fälschungen

Doch dann wendet sich das Blatt: Als Dietrich Fey während der 700-Jahr-Feier der Marienkirche von Bundeskanzler Adenauer persönlich geehrt wird und Lothar Malskat nur ein paar Bier- und Schnapsmarken bekommt, wendet sich der Fälscher an die Presse und informiert die Kirchenleitung. Lothar Malskat möchte, dass der "Kulturbetrug" öffentlich wird. Und er kann es beweisen. Er hat seine Fälschungen akribisch mit dem Fotoapparat dokumentiert. Aber zunächst passiert nichts. Am 6. Oktober 1952 greift er zu einem ungewöhnlichen Mittel. Er zeigt sich selbst an.

Nach seiner Freilassung widmet er sich der Kunst und schafft nun eigene Werke, originale Malskats. Doch ist er wirklich ganz aus dem Geschäft mit den Fälschungen ausgestiegen? Lenore und Torben recherchieren weiter zum Leben des Künstlers und Kopisten Malskat und stoßen dabei schließlich auf den Lübecker Kunsthändler Frank-Thomas Gaulin. Er hatte Malskat noch persönlich kennengelernt und hat überraschende Informationen für das Kunstverbrechen-Team. Was dann geschieht, und was es mit einer Kiste voller Beweismittel auf sich hat, die erst vor kurzem in die Hände des Marienpastors Robert Pfeifer fiel, erfahrt ihr in der neusten Folge von "Kunstverbrechen".

Die neue Folge "Kunstverbrechen" ist bereits in der ARD Audiothek zu hören.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kunstverbrechen - True Crime meets Kultur | 19.12.2023 | 08:00 Uhr

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